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Nichts ist berechenbar: Nils Wogram und Root 70 in der BMW Welt. Foto: Ssirus W. Pakzad
Nichts ist berechenbar: Nils Wogram und Root 70 in der BMW Welt. Foto: Ssirus W. Pakzad
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Bluespunkte gesammelt: Nils Wograms „Root 70“ beim BMW Welt Jazz Award

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So leicht kann das Schwere tönen. Wer die Musik von Roots 70, der Gruppe des in der Schweiz lebenden deutschen Posaunisten Nils Wogram auseinander nimmt, wird sich wundern, was die Analyse alles ergibt, was sich da an Details und filigransten Strukturen offenbart. Als sich das international besetzte Quartett am Wochenende als ernstzunehmender Anwärter auf den „BMW Welt Jazz Award“-Pokal 2011 präsentierte, verschrieb es sich einem Thema, das zunächst eine Hinwendung zum vermeintlich Schlichten versprach: Blues.

Doch wer jetzt da an einfach gestrickte Zwölftakter dachte, die nach dem immer selben Schema und Prinzip ablaufen, wusste spätestens am Ende des Matineekonzerts im Doppelkegel, welche Möglichkeiten diese Form offeriert – wenn sie von klugen Köpfen gefüllt, ausgedehnt oder umspielt wird. Root 70 schickt den Blues kreuz und quer durch die Epochen, zeigt keine Furcht vor nostalgischen Anwandlungen, wenn die Eleganz Ellington'scher Farbgebungen herauf beschwört wird.

Im nächsten Stück sind Wogram, der neuseeländische Altsaxofonist Hayden Chisholm, der englische Bassist Phil Donkin und der nach New York ausgewanderte deutsche Schlagzeuger Jochen Rückert dann vielleicht schon wieder bei gegenwärtiger Chuzpe angelangt. Nichts ist berechenbar in dieser Band, die gerade das zehnjährige Jubiläum feiern konnte. Da schlappt ein Reggae zunächst ganz lässig von Taktstrich zu Taktstrich, bis ihn der Drummer aus dem Tritt bringt und dem zugedröhnten karibischen Sonnenscheinrhythmus dann ein kurzer Swingzwischenspurt mehr Beine macht als er gewohnt ist. Da entführen Obertongesänge (Hayden Chisholm) den Zuhörer in die Mongolei, während die Posaune die gespitzten Lauscher in den Orient lenkt. Da boppt es unerbittlich und scharf konturiert, und danach wird ganz zartes Pastell aufgetragen.

Die Zugabe, ein Clou: eine kurze Nummer, in der die Stimmen von Blau zu Blau zu changieren scheinen - fast nicht wahrnehmbar gleiten da alle erdenklichen Tonarten einander. Ein echtes Kunstwerk aus der Feder von Wogram. So komplex und informationsprall seine Musik auch angelegt sein mag, so unbeschwert und unverkrampft klingt sie. Die Truppe des Posaunisten spielt das, was auf den Partituren steht, mit solcher Selbstverständlichkeit, dass sich niemand im Publikum überfordert fühlen muss.

Wenn der Applausometer nicht täuscht, hat Root 70 beim „BMW Welt Jazz Award“ kräftig Bluespunkte gesammelt. Die Gruppe „Subtone“, die nächsten Sonntag als vorletzter Pokalaspirant antritt, muss sich ganz schön ins Zeug legen, um da noch einen draufzulegen.

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