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08.12.2023 | Tobias Glagau, Marianne Schechtel, Johannes Mooser, Shin Taniguchi, Opernchor, Statisterie © Christina Iberl
08.12.2023 | Tobias Glagau, Marianne Schechtel, Johannes Mooser, Shin Taniguchi, Opernchor, Statisterie. Foto: © Christina Iberl
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Ida, Olga und die Wärmepumpe – Die neue Meininger „Fledermaus“ begeistert

Vorspann / Teaser

Wenn der Ball beim Fürsten Orlofsky vorbei ist sich alle in den Armen beziehungsweise am Boden liegen und nach der Pause ein gestandener Schauspieler als Frosch das Zepter übernimmt, dann kann das einer „Fledermaus“ immer noch den Garaus machen oder die Flügel brechen. Heutzutage weniger wegen der gut abgehangenen Kalauer über den Genuss von Sliwowitz oder den 32. Dezember im Abreißkalender, sondern eher wegen des Übereifers mancher Dramaturgen, der Königin der Operette einen Frontalangriff auf Missstände der Gegenwart unterzujubeln. In Halle etwa ging das gerade (in Patrik Seiberts Version) gründlich schief.

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In Georg Schmiedleitners Meininger Neuinszenierung aber setzte der Frosch-Auftritt noch mal eins drauf. Dabei war die Stimmung im Saal schon vor der Pause auf Mitklatschniveau angekommen. Thorsten Merten stolperte dann zwar mit einer gekonnten Bruchlandung über mehrere Stühle in sein fideles Gefängnis, rappelte sich aber schnell wieder auf, griff zur Flasche und torkelte dann gekonnt in ein Pointenfeuerwerk aus Wortwitz mit Thüringencharme. Selbst wenn man da schon ahnt, was kommt, wenn Amazon eine Wärmepumpe anliefert, amüsiert man sich köstlich, wenn deren Aufbau das durchchoreografierte Chaos noch mal verstärkt und alle möglichen Vorlagen für Seitenhiebe aufs Politikgeschäft von heute liefert. 

Diese Inszenierung vertraut dem Stück voll und ganz

Bühnenbildner Stefan Brandtmayr hat für das Gefängnis den schlichten Salon der Eisensteins (mit zwei riesigen wortspielerischen Rattenbildern an der Wand) leicht lädiert. Eins der Riesenbilder ist jetzt zu einem von einer Plane verhängten Fenster mutiert, das andere Bild hängt schief und die Tür ist mit Brettern vernagelt. Wodurch der Frosch nach eigener Aussage vom Justizvollzugs- zum Justizdurchzugsbeamten wird. Man könnte diese Ähnlichkeit des Raums durchaus als Anspielung auf die bürgerliche Doppelmoral sehen, die hier ja schließlich auch verhandelt wird. Und aus der das Ehepaar Eisenstein und auch ihr Dienstmädchen Adele kein Hehl machen. Man kann, muss man aber nicht. Denn diese Inszenierung vertraut dem Stück voll und ganz. 

Um dann in den Ballsaal des jungen, sich notorisch langweilenden russischen Prinzen Orlofsky zu wechseln, ließen drei Revuegirls einfach die Rückwand gen Schnürboden entschweben. Was dem von Cornelia Kraske herrlich genderfluid in Frack und Fummel kostümierten und von Roman David Rothenaicher fabelhaft einstudierten Chor genügend Raum bot, um sich in lauter urkomischen Miniaturen voll zu entfalten.

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08.12.2023 | Emma McNairy, Mykhailo Kushlyk, Johannes Schwarz © Christina Iberl
08.12.2023 | Emma McNairy, Mykhailo Kushlyk, Johannes Schwarz. Foto: © Christina Iberl
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Der eigentliche Knaller dieser „Fledermaus“ ist aber ihre musikalisch und komödiantische Qualität, mit der in Meiningen dieses Prunkstück der Wiener Operette als Oper ehrenhalber behandelt wird. Das fängt bei der Hofkapelle an, die ihr junger Chef Killian Farrell von Anfang an auf Betriebstemperatur anwirft und dann mit leichter Hand auf Vergnügungshochtour laufen lässt. 

Dem Regisseur wiederum gelingt es, alle Protagonisten mit ihrer komödiantischen Seite glänzen zu lassen, die das betont zugewandt in Richtung Saal ausspielen. Den Vogel im geradezu spielwütigen Ensemble schießt dabei Emma McNairy ab. Dass sie nicht nur mit einem phänomenalen Klänge-der-Heimat-Csardas eine Rosalinde der vokalen Extraklasse liefern würde, war klar; mit ihrer komödiantischen Seite überraschte sie aber selbst ihre Fans. Sie ist die attraktive Frau zwischen dem großgewachsenen Ehemann Gabriel Johannes Mooser und dem deutlich kleineren, aber bei Mykhailo Kushilyk mit betörendem Tenor verführerisch schmetternden Verehrer Alfred. Für Mooser wird die ganze Rache-Intrige, in die ihn Dr. Falke verwickelt, das erste mal wirklich peinlich, als er als einziger über die Geschichte lachen muss, bei der er seinen Freund vor drei Jahren der Lächerlichkeit preisgegeben hatte. Bei seiner Erzählung der Geschichte von damals bleibt ihm sein schadenfrohes Lachen erst im Halse stecken, als er das eisige Schweigen aller anderen (zu spät) bemerkt. Die Moral der Schlusspointe wird hier schon mal geliefert. So bleibt genug Raum fürs Amüsement. 

An der Seite ihrer Schwester Ida (der keck wirbligen Dorothea Böhm) betont Fenja Lukas mit schlankem Sopran und leicht übertreibender Gestik als Adele ihren schauspielerischen Ehrgeiz. Marianne Schechtel gelingt es mit ihrer Mezzoeloquenz, die gewöhnungsbedürftige Prinzenkostümierung zu überspielen. Tobias Glagau ist ein wunderbar stotternder Advokat Bild (und stummer Prinzendiener Iwan). Shin Taniguchi wird für seinen witzig souverän servierten Strippenzieher Dr. Falke mit dem Schlussgag der Inszenierung belohnt – er entschwebt mit ausgebreiteten Flügeln im Hintergrund dem Happyend. Einmal Fledermaus – immer Fledermaus.

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