Trotz des frühen Sonntagvormittags war die Piazzetta in Kölns Historischem Rathaus überfüllt. Mehrere Hundert Kölner Bürger wollten sich über die Zukunft ihres Schauspielhauses informieren. Am Nachmittag kamen dann noch mehr, die den Vorträgen zuhörten und sich die Schautafeln zu dem umstrittensten Kölner Kulturprojekt der vergangenen Jahre ansahen.
Teurer Neubau oder eine preisgünstigere Sanierung - diese Frage
beschäftigt die Stadt derzeit wie kaum eine andere. Eigentlich hatte
der Stadtrat im Dezember bereits für den Neubau des maroden Hauses votiert. Doch binnen kurzer Zeit brachte eine Bürgerinitiative für die Sanierung mehr als die doppelte Zahl der Unterschriften zusammen, die für ein Bürgerbegehren nötig sind.
Am Dienstag wird der Rat über dieses Bürgerbegehren entscheiden.
Am Sonntag sollte die Bevölkerung daher noch einmal die Argumente
beider Seiten präsentiert bekommen. «Die Stadtverwaltung nimmt das Bürgerbegehren als demokratisches Verfahren sehr ernst. Die Bürger sollen sich selbst ein Bild über die verschiedenen Pläne machen können», hatte Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) erklärt.
Die Diskussion im Rathaus war emotional, aber diszipliniert. Dass
die Verfechter von Sanierung und Neubau oft Beifall von der gleichen
Seite erhielten, zeigt, wie kompliziert die Gemengelage ist.
Schauspielhaus und Oper - deren Sanierung ist beschlossen und
steht nicht zur Debatte - brauchen dringend «funktionsfähige
Arbeitsräume», zumindest darin herrschte Einigkeit. Seit ihrer
Eröffnung vor rund 50 Jahren wurde kaum Geld in die Erneuerung der technischen Ausrüstung gesteckt. Zuletzt war ein Betrieb nur mit
einer Ausnahmegenehmigung möglich.
Vor zehn Jahren gab es das erste Gutachten für eine Sanierung und
mögliche Anbauten, um den Platzmangel auszugleichen. Aufgeschreckt durch den Einsturz des Stadtarchivs und den Pfusch beim U-Bahn-Bau meldeten sich nun immer mehr Einwohner mit ihren Bedenken zu Wort.
Oberbürgermeister Roters und Kulturdezernent Georg Quander
plädierten beide für die Einhaltung des Ratsbeschlusses. Andernfalls
würde es zu einer weiteren unnötigen Verzögerung kommen.
Schauspiel-Intendantin Karin Beier dagegen fragte nach dem Sinn des Neubaus, der aus Kostengründen so abgespeckt wurde, dass er die versprochenen Verbesserungen wie mehr Platz nicht mehr bieten könne.
Beier war sich mit der Bürgerinitiative «Mut zur Kultur» einig,
dass eine Sanierung besser und kostengünstiger sei. Unklar ist
allerdings, wie viel sie genau kosten wird - nur 100 Millionen Euro
statt 360 für den Neubau? Ebenso wird der zusätzliche Zeitaufwand
unterschiedlich eingeschätzt. Unklar sind auch die juristischen
Rahmenbedingungen. Eventuell müsste die Schauspielsanierung neu
ausgeschrieben werden. Alle diese Fragen werden sicherlich nicht bis
zur Sondersitzung des Rates am Dienstag zu klären sein.
Viele Kölner aus dem Publikum zeigten sich nach der Diskussion
skeptisch: «Ich glaube nicht, dass der Rat seinen Beschluss revidiert
- auch wenn die Gegenseite die besseren Argumente hat», sagte einer von ihnen.