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Moor Mother. Veranstalterbild.
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Futuristische Groove-Gefühle: Moor Mother im Münchner „Milla-Club“

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Ein schwarzer Körper rast hin und her durchs Publikum unter Strobolichtern und nimmt alle auf eine Reise von den amerikanischen Plantagen im 19. Jahrhundert bis zu den neusten Protesten in Ferguson, Missouri mit – sie bewegt sich wie ein Geist, gequält, manchmal schreiend, manchmal schweigend, manchmal flüsternd, während riesige Schallwellen die Zuhörer bombardieren.

Am 10. August in dem Münchner „Milla-Club“ erzählte uns Camae Ayewa, bekannt als Moor Mother, blutige Stories aus der Leidensgeschichte der Afroamerikaner unter einem Gewitter von Hubschrauber-Rotorblättern, Free-Jazz-Klängen und Spiritual-Gesängen.

Nachdem Daniel Door die Bühne durch seine wunderschöne, zarte, psychedelische Musik aufgewärmt hat, kam Moor Mother wie ein Sturm aus dem nichts. Sie hat ein Set ohne Unterbrechungen zwischen den Stücken gespielt, alle fließend ineinander übergehend – so dass man nicht wusste wo was endet und anfängt. Die musikalische Begleitung ihrer bedrohlichen, schwerfälligen Stimme wirkte wie ein Treffen vieler musikalischer Welten – man hörte ihre Hip-Hop-Wurzeln durch schwere Bass-Beats, die dann aber genau als das Publikum sich dabei bequem fühlte immer unterbrochen wurden, was uns in ihre Welt von Gewalt und Elend mitgenommen hat; dazu kam das futuristische Groove-Gefühl von Sun Ra, der genauso wie sie aus Philadelphia stammte; der Einfluss elektronischer Musik wie von Jean-Michel Jarre und Karlheinz Stockhausen war auch zu spüren – darauf eine wütende Punk-Stimme a la Patti Smith, manche Texte wie Gedichte, andere einfach geschriene Sätze gefüllt mit Leid und Schmerzen, ohne dabei kitschig zu werden. Bei Moor Mother spürte man keinen Hass gegen Menschen, sondern gegen historische und gegenwärtige Ungleichheiten in der Gesellschaft, was ihre Kunst noch überzeugender macht. Der allerschönste Moment war bei ihrem vorletzten Stück, in dem sie einen sehr langen, kontinuierlichen Aufbau von Lärm und Schall schuf, immer lauter und lauter werdend, bis er plötzlich von einem sanft-zarten impressionistisch angelegten Orchesterklang ersetzt wurde – die Wirkung auf das ganze Publikum war offensichtlich, in diesem Moment waren alle von ihr bezaubert.

Insgesamt war der Auftritt von Moor Mother auch durch unglaublich präzises technisches Können geprägt, man merkte, dass sie sich mit sehr viel Musik auskennt und dazu auch mit ihrem Instrument – Laptop und Mischpult – sehr virtuos umgehen kann. Ihre Musik könnte man in Ruhe auch bei einem Konzert von akademischen elektronischen Komponisten spielen lassen, ohne dass es als was Anderes auffiele.

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