Hauptrubrik
Banner Full-Size

Klangzauberer auf der Gitarre

Untertitel
Die ungewöhnliche Karriere des Johannes Tonio Kreusch
Publikationsdatum
Body

Als „Highlight of the week“ und „eine der interessantesten Persönlichkeiten der deutschen Gitarrenszene“ mit einem „Höchstmaß an Perfektion und Ausdruck” wird er von der Presse gefeiert, Komponisten widmen ihm ihre Stücke, er spielt Konzerte auf der ganzen Welt, hält Meisterkurse, macht zahlreiche Aufnahmen und ist Lehrbeauftragter für Gitarre an der Münchner Musikhochschule.

Als „Highlight of the week“ und „eine der interessantesten Persönlichkeiten der deutschen Gitarrenszene“ mit einem „Höchstmaß an Perfektion und Ausdruck” wird er von der Presse gefeiert, Komponisten widmen ihm ihre Stücke, er spielt Konzerte auf der ganzen Welt, hält Meisterkurse, macht zahlreiche Aufnahmen und ist Lehrbeauftragter für Gitarre an der Münchner Musikhochschule. Dabei liegt hinter dieser steilen Karriere des 32-jährigen Johannes Tonio Kreusch eine für solche Verhältnisse eher ungewöhnliche Entwicklung. Keine Teilnahme an ”Jugend musiziert“, keine besondere Begabtenförderung, kein elterliches „Du-musst-aber-heute-noch-üben“. Zwar entdeckt er mit elf Jahren die Gitarre als sein Instrument, doch „richtig klassische Gitarre habe ich erst angefangen, als ich sechzehn, siebzehn Jahre alt war – als ich gehört habe, wie wunderschön Bach auf der Gitarre klingt.“

Nach dem Abitur schreibt sich der junge Gitarrist zunächst in München für ein Studium der Philosophie ein, ehe er ein Jahr später parallel dazu ein Gitarrenstudium in Salzburg bei Eliot Fisk und dem Kubaner Joaquin Clerch beginnt. Letzterer weckt in Kreusch seine bis heute andauernde Liebe zu Kuba und ermöglicht ihm 1994 die Teilnahme am Gitarrenfestival in Havanna. Dort lernt er den kubanischen Komponisten Tulio Peramo kennen. „Seit dieser Zeit arbeiten wir sehr intensiv zusammen und sind über die Jahre auch gute Freunde geworden.“ In gemeinsamer Arbeit der beiden Musiker entstehen Werke wie „Tres Imágenes Cubanas“ für Orchester und Gitarre – eine Art Geschichte der kubanischen Musik – und der Zyklus „Aires de la Tierra“ für Gesang und Gitarre – eingespielt von Kreusch 2001 auf der CD „Portraits of Cuba“. Für diese Aufnahme verlieh die Stadt München 2001 dem Künstler ihren Musikpreis.

Dass dem Interpreten nicht nur bei Uraufführungen die tiefe Auseinandersetzung und volle Identifikation mit einer gespielten Komposition wichtig ist, zeigt sich schon bei einem Blick auf die selbstverfassten Texte in den Booklets seiner weiteren CDs. Wissenschaftlich geht er den vorgetragenen Werken auf den Grund, stellt Fragen an die Musik und gelangt so zu einer überzeugenden, begründeten Interpretation. Eine „Offenbarung“ war für Kreusch das Manuskript der Etüden von Villa-Lobos – einem seiner Prüfungsstücke nach dem zweijährigen Master-Studium an der Juilliard School of Music bei Sharon Isbin: „Es ist unglaublich, mit welcher Dreistigkeit man mit dem Original umgegangen ist. In jeder Etüde sind Druckfehler und Auslassungen. Außerdem zeigen die eigenen Fingersätze von Villa-Lobos, wohin er sich mit der Musik bewegen will, ganz zu schweigen von seinen ausführlichen Dynamik- und Agogik-Angaben.“ Auch bei eigenen Bearbeitungen für Gitarre versucht der Nachwuchskünstler, der Musik als solcher gerecht zu werden. „Es geht mir nicht um eine gewollte Authentizität. Wichtig ist, die Musik auf die heutige Zeit zu übertragen und adäquate Klangmöglichkeiten für die Umsetzung des Notentextes zu finden.“ Ob Folksongs von Copland und Niles oder Lautenlieder von Dowland und Campion, immer steht die Frage im Vordergrund, was könnte die Intention des Komponisten gewesen sein.

So verwundert es nicht, dass Johannes Tonio Kreusch kein Musiker ist, der durch technisches Können brillieren möchte. Im Gegenteil, seine ausgezeichnete Technik bildet nur die „Grundlage für sein verinnerlichtes Spiel, das den Geist der Komposition entschlüsselt“ (Süddeutsche Zeitung). Ihm liegt als Interpret daran, dem Zuhörer eine Botschaft zu übermitteln. Schon das Programm, mit dem er sich 1996 nach dem Gewinn der „Artist International Competition“ in der Carnegie Recital Hall der Öffentlichkeit vorstellte, entsprach nicht der typisch virtuosen Karriere-Stückwahl: Bach-Suite, Sonate von Ginastera sowie die Etüden von Villa-Lobos. „Ich möchte andere Wege gehen. Ein Programm muss ich nach dem Prinzip auswählen, wie es mir dabei geht. Deshalb sind für mich wichtige Fragen: Hat dieses Stück Atem, geht es ins Herz?“

Aufgewachsen in einem musikalisches Elternhaus – seine Mutter ist die Konzertpianistin Dorothée Kreusch-Jacob, bekannt durch zahlreiche musikpädagogische Bücher, Kinderlieder und CD-Produktionen für Kinder – erlebte Kreusch von Jugend an ein unkonventionelles, geradezu experimentelles Herangehen an die Musik. In letzter Zeit gewinnt dieser Aspekt für ihn neu an Bedeutung. Was auf seiner CD („Inspiración“) begonnen hat, auf der er bekannte Kompositionen von L. Brouwer, F. Tárrega, I. Albéniz und anderen mit zwei groß angelegten Improvisationen umrahmt, setzt er nun in seinem neuen Projekt „Siddhartha-Suite“ fort. Ausgehend von eigenen aufgeschriebenen Ideen, macht er sich auf die improvisierte Wanderschaft durch Musiktraditionen und Kulturen und lässt den Zuhörer ganz neue Klänge der Gitarre erleben. „Die Gitarre ist wie ein kleines Orchester – betrachtet durch ein verkehrt herum gehaltenes Fernglas“, so pflichtet man beim Spiel Kreuschs dem spanischen Gitarristen Andrés Segovia bei. „Mein Weg liegt zwischen der Komposition und der Improvisation. Ich möchte mich befreien von den festen Mustern der Klassik. Denn Improvisation war immer wichtiger Teil der Musikkultur – nur heute wird sie vollkommen vernachlässigt.“ Aus diesem Bestreben heraus geboren wurde auch ein Programm mit dem Trompeter Marcus Stockhausen sowie das Projekt

„2 World’s 1“ mit seinem Bruder Cornelius Claudio Kreusch, Jazz-Pianist in New York: zwei Welten, die des Jazz und die der Klassik, die der komponierten und die der improvisierten Musik vereinigen sich dabei zu einer.

Bei all seinem Erfolg ist es dem Künstler wichtig, sich selbst treu zu bleiben und sich keine Karrierepflichten aufzuerlegen. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was seinen Erfolg ausmacht. „Man muss etwas Normales bewahren und sich sagen, dass nicht nur Erfolg im Leben zählt. Erfolg ist, meiner Meinung nach, immer temporär. Sonst würde man sich ja nicht weiterentwickeln.“

Diskografie
• Johannes Tonio Kreusch plays Ginastera, Bach, Brouwer (1994)
(Kreuschbros [at] blackmudsound.com (Kreuschbros[at]blackmudsound[dot]com))
• Johannes Tonio Kreusch plays Villas-Lobos and Ginastera (1999)
Arte nova/BMG 74321 71180 2
• Portraits of Cuba – Johannes Tonio Kreusch plays new Cuban Music (1999)
Arte nova/BMG 74321 77633 2
• Inspiración – Johannes Tonio Kreusch plays music by Barrios, Rodrigo, Albéniz, Tárrega and own compositions
Arte nova/BMG 74321 86937 2

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!