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Zappa-Performance an der Neuköllner Oper. Foto: Neuköllner Oper
Zappa-Performance an der Neuköllner Oper. Foto: Neuköllner Oper
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Mehr als Anti – „What would Zappa do?“ an der Neuköllner Oper Berlin

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Dieter David Scholz war bei einer Uraufführung an Berlins „außergewöhnlichster“ Opernbühne: Der Neuköllner Oper. Dort haben sich Sommer Ulrickson und Moritz Gagern mit Frank Zappa als Musiker, Mensch und als Figur der Zeit- und Musikgeschichte auseinandergesetzt. Dabei geht es „um Probleme gegenwärtiger Politik, um Fußball, ums Bier, vor allem um Sex, das Hauptthema Zappas.“

Frank Zappa galt vielen als „genialer Rock-Clown“. Er wurde als „Enfant terrible der Popkultur“ bezeichnet und als „Freak aus Utopia“. Längst ist das schillernde Rock-Phänomen in den heiligen Hallen der Hochkultur angekommen. Der geniale Held und Magier musikalischen Ideenklaus, der sich aller nur erdenklicher musikalischer Mittel bediente und keiner Pop-Gattung eindeutig zuzuordnen ist, war ein respektloser Komiker und Zyniker, der mit Fäkalsprache, Leidenschaft für alles Sexuelle und Unverwechselbarkeit seines äußeren Auftretens seinen beißenden Spott über den Wahnsinn der modernen Lebenswelt ausgoß. Für Schauspielerin und Regisseurin Sommer Ulrickson und den Komponisten Moritz Gagern war dies Anlass genug, Frank Zappa an Berlins außergewöhnlichster Opernbühne einen außergewöhnlichen Abend zu widmen. „Seine Figur als Intellektueller Rock-, Jazz- und Neue Musik-Musiker ist so singulär, dass allein das schon ein Grund ist, ihn einmal exponiert darzustellen, was gleichzeitig eine Bespiegelung der so ganz anderen heutigen Realität ist und willkommene Reibungsfläche.“ (Moritz Gagern)

Für die meisten heutigen Popmusikhörer dürfte der Name des Amerikaners sizilianischer Abstammung, der 1993 gestorben ist, nicht mehr geläufig sein. Aber schon zu Lebzeiten war sein berühmtes Klo-Foto von 1969, das in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts fast in jeder Wohngemeinschaft hing, deren Bewohner sich als irgendwie „anti“ verstanden, sehr viel bekannter als seine Musik. Die Szene wird in der Performance nachgespielt. Schauspieler Christoph Schüchner, zugleich Zappa und Radiomoderator, sitzt mit nacktem Oberkörper in Zappa-Manier auf einem Klo im Keller. Von der Decke hängen Glühbirnen, darin eine rote, die aufleuchtet, wenn man „on air“ ist: Man wohnt der letzten Sendung des Piratensenders WWZD bei. Jeden Moment wird der Strom ausgeschaltet. Die Radiostation, die im Wesentlichen aus zwei Fanatikern besteht, besitzt alles, was es von und über Zappa gibt, nur eines hat sie nicht: das nötige Geld, um die GEMA-Pauschale für Zappamusik zu bezahlen. Trotzdem oder gerade deswegen geht es um die Frage: „What would Zappa do?“ Diese Frage, die wir immer wieder stellen, ist natürlich eine ironische Anspielung auf das amerikanische „What would Jesus do?“ (Sommer Ulrickson)

Es geht in dieser Performance aber nicht nur um lächerliche Auswüchse dummen Radiogelabers, das parodiert wird, sondern auch um Probleme gegenwärtiger Politik, um Fußball, ums Bier, vor allem um Sex, das Hauptthema Zappas. Die Performance ist zugleich Zappa-Hymne, Kritik am gesellschaftlichen Hier und Heute und Polemik gegen Musik im Dienste des Kommerzes. „What would Zappa say“ als Radio im Theater zu thematisieren ist heikel. Doch die vier Darsteller spielen souverän, mit Tempo und Wortwitz. Alles Angesprochene wird á la Zappa durch den Kakao gezogen, intelligent, geistreich und vergnüglich. Man trägt abwechselnd Zappa-Perücke und Zappa-Bart. Man spielt keine einzige Note Originalmusik von Zappa, zu streng und zu teuer sind die Auflagen des Zappa Family Trusts. Der Zappa-erfahrene Schlagzeuger Michael Weilacher und der Komponist und Gitarrist Moritz Gagern haben die Musik für diese Zappa-Huldigung geschrieben, die nicht so tut als ob, aber durchaus im Stile von Zappa an ihn erinnert, an eine der umstrittensten, aber auch faszinierendsten Gestalten des Rock, die für die Aufwertung der sogenannten populären Musik vielleicht mehr geleistet hat als die späten Beatles oder Pink Floyd, und doch heute ist Zappa heute nur noch ein bekannter Unbekannter.

„What would Zappa do?“
Performance mit Sommer Ulrickson und Moritz Gagern,
Neuköllner Oper Berlin, Premiere Do. 17.09.2015 Uraufführung.
17.9. – 28.10. 2015

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