Das Spanisch in Lateinamerika verhält sich zum europäischen Spanisch, also dem „castellano“, Kastilischen, etwa so wie das Amerikanische zum Englischen. Brasilianisch und Portugiesisch sind ebenso eng miteinander verbunden. Eine echte spanische Kreolsprache gibt es nur in Sierra Leone, etwa jeder Sechste spricht Krio (nach Englisch als Amtssprache und Mende und Temne); von einer Musik dazu ist nichts bekannt. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass das Castellano aus verschiedenen Gründen schon 1492 (!) zu einer Hochsprache unter den spanischen Regionalsprachen und Mundarten wurde. Es gibt aber eine echte spanisch-portugiesisch-niederländische Kreolsprache namens „Papiamento“, meist zugunsten anderer Sprachen erloschen, in Kolumbien vor etwa 100 Jahren dem Spanischen, auf den Philippinen dem Englischen gewichen. Papiamento gibt es praktisch nur noch auf den Niederländischen Antillen, etwa auf Curaçao. Von dort stammt ein Quintett namens „Tipiko Dividivi“, sinngemäß „Die typische Unterhaltung“, das sich mit einer Tanzmusik, wie man sie etwa auch aus Guayana kennt, etwa zu Konjunktur, Inflation und Arbeitslosigkeit äußert: „Tipiko Dividivi: Populäre Musik aus Curaçao“ (Koch International 323 528).
Sodann gibt es ein kreolisches Portugiesisch, Crioulo, das in Teilen der afrolusitanischen Welt gesprochen wird, nämlich auf den Kapverdischen Inseln, in Guinea-Bissau und auf São Tomé und Principe. Von den Cabo-Verde-Inseln vor dem Grünen Kap des Senegal – von deren Klima portugiesische Dichter schon immer geschwärmt haben –, von dort stammt die auch hier gefeierte Sängerin Cesaria Evora, die zu temperamentvoller Orchestration mit afrikanischen Elementen auch den Fado, den „portugiesischen Blues“ einbezieht: „Cesaria Evora: Cabo Verde“ (Tropical/BMG 68.986).
Zwei weitere Kreolsprachen aus Afrika sind jedem bekannt, zunächst das Afrikaans, auf holländischen Dialekten basierend, das fast nur von Weißen und Mischlingen gesprochen wird. Es ist seit 1925 Schriftsprache; von traditioneller Musik auf Afrikaans kann also (noch) keine Rede sein. Die andere Sprache ist in diesem Zusammenhang wesentlich interessanter, häufig wird sie Kisuaheli genannt. Richtig heißt sie Swahili, gehört zur großen Familie der Niger-Kordofanischen Sprachen, Abteilung Bantu. Dies ist nicht nur eine Sprache, es ist auch Geschichte und Kultur. Was es damit auf sich hat, ahnt man, wenn man weiß, dass das Wort „Swahili“ vom arabischen „sawahil“ stammt, „Küsten“.
Das 13. Jahrhundert war geprägt von islamischer Expansion nach Ostafrika; um 1290 war die westliche Hälfte des Indischen Ozeans von moslemischen Kaufleuten kontrolliert. Dies führte dazu, dass Indien und Malaysia islamisch wurden – die Seeverbindung nach Osten war bereits alt, man denke daran, dass das Malagasy, die madegassische Hauptsprache, zur indonesischen (!) Sprachfamilie gehört. Die Araber waren Vielvölker-Konstellationen mit vielen Sprachen gewohnt. Allerdings darf der Koran als Prosadichtung nicht übersetzt werden, weshalb Sprachunterricht zur Missionarstätigkeit gehört. Von einer Pidgin-Spache (vgl. nmz 6/00) ist nichts bekannt; da jedoch die arabischen Kaufleute und ihre Angehörigen zahlreich in Ostafrika einheirateten, entstand die Swahili-Kultur: eine bantu-arabische Mischsprache islamischer Religion. Die Hauptstadt Tanzanias heißt Dar-es-Salaam, arabisch: Dorf des Friedens. Bizarres Nebenprodukt ist der Umstand, dass es auch arabische Piraten gab, die den portugiesischen Newcomern um 1400 schwer zu schaffen machten. Die Portugiesen waren letztendlich überlegen, sie zerstörten ganze Swahili-Pracht-Städte, auch von ihnen gingen Vokabeln ins Swahili ein, das als besonders wenig europäisch geprägte Kreolsprache zwischen 1600 und 1800 Schriftsprache wurde – natürlich mit Musik, Tarabu. Zwei CDs seien herausgegriffen.
Asha Abdo Suleiman wird in Kenia Malika genannt, Königin. Sie singt zu Ehren Allahs oder gibt praktische Verhaltensregeln auf „Malika: Tarabu – Music from the Swahili of Kenia“ (Wergo/SMD SM 1520-2). Im 18. Jahrhundert sorgten die Sultane von Oman im Persischen Golf für das Verschwinden der Portugiesen aus Ostafrika, um sich selbst auf der Gewürzinsel Zanzibar niederzulassen. Dies verstärkte den islamischen Einfluss bis nach Westafrika und den Kongo. Um 1900 wollte man der musikalischen Kultur etwa Ägyptens nicht mehr nachstehen und importierte neben den klassischen Instrumenten auch Geigen, die sich in Nordafrika längst gegen die herkömmlichen Streichinstrumente durchgesetzt hatten, die mit ihren Felldecken (vgl. Banjo) auf Änderungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit reagieren. Mulia na Utamaduni ist ein gutes Beispiel für die Swahili-Hochkultur mit deutlich afro-arabischer Würzung: „Mila na Utamaduni / Cultural Musical Club: Spices of Zanzibar“ (Network 24.210, Versand Zweitausendeins).
Weitere Infos: WUlrichs [at] aol.com (WUlrichs[at]aol[dot]com)