Nach 26 Jahren als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates legt Olaf Zimmermann sein ganz persönliches kulturpolitisches Pflichtenheft vor. Wie ein kleiner Baustein mutet es an, in blau und hellgrün gehalten, keine unnötigen Schnörkel lenken ab von dem, was das Buch zu sagen hat: Kulturpolitik ist ein Handwerk. Olaf Zimmermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Leser*innen mit auf diese wenig glamouröse Kulturbaustelle zu nehmen. Denn: „Ein ordentlicher Handwerker kommt nicht ohne Pflichtenheft aus, in dem beschrieben ist, wie er seine Projekte für seine Kundinnen und Kunden umsetzen will.“
Schon bei Betrachtung des Buchdeckels wird klar, wie viele Gesteinsschichten auf dieser Baustelle zu durchdringen sind – die Stichwörter Werte, Kunst, Medien, Handel, Bildung, Religion, Erinnerung, Digitales, Natur und Nachhaltigkeit prangen einem entgegen. In diesen Rubriken sind 53 Kommentare aus der Feder Zimmermanns, ursprünglich in der Zeitung Politik & Kultur erschienen, gesammelt.
Von Umweltschutz über Inklusion – hier auch in die Tat umgesetzt mit der Brailleschrift auf dem Buchrücken, die zu einer barrierefreien E-Book-Version weiterleitet – bis hin zur kulturellen Aneignung geht das Pflichtenheft auf die Brennpunkte der heutigen Zeit ein, keine Debatte bleibt unkommentiert. Der Autor versteht es, auch bei Themen, die zunächst weit hergeholt scheinen, die Verbindung zu Kultur aufzuzeigen. Die Musik spielt dabei meist die zweite Geige neben anderen Kunstsparten – ein eigenes Kapitel erhält sie in dem kulturellen Potpourri nicht.
Mit vielen Exkursen in Geschichte und Rechtstexte vermittelt das Buch fundiertes Grundlagenwissen und somit auch ein besseres Verständnis für die Themen im aktuellen kulturpolitischen Diskurs und die Zusammenhänge und Prozesse, die dahinterstecken. Zusätzlich sind die pointiert formulierten Kapitel gespickt mit persönlichen Statements und leidenschaftlichen Plädoyers. Akute Beispiele aus dem Zeitgeschehen bieten einen Kontext und geben den Erörterungen ihre Daseinsberechtigung.
Das Pflichtenheft reflektiert teils retrospektiv die Initiativen des Kulturrates. Seinem Anspruch, die Themen und Rahmenbedingungen zu zeigen, die die Arbeit auf der Kulturbaustelle heute bestimmen, wird der Autor gerecht. Was zu tun ist, sollte nach der Lektüre ausreichend klar sein, aber es bleibt stellenweise etwas nebulös, wer die Ziele wie umzusetzen gedenkt.
Wer selbst mit beiden Füßen im Kulturbetrieb steht und weiß, wo saniert und renoviert werden muss, dem fehlen womöglich konkrete Planungen und Kalkulationen. Gerade der interessierte Laie oder die Kulturliebhaberin können das Pflichtenheft aber nutzen, um tiefer in die Kulturpolitik einzusteigen, deren Relevanz zu erkennen und sich nicht zuletzt Anregungen zu holen, an welchen Stellen man selbst aktiv werden kann.
So ist das kulturpolitische Pflichtenheft mehr ein Spiegel der aktuellen Kulturlandschaft als ein praktischer Leitfaden, mehr Inventur als Bauanleitung. Und vielleicht ist genau das die Quintessenz: Nicht darauf hoffen oder warten, dass andere den perfekten Plan vorlegen, sondern selbst anpacken.
- Olaf Zimmermann: Mein kulturpolitisches Pflichtenheft. Werte, Kunst, Medien, Handel, Bildung, Religion, Erinnerung, Digitales, Natur, Nachhaltigkeit, Deutscher Kulturrat, Berlin 2023, 216 S., € 19,80, ISBN 978-3-947308-38-5