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Beschreibung: Gabriel Urrutia Benet (Prinz von Mantua), Ks. Ina Schlingensiepen (Prinzessin Theres), Renatus Meszar (Der König von Bayern), Ks. Klaus Schneider (Marinoni). Foto: Falk von Traubenberg
Beschreibung: Gabriel Urrutia Benet (Prinz von Mantua), Ks. Ina Schlingensiepen (Prinzessin Theres), Renatus Meszar (Der König von Bayern), Ks. Klaus Schneider (Marinoni). Foto: Falk von Traubenberg
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Blauweiss ist der Himmel über Bayern – Am Badischen Staatstheater Karlsruhe kommt Offenbachs Opéra comique „Fantasio“ als bayerischer Schwank auf die Bühne

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Zu einer Ehrenbürgerschaft in Mantua dürfte es bei Jaques Offenbach nicht langen. Zumindest der dortige Adel kommt bei ihm nicht besonders gut weg. Ein Prinz von Mantua ist bei ihm gleich in zwei Werken der Mustertrottel eines unterkomplexen Heiratskandidaten. In den „Banditen“ von 1869 soll er die spanische Prinzessin von Granada heiraten und bei der Gelegenheit Staatsschulden regulieren; hat aber von der Kassenlage keinen blassen Schimmer. In der Opéra comique „Fantasio“ von 1871, will er bei der Übernahme Bayerns durch die Hochzeit mit der Königstochter, sich diese Theres erstmal inkognito, verkleidet als sein eigener Adjutant, anschauen, fällt aber dabei dauernd aus der subalternen Rolle. Als Vorlage für Operetten-Kalauer ist das eigentlich nicht schlecht. Aber so wie man das jetzt in Karlsruhe auf der Bühne serviert bekommt, hat es nicht die Spur von dekadentem Charme.

Überhaupt hat die ganze Inszenierung von Bernd Mottl eine zu bajuwarischen Schlagseite für eine französische Opéra comique. Der blauweisse Rauten-Himmel, die Berge und das Fachwerkhausdorf mit Kirchen und Schlosserl, den über die Bühne volkstanzenden Trachtenbayern, (Bühne: Friedrich Eggert, Kostüme: Alfred Meyerhofer) hat zwar handfesten Witz. Und es ist durchaus praktisch mit einem Vorhang aus Prospekten einen königlichen Spiegelsaal zu imaginieren. Doch die bayerische Dorfidylle dann mit Verpackungskartons samt Code für den Scanner nachzubauen, ist eine Spur zu überambitioniert auf Gegenwart aus. Wie vor allem der deutsche Text von Carsten Goldbeck. Dessen Biographie weist ihn durch einschlägige Engagements in München als Bayernkenner aus, und doch wirkt sein sprachlicher Aktualisierungsversuch des Textes eher ranschmeißerisch. Ein Kini, der von sich als Boss redet? Das passt zwar zum Che Guevara T-Shirt von Studenten-Großmaul Spark (sehr markant bei Stimme: Dennis Sörös) - aber es fügt sich nicht zu einem mitreißenden szenischen Ganzen.

So gibt es denn am Ende, wenn die Friedensbotschaft nur so aus dem blauweißen Himmel trieft, auch Büchsenbier, wo einzig Champagner dieser Füg-dich-oder-ich-schlag-dich-Story ein Überleben sichern könnte.

Dass ein deutschstämmiger französischer Erfolgskomponist par excellence in Zeiten einer französischen Niederlage im Krieg gegen Deutschland Heiratspolitik und einen gut gemeint pazifistischen Appell für den Frieden auf die Bühne bringt, hat ja was. Und rechtfertigt allein schon durch diesen Kontext, das Werk immer mal wieder aus der Versenkung zu holen. Aber für sich genommen ist die Story schon arg absurd.

Wenn der in die Prinzessin verliebte Student Fantasio im Kostüm des gerade verstorbenen Hof Narren, sich bei der heiratsunwilligen Prinzessin einschleicht und via öffentlichem Eklat den italienischen Heiratskandidaten so bloßstellt, dass man fast Verständnis dafür hat, wenn der dann doch lieber Krieg will. Vollends abgedreht ist die Wendung zum friedlichen Happyend. Der Vorschlag des vermeintlichen Narren, dass nur die Kriegsherren stellvertretend gegeneinander kämpfen sollen, führt dazu, dass plötzlich alle für den Frieden sind. Da rutscht dann selbst die Operetten auf der Seife(noper) aus. Und die halbherzige szenische Vergegenwärtigung verschlimmbessert das Malheur nur noch.

Bleibt die Musik. Und die hat ganz  unabhängig von dem Erfolg beziehungsweise Misserfolg, der dem Werk als Ganzem beschieden war und ist, jede Menge von dem parodierendem Witz, Esprit für die Ensembleszenen und den melodischen Charme, die Offenbach auch sonst auszeichnen. Ina Schlingsiepen als bayerische Prinzessin Theres brilliert mit ihren Koloraturen, Eilara Bastar in der Hosenrolle des Fantasio als Operetten-Narrenkönig kann mit Leidenschaft seine Liebes- und Friedensbotschaft unters Volk bringen. Klaus Schneider ist ein passgenauer Prinzenadjudant Marinoni und als sein Chef kann Gabriel Urrutia Benet nach Herzenslust den Klischee-Italiener heraushängen lassen. Andreas Schüller, der seine Kompetenz fürs Genre als Chefdirigent der Staatsoperette in Dresden immer wieder unter Beweis stellt, könnte seine Bühnenbayern und - Italiener mitunter noch etwas mehr von der Kette lassen, legitimiert aber mit der Badischen Staatskapelle musikalisch diese per se verdienstvolle Ausgrabungsbemühung. Die erhält zusätzlichen Glanz, weil es die Uraufführung nach der Offenbach-Edition-Keck ist. Obendrein ist das Werk hier erstmals seit Offenbachs Tod in der Originalinstrumentation des Komponisten zu erleben. Da andere Häuser wahrscheinlich doch lieber bei „Orpheus in der Unterwelt“ oder der „Schönen Helena“ bleiben werden, wenn sie sich eine Offenbachaide gönnen, lohnt also der Weg nach Karlsruhe trotz aller Einwände allemal.

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