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Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

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Katastrophe als Happyend: Michael Volle als fliegender Holländer in Bayreuth – ein Ereignis der Sonderklasse

Vorspann / Teaser

Der Landgang des fliegenden Holländers gehört in diesem Jahr im besten Sinne des Wortes in die Kategorie bewährter Spielplanroutine. Gestartet war diese chorlastige Oper ja noch unter verschärften Coronabedingugnen. Dass hier mit Oksana Lyniv wieder eine kundig inspirierende Frau am Pult steht, ist als Besonderheit mittlerweile nur noch der Erwähnung wert, weil in diesem Jahr mit Nathalie Stutzmann (im „Tannhäuser“) eine zweite Frau in dieser Position gefeiert werden konnte.

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Die auf den ersten Blick karg wirkende Ausstattung, mit der Regisseur Dmitri Tcherniakov seiner Inszenierung selbst den Raum beigefügt hat, ist in sich stimmig, klar und ambitioniert. Auch das Bäumchen-wechsle-dich der Häuser einer exemplarisch spießigen Kleinstadt, in die der Holländer zurückkehrt, funktioniert reibungs- und (nahezu) geräuschlos. Die Kostüme, denen Elena Zaytseva einen leichten Anflug von Secondhand verpasst hat, verweisen in eine ungefähre Gegenwart.

In der Wiederbegegnung wirkt auch der Teil der Geschichte schlüssig, den Tcherniakov als Rahmen dazu erfunden hat. Sein Holländer hat danach nämlich als Kind miterlebt, wie sich seine Mutter (auch mit Daland) prostituiert hat und dafür von den Kleinbürgern gemobbt und damit, vor seinen Augen, in den Selbstmord getrieben wurde. 

Die Handlung beginnt mit der Rückkehr des Holländers als Erwachsener und der Begegnung mit Daland in der Kneipe. So kommt es zur Begegnung des Mannes (mit einem Kindheitstrauma, das er womöglich mit Konfrontation oder Rache bewältigen will) mit der rebellischen, verhaltensauffälligen Tochter Dalands. 

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Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

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Die von Daland geschäftstüchtig befürwortete und von seiner Lebensgefährtin Mary nicht zu verhindernde Annäherung der beiden endet in einer Katastrophe. Mit einer veritablen Prügelei, bei der die auf Mafiosi getrimmte Holländermannschaft trotz Unterzahl die Oberhand gewinnt. Dabei schießt der Holländer kurzerhand ein paar Einheimische einfach nieder. Am Ende brennen auch die Häuser lichterloh und Frau Mary erschießt unter Aufbietung aller Kräfte punktgenau aufs Stichwort den Holländer. Katastrophe als Happyend – Wagner by Tchernaikov eben.

Was diese Wiederaufnahme zum Ereignis der Extraklasse macht, ist der Holländer Michael Volle. Besser kann man gar nicht (um-)besetzten. Allein schon sein phänomenaler Auftrittsmonolog war atemberaubendes Wagnerglück pur! Wenn er dann noch mit Daland Georg Zeppenfeld rumfeilscht, wird das zu einem Lehrstück in Sachen Wortverständlichkeit. Wenn es sie gäbe, würde man hier jeden Übertitel als überflüssige Störung empfinden…

Elisabeth Teige fügt ihren schon in Ring und Tannhäuser bejubelten Auftritten noch eine leidenschaftliche Senta hinzu, krönt ihre leuchtende Mittellage mit betörend zarter Höhe. Dass es für Tomislav Muzek als Erik, Attilo Glaser als Steuermann und Nadine Weissmann als Mary einige Anstrengung bedeutet, mit dem Trio an der Spitze mitzuhalten, versteht sich. Am Ende wurde – zusammen mit dem präzise von Eberhard Friedrich einstudierten und in die Schlacht auf dem Dorfplatz geschickten Chor – eine festspielwürdige Vorstellung heftig bejubelt!

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