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Szene. Foto: Veranstalter
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Stimmengewirr – Im Theater Rampe in Stuttgart bringt Mauricio Kagels „Turm zu Babel“ Sänger, Migranten und Publikum in einen Dialog

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Als ein „internationales soziokulturelles Kunstprojekt“ ist das Musiktheater „Babel“ von Marcelo Cardoso Gama angekündigt. Die Aufführung von Kagels Liederzyklus ist nicht das Ziel, sondern nur das sichtbare Ergebnis eines länger andauernden Prozesses, um den es eigentlich geht.

Quälend langsam rückt die Kassenschlange voran. Doch es stehen Getränke bereit. Wenn die Sängerinnen einen mit Glas in der Hand entdecken, stoßen sie an und sagen in einer von achtzehn Sprachen: Prost! Na zdrowie! Skål! Egészségedre!

Drinnen im dunklen Raum des Theaters kann man auf einem Stufenpodest Platz nehmen oder auf umgedrehten Bierkisten oder einfach stehen bleiben, herumlaufen, sich auf den Boden setzen. Große Tabletts mit kleinen Häppchen stehen bereit. Immer wieder gehen die Aufführenden durch die Reihen, reichen die Hand und stellen sich vor: „Mi chiamo Marta.“ „Mi parolas Esperanton.“

Marcelo Cardoso Gama zieht keine Grenze zwischen Bühne und Publikum. Er versteht den Vortrag eines Liederzyklus als gemeinsames Erlebnis von Sängern und Zuhörern. Eine halbe Stunde dauert das Vorspiel, dann geht ein Scheinwerfer an und die Darsteller klopfen mit Löffelstielen an Flaschen, wie wenn einer eine Rede halten will. Die Rede hält Alois Eder, Vorsitzender des baden-württembergischen Esperanto-Verbands Bavelo, allerdings auf Deutsch: Viele Zwangsarbeiter wurden in die „Reichshauptstadt“ Babel verschleppt. Sie sprechen verschiedene Sprachen.

Hier geht mehrfach das Licht aus, ein babylonisches Stimmengewirr ertönt. Der Widerstand der Wehrlosen, so der Redner, besteht darin, Geschichten zu erzählen – nun etwas inkonsequent in einer Sprache, Hebräisch. Die biblische Geschichte von der babylonischen Gefangenschaft, dem Turmbau und der Sprachverwirrung verschränkt sich mit Anspielungen auf Nationalsozialismus, Arbeitsmigration und zum Scheitern verurteilte Großprojekte.

Gama hat Mauricio Kagels Liederzyklus bereits vor vier Jahren entdeckt, als er nach einer Vorlage suchte, um Menschen verschiedener Herkunft zusammenzubringen. „Der Turm zu Babel“ besteht aus Liedern in achtzehn Sprachen, unter anderem Spanisch, Russisch, Türkisch, Japanisch, Latein und Swahili. Mit Hilfe der Solitude-Akademie und des Verbands Forum der Kulturen suchte er Muttersprachler, die als Sprachtrainer vier Wochen lang jeweils einen der fünfzehn Sängerinnen und drei Sänger instruiert haben, die alle nicht in ihrer eigenen Sprache singen. Sie sind fast alle da: nicht unbedingt Menschen aus der Unterschicht, Gama will niemand vorführen.

Im großen, quadratischen Bühnenraum fallen zwischen Sängern und Publikum nur einige wenige ins Auge: eine Japanerin, ein kongolesischer Künstler, ein vielleicht zehnjähriges Mädchen, die als Niederländisch-Coach teilnahm und den Zyklus mit einer Klarinetten-Einlage – nicht aus Kagels Feder – unterbricht. Ein Junge in ihrem Alter – noch vor dem Stimmbruch – singt aber wie alle anderen eine Melodie des argentinischen Komponisten: eine reife Leistung.

Im wörtlichen Sinn gibt es hier keine Verständigungsschwierigkeiten. Alle singen denselben Text, nur in verschiedenen Sprachen. Die Verwirrung ist metaphorischer Natur. Um aus dem Gesangszyklus eine Inszenierung zu machen, hat Gama die Sänger aufgefordert, sich selbst etwas auszudenken und die achtzehn Fragmente zu einem Strang aneinandergefügt. Ein Team mit Mikrophon an einer langen Stange und mehreren Kameraleuten eilt jedes Mal herbei, wenn sich der Scheinwerferkegel auf eine neue Darstellerin richtet. Wirkliche Handlung entsteht dabei nicht, eher dramatisierende Standbilder, die in ihrer Pathetik ein wenig an christliche Historienbilder erinnern: eine Art Krippenspiel. Die Gesänge klingen immer nach Kagel – ohnehin ist für jeden Anwesenden die Mehrzahl der Sprachen unverständlich. Nur ein amerikanischer Vamp, verkörpert von einer Osteuropäerin, schafft es durch Konzentration auf den englischen Text mit lasziver Ironie ihrem Part eine spezielle Note zu geben.

Aber für Gama ist die Aufführung auch nicht das Ziel, sondern nur Zwischenergebnis in einem Prozess, der auf Video aufgezeichnet wird und sich in weiteren siebzehn Ländern fortsetzen soll. Mit São Paulo und Helsinki stehen die nächsten Stationen schon fest.

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