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Klaus Kuttler (Monostatos) und Julia Novikova (Königin der Nacht) in Peter von Winters Zauberflöten-Fortsetzung in Salzburg. Foto: Hans Jörg Michel
Klaus Kuttler (Monostatos) und Julia Novikova (Königin der Nacht) in Peter von Winters Zauberflöten-Fortsetzung in Salzburg. Foto: Hans Jörg Michel
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Aus der Mozart-Factory: Peter von Winters „Das Labyrinth“ bei den Salzburger Festspielen

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Hätte Mozart länger gelebt, so hätte er fraglos auch die Fortsetzung der „Zauberflöte“ komponiert, „Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen“, eine große heroisch-komische Oper in zwei Aufzügen, die Emanuel Schikaneder 1798 seinem und Mozarts Erfolgsstück nachfolgen ließ. Der „zweyte Theil der ‚Zauberflöte’“ hätte vermutlich auch ähnlich geklungen wie das Ergebnis des bayerischen Komponisten Peter von Winter, der das Libretto des Theaterdirektors unter Wiederverwendung musikalischer Topoi des ersten Teils geschickt, aber kaum genialisch realisiert hat. Als eine Hommage an Schikaneders 200. Todestag ist dessen frühe Form der Blockbuster-Vermarktungsstrategie im Salzburger Residenzhof zu erleben.

Wie Mozarts Ouvertüre, so beginnt auch Johann Peter Winters Ouvertüre mit drei Akkordschlägen in C-Dur, jedoch doch ohne Lagenwechsel, so auch erneut bei der Drohung der Abgesandten, die Pforte zu zerstören, wenn Pamina nicht zu ihrer Mutter zurückkehre. Freimaurerische Klopfrhythmen dann auch im „Chor der Eingeweihten“, in der Introduktion des 2. Aktes und am Ende der Prüfung im Labyrinth.

Das Glöckchenspiel, das Papageno zum Schutz verliehen wird und das ihm die drei Damen abzunehmen trachten, klingt wie eine Parodie auf das Original, ebenso gemahnt die Melodieführung der Flöte als Zauberinstrument an die Klänge bei der Feuer- und Wasserprobe. Ein Duett zwischen Pamina und Papageno erinnert auch musikalisch stark an „bei Männern, welche Liebe fühlen“, mutiert hier aber zu der Moral: „Haltet fest mit einer Hand den Gatten, mit der andern euren Freund!“.

Daneben Paraphrasen auf die Priesterchöre, sattsam bekannt klingen das Gebet des Sarastro, die Terzette der drei Damen und die der drei Knaben. Nur zweimal sind Harmoniefolgen zu hören, die bei Mozart nicht vorkommen, und auch der Doppelchor von Priestern und Paphos-Kriegern erscheint als ein Novum in Winters Mozart-Remake.

Schikaneders Handlung ist sehr viel banaler als Goethes Versuch, einen zweiten Teil der „Zauberflöte“ zu dichten. Die Königin der Nacht ist mit Ende des ersten Teils keineswegs „zernichtet“, sondern sichtlich weiterhin bemüht, ihre Tochter Pamina in ihr Reich Luna zurückzuholen, wobei sie sich nun auf militärische Hilfe durch Tipheus, den König zu Paphos verlässt. Wie weiland Orest von Pylades, wird Tipheus (Clemens Unterreiner) stets von seinem Freund Sithos (Philippe Sly) begleitet. Da er das Hochzeitsfest von Pamina und Tamino stört, will Sarastro das hohe Paar einer noch härteren Probe unterziehen: sie sollen den Gang durch ein unterirdisches Labyrinth tun. Dort wird Pamina von den Handlangern ihrer Mutter gekidnappt und auf der Mondsichel ins Reich Luna entführt.

Als eine Reminiszenz an Mozarts Figaro entdeckt Papageno seine Eltern (Anton Scharinger und Ute Gfrerer) wieder. Papageno wird weiterer Prüfungen unterzogen, denn seine Treue zu Papagena (Regula Mühlemann) ist wankelmütig, insbesondere, als ihm Monostatos (Klaus Kuttler) die schwarze Gura offeriert, wofür dann Papagena prompt mit Monostatos durchbrennt. Im Auftrag von Tamino fliegt Papageno zum Mond, um Pamina zu befreien, aber als die beiden gemeinsam zurückkehren wollen, wird sein Luftgefährt zerstört. Sarastro gelingt es, den Kampf zwischen dem Heer von Paphos und seinen Isis-Priestern abzuwenden, indem er einen direkten Zweikampf um Pamina zwischen  Tamino und Tipheus vorschlägt; der Sieger ist selbstredend Tamino. Wieder einmal ist die Königin der Nacht geschlagen, aber der Machtkampf zwischen Tag und Nacht, Sonnenkreis und Luna, wird andauern...

Leider nimmt die Inszenierung des „Labyrinth“ dramaturgisch keinen Bezug auf die Neuinszenierung der „Zauberflöte“ in der Felsenreitschule, und von musikalischer Seite ist die Qualität der Fortsetzung ist merklich eine gute Stufe niedriger angesiedelt.

In der Regie von Alexandra Liedtke fungiert Papageno zunächst als Erzähler – der originalen Szenenangabe, denn im Residenzhof, mit seiner kaum ansteigenden Zuschauertribüne, erblickt der Zuschauer zunächst nur eine zweidimensionale Wurstelprater-Bühne auf der Bühne von Raimund Orfeo, deren Vorhang den Schinkelschen Prospekt des Sternenhimmels verdeckt. Doch das Vorstadttheater war nur eine Falle für Tamino und Pamina, die beinahe der Verführung durch ein junges Paar erlegen sind, in dessen Rolle zwei der drei Damen (Nina Bernsteiner, Christina Daletska und Monica Bohinec) geschlüpft sind.

Dann schieben sich von beiden Seiten fünf hohe, mit Glühbirnen bestückte Lamellenwände auf die Bühne, die als gigantischer analoger Bildschirm Symbole und Strukturen aufleuchten lassen. Auch ein Steg vor dem Orchestergraben des  Mozarteumsorchesters Salzburg wird weidlich fürs Spiel genutzt, so dass Dirigent Ivor Bolton, mit deutlicher Schlagtechnik, häufig den Protagonisten in seinem Rücken die Einsätze gibt. Groß besetzt ist der Chor durch den schwarz gewandeten, episch geführten, mit roten Handschuhen gestisch exzessiven Bachchor. Die Kostüme von Susanne Bisovsky und Elisabeth Binder-Neururer scheuen nicht die Grenze zum Kitsch, etwa bei den drei Genien, die wie drei beleuchtete Weihnachtsengel, aber ohne Flügel ausgestellt sind. Vervielfachung der Wirkung des Einsatzes von Kindern erreichen Schikaneder und Winter durch die zahlreichen Brüder und Schwestern von Papageno, die vom Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor in allen Alterstufen besetzt, auch klanglich überzeugen. 

Die vielerorts als Königin der Nacht gefeierte russische Sopranistin Julia Novikova brilliert auch in der Rollenfortsetzung. Christoph Fischesser bietet ihr als Sarastro einen virilen, fundierten Gegenpart. Als Pamina gefällt Malin Hartelius mit resolutem Sopran,, ihr zur Seite ist Michael Schade ein saturierter, farbloser Tamino.

Der Weg durch dieses Labyrinth, den die beiden im Spiel an roten Ariadne-Bändern beschreiten, bleibt ein Kuriosum. Dirigent Ivor Bolton schafft ein Aha-Erlebnis, gekoppelt mit geschickt gesetzten Höhepunkten und durch Betonung von Nebenfiguren in der Partitur.

Mit einer derartigen, alten Novität, gemischt aus musikalisch und szenisch sattsam bekannten Versatzstücken, ist wahrlich kein Besucher überfordert: im Residenzhof, der gegenüber dem „Jedermann“ auf dem Domplatz den Vorteil hat, dass er sich jederzeit überdachen lässt, spendet das Publikum begeistert Beifall.

Weitere Aufführungen: 9., 14., 16., 21., 24. und 26. August 2012.

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