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Der Komponist Michael Denhoff. Foto: Sonja Schwolgin
Der Komponist Michael Denhoff. Foto: Sonja Schwolgin
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Komponieren mit Beethoven im Nacken

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Michael Denhoff erhält den Gerda-und-Günter-Bialas-Preis
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In zartestem Pianissimo setzt das Klavier elf Töne unter den Flageolett-Teppich des Streichquartetts, aus dem sich bald ein Hauch von Melodie heraushebt. „Frei und ekstatisch“ lautet die Vortragsanweisung des Komponisten Michael Denhoff (Jahrgang 1955) für den Anfang seines 1998 entstandenen Klavierquintetts. Mittels dieser beiden Adjektive ließen sich die Seelen vieler seiner Werke in Worte kleiden. Im Dickicht der Moden und Dogmen hat sich Denhoff – mit unerschütterlichem Enthusiasmus – stets seinen eigenen Weg freigelegt. Für sein Schaffen wird er am 13. November in München mit dem „Gerda-und-Günter-Bialas-Preis“ der Bayerischen Akademie der Schönen Künste geehrt. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird von der GEMA-Stiftung finanziert.

Geboren und aufgewachsen in Ahaus im Münsterland, entschied sich Michael Denhoff nach dem Abitur für ein Studium in Köln. An der dortigen Hochschule für Musik waren Jürg Baur und Hans Werner Henze seine Kompositionslehrer. Des Öfteren fuhr der junge Künstler zudem ins knapp 600 Kilometer entfernte München, um auch bei Günter Bialas Kompositionsunterricht zu nehmen. Aus überwiegend praktischen Gründen wurde Michael Denhoff offiziell nie Student in Bialas’ Klasse. Dennoch bezeichnet Denhoff ihn heute als seinen vielleicht wichtigsten Lehrmeister und Förderer. Bialas habe seine Entwicklung „mit behutsamer Kritik und fast väterlicher Zuneigung“ begleitet und ihm geholfen, zu einem ersten „Personalstil“ zu finden.

Beinahe 40 Jahre später zählt Michael Denhoffs Werkverzeichnis über 100 Kompositionen für unterschiedlichste Besetzungen. Einen Schwerpunkt in seinem Œuvre bildet Kammermusik: Neun Streichquartette legte er vor, fünf Klaviertrios, eine Reihe von Duos für Violoncello und Klavier, außerdem auffallend viel Kammermusik mit Saxophon (resultierend aus der Zusammenarbeit mit John-Edward Kelly und dem Raschèr Saxophone Quartet). Drei abendfüllende Klavierzyklen flossen aus seiner Feder, überdies mehrere Ensemble- und Orchesterwerke – jüngst die 2012 in Saarbrücken uraufgeführten „Fünf Strophen für Streichorchester“.

Vergleicht man das Frühwerk des Komponisten mit seinem heutigen Schaffen, merkt man, dass sein Satz lichter geworden ist, „durchhörbarer“ wie er sagt. Denhoff wuchert nicht mit Tönen, er weiß um die Verantwortung, die – in diesen lauten Zeiten – einem jeden Tonschöpfer obliegt. Er komponiert hörenden Ohres, mit feinem Gespür für die inneren Gesetze von Musik. „Der konsequente, andere Umgang mit den Prinzipien der Tonalität und der Erfindungsreichtum in der Organisation des musikalischen Materials zeichnen seine Kompositionen aus“, erklärt die Jury des Bialas-Preises in ihrer Urteilsbegründung. Denhoffs Selbstverständnis ist das eines „fortschrittlichen Traditionalisten“; die Tradition ist sozusagen sein Heimathafen, von dem aus er zu – oft wagemutigen – kompositorischen Expeditionen aufbricht. Seine unverwechselbare Klangsprache bietet eine Fülle neuer, ungeahnter Entdeckungen, gleichwohl ist sie durchtränkt von Musikgeschichte: Beethoven, Schubert, Schumann, aber auch Bartók, Messiaen und Feldman gehören zu seiner Ahnengalerie.

Wenn Denhoffs Musik erklingt, scheint es, als seien alle diese „Vorfahren“ zugegen, als schwinge ihr Vermächtnis mit, verborgen zwischen den Tönen. Aus dem kreativen Analysieren etwa der Werke Beethovens kann Denhoff immer wieder Inspiration schöpfen: „Beethoven, er sitzt uns beim Komponieren im Nacken, ob wir es wollen oder nicht“, hält der seit 1982 in der Beethoven-Stadt Bonn lebende Künstler fest. Darüber hinaus habe auch seine intensive Auseinandersetzung mit anderen Kunstgattungen – insbesondere der Malerei – „Spuren in der eigenen Musik hinterlassen“, fügt Denhoff hinzu. Mehrere seiner Kompositionen entlehnen ihre Titel der bildenden Künste, so sein bereits erwähntes 160-minütiges Klavierquintett, das er in Anspielung auf Paul Klee „Hauptweg und Nebenwege“ getauft hat.

Neben dem Komponieren tritt Denhoff, der in Köln auch Violoncello bei Siegfried Palm und Erling Blöndal Bengtsson sowie Kammermusik beim legendären Amadeus Quartet studierte, regelmäßig als Cellist auf und ist Dozent für Kammermusik an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule. Nicht unerwähnt bleiben sollte ein weiterer – schmaler, aber erkundenswerter – „Nebenweg“ in seinem Tätigkeitsprofil: Seit geraumer Zeit verfasst und veröffentlicht er Kurzgedichte.

„Im umfassenden Sinne human und menschennah, ohne Erfolg heischende Anbiederung“ – diese Worte fand der Tondichter Michael Denhoff einst für die Musik seines Mentors Günter Bia-las in einer Rede zu dessen 80. Geburtstag. Es sind Worte, die auch für Denhoffs vielseitiges Wirken zutreffen könnten. Durch die Verleihung des Gerda-und-Günter-Bialas-Preises schließt sich ein Kreis: Denhoff ist mit Bialas, dessen Student er damals nicht werden konnte, nun doch auch offiziell biographisch vereint.

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