Als Regisseur überzeugt Schauspieler André Kaczmarczyk am Deutschen Nationaltheater Weimar mit einer packenden Inszenierung von Cole Portes Erfolgsmusical „Kiss me Kate“.
V.l.n.r.: Dascha Trautwein (Lilli Vanessi) und Krunoslav Šebrek (Fred Graham). Foto: © Sandra Then
Schlag nach bei Porter… – Cole Portes Erfolgsmusical „Kiss me Kate“ in Weimar
Das Zweitbeste, was einem Musical passieren kann, ist, dass sich der eine oder andere Song daraus verselbständigt und im kollektiven Gedächtnis als Solonummer festsetzt. Das Beste, wenn das dann bei einer gelungenen Aufführung herauskommt und die Zuschauer, ehe sie sich versehen, mitreißt. So wie jetzt bei der Neuinszenierung von „Kiss me, Kate“ am Deutschen Nationaltheater in Weimar. Man darf diese Premiere noch getrost dem Auftakt der neuen Intendanz zurechnen und als Indiz dafür nehmen, dass die „Neuen“ in Weimar keinen Konfrontationskurs mit ihrem Publikum suchen, sondern ankommen wollen.
Cole Porter ist dafür ein guter Verbündeter. Als Komponist und in dem Fall auch Texter des Broadway-Hits „Kiss me Kate“ hatte der sich wiederum von keinem Geringeren als William Shakespeare inspirieren lassen. Er hat mit dem Plot von „Der Widerspenstigen Zähmung“ gespielt und ihn, sozusagen selbstreferenziell, in einen Theaterkontext verlegt. Mit reichlich Beziehungsstress hinter der Bühne und dem augenzwinkernden Spiel auf der Bühne.
Wenn dann „Wunderbar, wunderbar, diese Nacht so sternenklar“, „Viel zu heiß“ oder „Schlag nach bei Shakespeare!“ erklingen, dann gibt es diesen musikalischen Déjà-vu-Effekt, ganz gleich, ob man das Stück im Ganzen kennt oder nicht. Die Nummern kennt man. Und sie zünden. Auch wenn man im ersten Fall eher an eine Operettenparodie denkt, im zweiten an einen Revuefilm und im letzten Fall an einen Trailer von „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt) mit Musik“. Alles und noch viel mehr ist Cole Porter. 1948 in New York uraufgeführt, wo es in den folgenden drei Jahren über 1000 Mal über die Bühne ging. 1951 kam es via London nach Europa, begann 1955 in Frankfurt am Main und 1965 auch in Ostberlin seinen Siegeszug in Deutschland.
Das Stück und die Musik haben also schon ein paar Jährchen auf dem Buckel – alt und angestaubt ist aber weder das eine noch das andere. Nicht nur, weil die Geschichte auf ihren Shakespeare-light-Bonus bauen kann, sondern, weil sie vergleichsweise zeitlos ist, also auch unter veränderten gesellschaftlichen Vorzeichen funktioniert.
Für ihre Inszenierung haben André Kaczmarczyk (Regie), Ansgar Prüwer (Bühne), Martina Lebert (Kostüme) und Louis Stein (Choreografie), alle Showregister gezogen, die ein gut funktionierendes Ensemble-Theater in petto hat. Dass die Staatskapelle Weimar nicht nur ein erstklassiges, sondern eben auch ein vielseitiges Thüringer Spitzenorchester ist, bewies dessen zweiter Kapellmeister Johannes Bettac mit sicherem Gefühl für Sound und Timing der Musik. Wenn die zwei das eigene Ensemble ergänzenden Tänzerpaare immer wieder auftauchen, passt das stets zum musikalischen Drive, auch wenn es für die Handlung eher keine Rolle spielt. Dass sich auch bei den gesprochenen Passagen der regieführende Schauspieler Kaczmarczyk und seine singenden Weimarer Kollegen verstanden haben müssen, merkt man dem Tempo besonders dieser Passagen an, bei dem sich auch die kleinen eingebauten Modernismen und augenzwinkernden Lokalbezüge (wie der Goldbroiler) ohne peinliche Reibungsverluste einfügen.
Schon der Auftakt mit einem vogelbezwitscherten tableau vivant à la „Sommernachtstraum“ sitzt, auch wenn es eingefroren ist. Mit einer ausführlichen „Viel zu heiß“-Revue geht es dann in den zweiten Teil der insgesamt über dreistündigen Aufführung.
Krunoslav Šebrek ist Fred Graham, der Produzent und Hauptdarsteller der Show „Die Zähmung der Widerspenstigen“, die gerade geprobt wird. Dascha Trautwein der (auf dem Werbeplakat deutlich kleiner gedruckte) weibliche Star Lilli Vanessi. Privat sind die beiden geschieden, für und auf der Bühne arbeiten sie freilich noch zusammen. Nicht ohne, dass die private Trennung immer wieder mit diversen Sticheleien und großen „Auftritten“ (von ihr) auf der Bühne durchschlägt. Aber sie sind so professionell, dass der Lappen immer wieder hochgeht. Man ahnt früh, dass beide am Ende wieder zusammenfinden. Aus der angeblichen Heirat von Lilli mit dem (hier zum General mit Ambitionen fürs Weiße Haus avancierten) Harrison Howell (Sebastian Kowski belegt tapfer, dass es auch hochpräsente Mimen ohne Singstimme gibt) natürlich nichts wird. Sarah Mehnert gleicht das in der Rolle der Lilli-Rivalin Lois Lane aus. Bei der Mezzosopranistin des Hauses sitzen auch die gesprochenen Passagen. Dazu kommen die beiden Ganoven, die Fred auf die Pelle rücken, weil der spielsüchtige Bill Calhoun (Calvin-Noel Auer) einen Schuldschein mit dessen Namen unterschrieben hat. Vor allem Fabian Hagen macht aus dem ersten Ganoven ein hinreißend überzogenes Kabinettstück!
Fabian Hagen (Erster Ganove) und Ensemble. Foto: © Sandra Then
Und so dreht sich die Drehbühne mit der Bühne auf der Bühne und gibt dem Theater auf dem Theater seinen Rahmen, so knallen die Kostüme und stimmt das Timing! Bei all dem entfalten Porters Wortwitz und vor allem seine Musik ihren Charme. Und beweisen, dass das Musical ein Genre ist, mit dem auch die klassischen Theater Publikum begeistern können. Zumindest, wenn sie es so gut machen, wie jetzt in Weimar.
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