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Imelda May. Foto: Chris Clor
Imelda May. Foto: Chris Clor
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„Bitte Bing-Bing, aber richtig heavy!“ Die Rockabilly-Sängerin Imelda May im Gespräch

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Imelda May wurde in der englischen Presse schon mit Amy Winehouse verglichen: Die Sängerin aus Dublin werde den Rockabilly wiederbeleben – so wie Winehouse den Soul. In England und Irland ist ihr das mit ihrer großen Stimme und dem jazzig-bluesigen Rockabilly-Sound schon gelungen. In Deutschland muss sich die Irin ihr Publikum erst noch (live ab 20. Mai) erspielen. Im Interview erzählt sie wie es ist, mit dem eigenen Gitarristen verheiratet zu sein, was irischen Folk und Rockabilly vereint, und warum auch laute Songs auf einer leisen Ukulele-Gitarre entstehen.

Laufen Sie zu Hause eigentlich auch so herum wie auf der Bühne – als Rockabilly-Vamp und Pin-Up-Girl?

Ein bisschen. Manchmal trage ich aber auch einfach nur Jeans oder Röcke wie Doris Day sie getragen hat. Überhaupt bin ich zu Hause gern ein wenig Doris Day.

Und Ihre Wohnung – ist die auch so eingerichtet wie Ihre Musik?

Exakt. Unsere Möbel sind eine Mischung aus Alt und Neu. Wir haben einen großen Nierentisch und eine wunderbare Bar aus den 50-ern. Außerdem stehen viele tolle Plattenspieler für das ganze Vinyl herum. Aber natürlich haben wir auch moderne Sachen: Computer, Fernseher und solche Sachen.

Warum haben die Plattenfirmen so lange nicht begriffen, was Sie machen?

Es war ihnen zu riskant, jemanden unter Vertrag zu nehmen, der Rockabilly mit Blues und Jazz mischt. Die wollten, dass ich mich für einen Musikstil entscheide und am besten gleich den ganzen Rockabilly über Bord werfe. Andere wiederum meinten, ich sollte mir eine Blume ins Haar stecken, eine Big-Band suchen und ausschließlich Jazz singen. Wenn ich dann gesagt habe, dass ich nur meinen eigenen Kram machen will, hieß es immer gleich: Wie sollen wir das verkaufen? In welche Schachtel sollen wir Dich stecken? Irgendwann hab ich diese Einwände einfach als Kompliment genommen.

Woher diese Skepsis gegenüber Rockabilly? Denken die Leute zu oft an Shakin‘ Stevens?

Ich glaube, dass die meisten einfach nicht die richtig guten alten Aufnahmen kennen. Der echte Rockabilly war sehr rebellisch, direkt und sexy. Für mich war das der Punk Rock der 50-er Jahre! Ohne Rockabilly würde es auch nicht den Rock von heute geben. Ich weiß von Jeff Beck, Jimmy Page und David Bowie, dass sie nur wegen des Rockabilly Musiker geworden sind. Ähnlich war es bei Springsteen, den Beatles, Dylan oder auch Chrissie Hynde von den „Pretenders“.

Nervt es Sie, dass bei Ihrer Musik oft das Wort Retro fällt?

Jeder soll denken und schreiben, was er meint. Ich weiß, dass wir keine Retro-Musik machen oder irgendwas eins zu eins kopieren. Wir sind – wie viele andere Bands auch – von Retro-Musik beeinflusst. Aber was soll daran schlecht sein? Nur wenn man ältere Musik hört und sich überlegt, was einem daran gefällt, entwickelt man das, was ich Geschmack nenne. Außerdem ist es unmöglich, sich von guter Musik nicht beeinflussen zu lassen.

Sie standen schon mit Wanda Jackson, der „Queen of Rockabilly“, auf der Bühne, die vor kurzem ein neues Album herausgebracht hat. Wie war das?

Wunderbar. Sie singt mit ihren 73 Jahren immer noch wie eine wild gewordene Katze. Und sie war eine der ersten Frauen überhaupt, die sich das getraut haben. Nach dem Auftritt sind wir noch Cocktails trinken gegangen. Eine tolle Nacht.

In Ihrer Band spielt Ihr Mann die Gitarre. Gatte und Ehefrau in einer Rockabilly-Band: Kann das funktionieren?

Ich glaube, dass wir eine stinknormale Ehe führen. Da geht es um die gleichen Dinge wie in allen Beziehungen: Ich beschwere mich, wenn mal wieder seine schmutzigen Socken herumliegen. Nur, dass die bei uns auf dem Boden von irgendeinem Tour-Bus herumliegen. Er regt sich auf, wenn mein Gepäck beim Einchecken mal wieder viel zu schwer ist. Aber so sehen wir uns wenigstens die ganze Zeit. Als wir schon verheiratet, aber noch in verschiedenen Bands waren, haben wir uns kaum gesehen. Monatelang. Das war kaum auszuhalten. Jetzt reisen wir zusammen durch die Welt und haben die gleichen Erlebnisse – das ist viel, viel besser.

Keine Angst, dass das bei Ihnen eines Tages so traurig endet wie mit Ike und Tina Turner oder Sonny & Cher?

Nein. Allerdings war ich mir anfangs nicht sicher, ob ich Darrel wirklich fragen soll, ob er in meiner Band spielen will. Ich wusste nicht, ob er das wirklich will. Außerdem hatte ich Angst, dass ich ihn mit dieser Frage unter Druck setze. Er hatte schließlich seine eigene Band und seine eigene Karriere. Aber dann hab‘ ich ihn einfach gefragt und er hat Ja gesagt.

Spannender als ein Heiratsantrag…

So ähnlich (lacht). Wir haben es mit der gemeinsamen Band einfach versucht. Und es hat funktioniert.

Wer ist bei Ihnen der Boss?

Von Anfang an war klar, dass das meine Band ist. Um das Geschäftliche kümmern wir uns gemeinsam. Aber auf der Bühne und im Studio habe ich das Sagen.

Dafür besingen Sie Ihren Mann auch in Nummern wie „Big Bad Handsome Man“ (http://www.youtube.com/watch?v=_BMhQd_UQR0).

Stimmt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ihm das so gefällt. Weil er sich dann immer von seiner besten Seite zeigen muss.

Haben Sie überhaupt so etwas wie ein Privatleben?

Wieso nicht?

Weil Band und Privatleben bei Ihnen ziemlich deckungsgleich zu sein scheinen.

Wenn wir zu Hause sind - was in letzter Zeit allerdings selten vorkommt - führen wir ein ganz normales Leben: Sehr privat, sehr langweilig und sehr, sehr schön. Dann ist er der Boss, und ich die Hausfrau. Doris Day eben. Ich koche und putze, er spielt die ganze Zeit Gitarre. Oder er sitzt an einem unserer Computer, was gut ist, weil ich davon keine Ahnung habe.

Stimmt es, dass Sie Ihre Songs auf einer Ukulele-Gitarre schreiben?

Damit hole ich sie aus meinem Kopf. Einen neuen Song hört man ja zuerst irgendwo in seinem Kopf.

Wie geht das, was Sie Herausholen nennen?

Zuerst arbeite ich das Lied für mich allein aus. Anschließend spiele ich es der Band vor. Ich kann keine Noten schreiben, also müssen sie ganz genau zuhören und alles nachspielen. Ich beschreibe, wie alles klingen soll, und singe jedem vor, was er auf seinem Instrument spielen soll. Das machen wir so lange, bis sich das, was wir spielen, mit dem deckt, was ich in meinem Kopf höre.

Witzig, dass ein lauter, schneller Kracher wie „Mayhem“ (http://www.youtube.com/watch?v=jxj5wlXY9No ) auf einer niedlichen Ukulele-Gitarre entstanden ist.

Es klingt in der Tat nicht besonders rockig, wenn ich meine Riffs darauf spiele. Bei „Mayhem“ war es besonders komisch. Ich habe Bing-Bing, Da-Bing, Da-Bing, Da-Bing, Da-Bing-Bing gezupft. Und dann gesagt: Bitte das, aber richtig heavy! Da hat mein Mann schon etwas komisch geschaut. Aber meine Musiker sind großartig darin, immer das herauszuhören, was ich meine.

Bei Konzerten spielen Sie manchmal die Bodhrán, eine Handtrommel, die sonst in der irischen Volksmusik zu hören ist. Wollen Sie damit zeigen, dass es einen Link zwischen irischer Musik und Rockabilly gibt?

Natürlich geht es auch um den Spaß. Die Bodhrán ist ein großartiges Instrument. Ich spiele damit auch im Studio, wenn ein Song etwas Perkussion verträgt. Außerdem gibt es in der Tat eine direkte Verbindung zwischen Rockabilly und irischem Folk. Rockabilly hat sich ja aus der Country-Musik heraus entwickelt. In der steckt wiederum jede Menge irischer Folk. Die irischen Auswanderer sind mit ihrer Fiedel unterm Arm über den Atlantik gefahren. In Amerika wurde dann aus irischem Folk und ein paar anderen Zutaten Bluegrass und Country. Deswegen hat der Rhythmus im Rockabilly manchmal etwas von irischem Folk. Der übrigens auch so hypnotisch fetzen kann wie Rockabilly.

Spielen Sie denn auch Folk?

Irische Musik hatte in meiner Familie immer eine große Bedeutung. Mein Bruder spielt in einer Folk-Band Gitarre. Außerdem ist er ein fantastischer Sänger, der eine Million Lieder kennt. Wenn ich heim nach Dublin fahre, versuche ich immer auf eine gute Folk-Session zu gehen. Da singe und spiele ich dann mit. Bis um drei in der Nacht.

Was steht als nächstes bei Ihnen an?

Ein Umzug. Unser erstes Haus! Es liegt in der Nähe unseres Studios, das mein Mann und sein Freund in einem alten Kuhstall außerhalb von London eingerichtet haben. Das macht vieles einfacher, wenn wir das nächste Album aufnehmen. Außerdem haben wir endlich etwas mehr Platz. Unsere alte Wohnung war kaum größer als eine Schuhschachtel.

Dann haben Sie ja Platz für noch mehr Möbel aus den 50ern.

Gerade versuche ich im Internet eine alte Jukebox zu ersteigern.

Welche Musik werden Sie darauf spielen?

Am liebsten die Originalplatten. Ich möchte eine Jukebox mit einer ganz eigenen Geschichte. So ähnlich wie ein alter Koffer, den ich mir mal gekauft habe. Der stammte aus den 60er-Jahren, sah aber beinahe neu aus. Als ich ihn öffnete, fand ich die die Outfits und Kostüme einer Kabarett-Tänzerin. In diesem Koffer steckte ein ganzes Leben. So etwas möchte ich als Jukebox - einen alten Koffer voller Musik.

Interview: Claus Lochbihler

Imelda May „Mayhem 2011”-Tournee:
20.05.2011 Berlin, Lido
21.05.2011 Essen, Zeche Carl
22.05.2011 München, 59:1
24.05.2011 Frankfurt/Main, Batschkapp
25.05.2011 Hamburg, Knust

CD: „Mayhem“ (Decca/Universal)

Links:
Imelda May und Jeff Beck in der Jay Leno-Show:
http://www.dailymotion.com/video/xi10oj_jeff-beck-with-imelda-may-jay-l…
Weitere Imelda May-Videos unter:
http://www.jazzecho.de/imelda-may/videos/

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