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Als erste Rarität zum Wagner-Jahr eine Komposition mit Fragezeichen: Richard Wagners „Beim Antritt des Neuen Jahres“ in Würzburg

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Der Komponist selbst leitete die Uraufführung seiner Komposition „Beim Antritt des Neuen Jahres“ am 1. Januar 1835 in Magdeburg. Die Ouvertüre zu diesem allegorischen Festspiel in einem Akt von Wilhelm Schmale dirigierte Wagner dann ein weiteres Mal in einem Magdeburger Konzert und – unter dem Titel „Festouvertüre“ – erneut im März 1835, sowie am Neujahrstag des nachfolgenden Jahres.

Zum 60. Geburtstag seines Freundes unterlegte Peter Cornelius Wagners Festspiel mit einem eigenen, neuen Text, als „Künstler-Weihe“. In dieser Form erklang es, „mit lebenden Bildern nach Bonventura Genelli“, am 22. Mai 1873 im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. Unter der musikalischen Leitung von Alexander Ritter spielte das zu diesem Zwecke engagierte Würzburger Orchester. Aber außer auf einer Orfeo-CD (C 312 941 A) ist Richard Wagners 1834 entstandene Komposition „Beim Antritt des neuen Jahres“ danach, wenn überhaupt, dann höchst selten erklungen.

In Würzburg, wo Richard Wagner 1832 als Chordirektor angestellt war, seine erste komplette Oper „Die Feen“ komponiert hat und wo noch heute Anschlagtafeln auf sein Wohnhaus, nahe beim Theater, aber auch auf seine Aufenthalte in einer Vorstadtkneipe, „Zum letzten Hieb“, verweisen, erfolgte nun im Mainfrankentheater die Wiederaufführung.

Die fünf Teile umfassende Komposition „Beim Antritt des Neuen Jahres“  – zumal ohne szenische Unterstützung oder auch nur entsprechende Programmhefthinweise – gibt dem heutigen Hörer im Konzert eine Reihe von Fragen auf. Denn es handelt sich um eine deiktische Musik, deren originale dramatische Vorlage nicht mehr aufzufinden ist. Warum bringt die Ouvertüre, deren Potpourri-Charakter bereits die nachfolgende Nummer einlöst, deutlich mehr Themen als die anschließende Nummernabfolge?

Eine Theorie geht davon aus, dass bereits das Vorspiel mit Bildern unterlegt war, eine melodramatische Begleitfunktion der dargestellten Handlung besaß. Das Eingangsthema der Ouvertüre, Sostenuto, das in der zweiten der fünf Nummern breiter ausgesponnen wird,  verweist auf eine dramatisch ähnliche Situation in Wagners zweiter Oper „Das Liebesverbot“ WWV 38, wo es heißt, „Sie schweiget in stummem Schmerz“. Im Neujahrsfestspiel dürfte dieses Thema somit den Abschied vom alten Jahre bezeichnet haben. Und das nachfolgende Thema der Ouvertüre greift ein Thema aus Wagners Sinfonie in C-Dur, WWV 29, auf – aber warum? Wäre Schmales allegorisches Festspiel erhalten, so gäbe Wagners Verwendung dieses Themas auch einen programmatischen Hinweis auf seine erste Sinfonie. Der Hoffnungsaufschwung in der Ouvertüre gemahnt dann an die Hoffnung der weiblichen Hauptrolle im 2. Akt der „Feen“, WWV 32,  dass ihr Gatte durch seine Liebesbegeisterung die ihm bevorstehenden Prüfungen bestehen werde. Ähnliches traf wohl für die Hoffnungen auf ein neues Jahr zu.

Schließlich singt der Chor von Harfen, aber die Komposition verwendet keine Harfe, – stand Wagner für sein Konzert in Magdeburg keine zur Verfügung? Das am Ende der Ouvertüre, ganz ähnlich wie im „Liebesverbot“, stark eingesetzte Schlagwerk, rückverweisend auch auf den Schlusssatz von Beethovens neunter Symphonie, findet in der Schlussnummer des Festspiels hingegen keine Entsprechung...

Gleichwohl ist die Ouvertüre ein so wirkungsvolles Stück, dass in der Würzburger Aufführung sofort danach Applaus mit Bravorufen einsetzte. Der junge GMD Enrico Calesso hat die Details der Komposition sehr viel plastischer heraugearbeitet als Karl Anton Rickenbacher auf der Referenzeinspielung mit den Bamberger Symphonikern. Die einprägsame Thematik bleibt ebenso im Ohr, wie die Einsätze der als Bühnenmusik konzipierten Flöte im dritten Satz und die Pizzicati aller Streicher in der chorischen Finalnummer. Das Philharmonische Orchester Würzburg, mit leuchtenden Bläsern und satten Streichern, spielt unter der zahlreiche Rubati wagenden Leitung Calessos präzise und sauber, und der von Markus Popp einstudierte Chor des Mainfrankentheaters, durch Extrachor auf rund 80 Stimmen erweitert, überzeugt mit Textpräsenz und beachtlicher Klangfülle.

Das Publikum im ausverkauften Mainfranken-Theater feierte die späte Erstaufführung der gut 20-minütigen Jugend-Komposition Richard Wagners – eingerahmt durch Carl Maria von Webers Grande Ouvertüre à plusieurs instruments und Beethovens Neunte (allerdings nicht in der Wagner-Fassung) – mit lang andauerndem, herzlichem Applaus.

Ob es im Wagner-Jahr weitere Aufführungen von  WWV 36 geben wird? Immerhin erklingt die Ouvertüre dieses Neujahrsfestspiels das nächste Mal bereits am 18. Januar 2013, in einem Konzert in Biberach an der Riss.

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