Die Porträt-CD-Reihe des Ensemble Modern ist ein mittlerweile stolzes Kompendium zeitgenössischen Komponierens wie auch ein erstaunlicher Beweis für die Wirkung, die spielende Musiker auf das Entstehen neuer Musik nehmen können.
Jedes der Porträt-Alben enthält eine Reihe von Werken, die speziell für den betreffenden Musiker oder die betreffende Musikerin geschrieben wurden – Musik also, die ohne ihn oder sie gar nicht oder ganz anders komponiert worden wäre. Und stets enthält die Musik auch eine Reaktion auf das spezielle Angebot an Möglichkeiten, das diese erfahrenen und versierten Musiker mit ihrer Kunst den Komponisten machen.
Im Falle des Hornisten Saar Berger, Jahrgang 1980, liegt der Akzent seiner Porträt-CD klar auf Musik von Komponisten, die in etwa in seinem Alter sind. Schon Heinz Holliger, Jahrgang 1939, oder Dietmar Wiesner, Jahrgang 1955, erscheinen fast schon als die Senioren inmitten der Komponisten der „Travelling Pieces“.
Die Stücke kommen allesamt, dem programmatischen Titel der CD gemäß, mit leichtem Gepäck daher. Es ist Kammermusik voller Klarheit, Knappheit und Lakonie und mit einer erfrischend ausdrucksreichen Wahl der kompositorischen Techniken und Mittel. Eine ganze CD mit über 70 Minuten Spieldauer enthält ausschließlich Solo-Stücke, die sich an den technischen Fähigkeiten, der Virtuosität und der immer wieder beeindruckenden Artikulationskunst Bergers orientieren, sie nutzen und manchmal auch ein wenig ausstellen.
Berger scheint die landläufigen Schwierigkeiten, die das Horn mit seiner engen Mensur, seinem langen Rohr und seinem winzigen Mundstück-Kessel bereithält, kaum zu kennen. Elegant tragende Multiphonics, eine stets präzise Artikulation, vielfältige klangliche Nuancen und eine ansprechende dynamische Feinarbeit sind für ihn selbstverständlich.
Aber die Komponisten haben ihm keine nur oberflächenwirksamen Virtuosenstücke ins Rohr geschrieben. Jede Arbeit entfaltet einen eigenen klanglichen Mikrokosmos und eine eigene Dramaturgie. Saar Berger scheint keine Vorlieben und keine Verengungen in seiner Musikauffassung zu kennen. Subtile, farbenreiche Klangwelten sind genauso seine Sache wie expressiv intonierte Hochgeschwindigkeits-Tonfolgen, und es gibt keine dramatische Nuance, die man ihm nicht blind anvertrauen würde. Die Arbeitsteilung zwischen komponierendem und spielendem Musiker war, wie die markanten Begleittexte verraten, auch keineswegs sehr streng. Stets führte eine gegenseitige Wertschätzung zu einer engen, wechselseitig beratenden, präzisierenden Zusammenarbeit.
Die zweite „Travelling Pieces“-CD ist der Kunst des Ensemblespiels gewidmet. Dass hier noch einmal ein riesiges neues musikalisches Spektrum ins Blickfeld rückt, ist eigentlich nicht erstaunlich. Das einzige Stück, mit dem man nicht ohne weiteres auf die Reise gehen kann, weil es im Gepäck ein komplettes Orchester hat (hier: Das HR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Matthias Pintscher), ist Anthony Cheungs „Fog Mobiles for solo Horn und Orchestra“. Valentin Garvie hat eine Thelonious-Monk-Variation für ein Brass-Quartett aus Mitgliedern des Ensemble Modern beigetragen, Thomas Adès eine vierteilige Sonate und Cathy Milliken, ehemalige Oboistin des Ensembles, ein subtiles, bildhaft poetisches Eins-Plus-Zwei-Tanzstück für Horn, Violine und Cello. Das ergibt viel erfrischendes Ohrenfutter.