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Ottorino Respighi: La Fiamma. 2025 Euro Arts Bluray 2048624

Ottorino Respighi: La Fiamma. 2025 Euro Arts Bluray 2048624
 

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Hysterie und Leidenschaft

Untertitel
Ottorino Respighis „La Fiamma“ an der Berliner Staatsoper auf DVD
Vorspann / Teaser

Die zehn Opern von Ottorino Respighi (1879–1936) sind noch zu entdecken. Eine davon reizte einen Regisseur wie Christof Loy: nicht nur, weil 1936 die Deutsche Erstaufführung an der Berliner Staatsoper stattfand – es galt ein Werk als zeitlos gültigen Klassiker vorzuführen, speziell leidvolle Frauenschicksale nicht im „Kostüm-Einst“, sondern gerade im „Heute“ zu zeigen.

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Das Heute: Inmitten von politischen Machtkämpfen, Orthodoxie mit absolutem Wahrheitsanspruch, Dummheit mit Neigung zu abergläubischen Verschwörungstheorien und daraus erwachsender Massenhysterie verstricken sich Figuren in persönliche Konflikte, speziell in einen „Skandal“ – die tiefe Liebe zwischen Stiefmutter und Sohn. Aufgeheizt durch weibliche Eifersucht und Rivalität, durchglüht von ausgelebter sexueller Leidenschaft – eben „la fiamma“ - landet das in jeder Hinsicht „unorthodoxe“ Liebespaar in einer öffentlichen Katastrophe; die lebenserfüllt liebende, menschlich letztlich überlegene Frau wird erbarmungslos abgeurteilt: „Das Volk hat gesprochen!“ – und massenhysterisch lodert am Ende ein Scheiterhaufen.

Dafür hat Herbert Murauer einen durch Schiebewände wandelbaren weiten Saal mit zwei Treppenabsätzen gebaut: mal sich in grüne Gartenlandschaft „frei“ öffnend, mal sich zu edlem Palast-Raum verengend. In zeitlos heutiger, mitunter an evangelikal strenge Glaubensgemeinschaften erinnernder Kleidung agiert dann ein perfekt rollendeckendes Solistenensemble. Doris Soffel wird als „Hexen-Mutter“ gleich anfangs verbrannt, die mit lyrischem Sopran schlicht jugendlich liebende Monica von Sua Jo ins Kloster verbannt. Aus den bass-dunklen Männerstimmen von Exorzist Patrick Guetti und Bischof Manuel Fuentes ragt dann der überzeugend gewichtige Bariton von Ivan Inverardi als betrogener Herrscher in Ravenna heraus – er hat sich die einst blutjunge Silvana „angeeignet“.

Die zur blühend unerfüllten Frau Gereifte verliebt sich lebensbestimmend in den jungmännlichen Sohn Donello – und Tenor Georgy Vasiliev ist dies glaubhaft, so dass Olesya Golovnevas Silvana mit bezaubernder Bühnenerscheinung und mal warm schmiegsamen und dann auch glühend leuch­tenden Soprantönen als anrührendes „Schicksal“ und „Mahnmal“ alles überstrahlt.

Dazu bildet die eifersüchtige, durch Orthodoxie zerstörerisch fixierte Übermutter von Martina Serafin einen perfekt scharfkantig tönenden Kontrast. All dies dann von Regisseur Loy mit der ihn auszeichnenden Personenführung faszinierend fein geformt – da sind die Nahaufnahmen der TV-Aufzeichnung (Götz Filenius) ein fesselnder Gewinn: erkennbar nahes Leben, durch Gesang strahlend.

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Ottorino Respighi: La Fiamma. 2025 Euro Arts Bluray 2048624

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1936 befand sich Europa längst im Angesicht des Faschismus. Ottorino Respighi hat biografisch das Italien Mussolinis nicht abgelehnt. Künstlerisch aber hat er sich alle Freiheiten genommen: in den großen Chorszenen arbeitet er seine Begeisterung für Gregorianik ein; bei der Erwähnung von Byzanz gibt es pentatonische Klänge; in den lyrischen Liebesphrasen umspielen sich Holzbläser und Streicher warm melodisch – und dann kann Respighi aber auch Sinnlichkeit fulminant rauschhaft aufbrausen lassen; vokal sind alle Singstimmen mit Italianità bis hin zum expressiven Schrei komponiert.

In der Handlung um den brutalen Schauprozess, befeuert durch die hys­terischen Massen, spiegelt sich dann doch auch die Fratze gesellschaftlicher Umwälzungen unverblümt – all das macht Dirigent Carlo Rizzi mit Chor und Orchester gut differenziert voneinander abgesetzt hörbar. Da kann das Mithör-Denken nicht aussetzen: Religion und Politik in fataler Machtmischung, fanatische Orthodoxie, abstruse Verdächtigungen, leichtgläubige Dummheit, schwankende Massenanwandlungen – all das derzeit auch noch mit digitaler Raffinesse zu betäubter Sintflut-Wirkung gesteigert: da wirkt Respighis „La Fiamma“ wie ein warnender Kunst-Leuchtturm.

DVD-Tipp:

Ottorino Respighi: La Fiamma. Olesya Golovneva, Martina Serafin, Doris Soffel, Sua Jo, Georgy Vasiliev, Ivan Inverardi u.a. Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin, Carlo Rizzi. Regie Christof Loy. 2025 Euro Arts Bluray 2048624

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