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Hauskonzert. Foto: Joachim Lange
Hauskonzert. Foto: Joachim Lange
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Bei Richard daheim – Corona schrumpft in Bayreuth die Richard-Wagner-Festspiele auf ein Hauskonzert

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An diesem 25. Juli war Bayreuth im Ausnahmezustand vom alljährlichen Ausnahmezustand. Das erste Mal seit der Wiederaufnahme der Richard-Wagner-Festspiele im Jahre 1951 fielen die kompletten Festspiele aus. Also auch der ganze Rummel samt dem großen Protokoll der Republik.

Mit Kanzlerin und gelegentlich auch Königen und diversen Promis, wenn die nicht gerade eine Wagner Allergie haben. Die Stadt ist seltsam normal – also so normal wie im ersten Corona-Sommer Innenstädte nun mal sind. Die Bayreuther Hotellerie und Gastronomie dürften die Wochen bis Ende August besonders hart treffen. Keine Nachfrage durch die Besucher aus aller Welt. 

Der vorübergehend für die langsam genesende Hügelchefin Katharina Wagner eingesprungene Geschäftsführer Hans Dieter Sense wollte unbedingt eine Live-Veranstaltung mit Wagnerbezug. Und so luden die Festspiele und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zu Richard nach Haus. Oder besser: in den Garten vor der Villa Wahnfried. Für 400 Gäste hatte man auf der linken und rechten Wiese neben der Zufahrt zur Eingangspforte in sicherer Distanz Garten-Klappstühle aufgebaut. Auf zwei Großleinwände wurde nach draußen übertragen, was drinnen in Wagners Salon musiziert wurde. 

Es begann genau 16.00 Uhr – so wie sonst die Vorstellung oben auf dem Grünen Hügel – mit dem durchaus doppelsinnig gemeinten „Fanget an“ des Walter von Stolzing aus den Meistersingern. Natürlich mit dem seit Jahren amtierenden Bayreuther Stolzing Klaus Florian Vogt. Zu ihm gesellte sich bei dieser kurzen Reminiszenz an die eigentlich geplante Eröffnungsvorstellung Camilla Nylund. Sie ist dort wie hier seine Eva. Begleitet wurde diese Szene aus dem II. Aufzug von Jobst Schneiderat am Klavier. Irgendwann bemerkten die Tontechniker, dass Vogt zu Beginn viel zu leise rüber kam. Beim folgenden Siegfried-Idyll ging es dann in die genau andere Richtung. Was wir im Garten von Wahnfried zu hören bekamen, war schlichtweg rekordverdächtig. Mehr ein Auferstehungsidyll, das in Richtung Götterdämmerung driftete und vielleicht Tote erwecken sollte, als das liebevolle Ständchen Richards zum 33. Geburtstag seiner Cosima. Eine Leistungsschau für Übertragungstechnik ins Freie war das jedenfalls nicht. 

Im Saal muss und wird das mit Sicherheit anders geklungen haben. Denn am Pult des 14köpfigen Mini-Festspielorchesters stand Musikdirektor Christian Thielemann. Und der weiß bekanntlich genau wie Wagner geht. Bei den Wesendonck-Liedern, mit denen Camilla Nylund das Konzert abrundete, ließ man sich den Freiluftklang in seiner opulenten Pracht dann gerne gefallen. Vogt und Nylund dürften selbst nicht bemerkt haben, dass sie auf der Leinwand meist eine Stange vorm Gesicht hatten. Auch dass ausgerechnet einer der Übertragungswagen neben dem Wahnfriedgarten ein nerviges Störgeräusch beisteuerte, gehört wohl in die Rubrik wenn wir die Spitzentechnik schon nicht haben, dann soll man sie wenigstens hören.

Aber sei’s drum – hier ging es eh nicht zu allererst um die große Kunst. Es war ein sonniger Nachmittag, der mit seinem guten Willen, den Phantomschmerz ins Bewusstsein hob, unter dem die Wagnergemeinde in diesem Sommer leidet.

Das „Fanget an“ war also mehr ein „Wir sind noch da und uns fehlt etwas“! Das gilt für alle Beteiligten. Und sicher auch für die, die diesmal gar nicht erst nach Bayreuth gekommen sind.

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