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Ensemble. Foto: © Nilz Böhme
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Die Augen gerade aus! – Die Oper Magdeburg geht mit Verdis „Aida“ an den Start

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Giuseppe Verdis „Aida“ ist zunächst einmal eine musikalische Herausforderung. Das ist schon ihrer Popularität geschuldet, der auch die Arena in Verona oder der Ausstattungspomp einer Zeferelli-Inszenierung nichts anhaben können. Gerade diese Oper scheint davon sogar zu profitieren. Auf der anderen Seite spielte sie auch bei der Etablierung eines hinterfragenden, subversiven Musiktheaters eine Schlüsselrolle.

Hans Neuenfels in Frankfurt und auch Peter Konwitschny in Graz haben mit ihren Aida-Interpretationen nachhaltig Maßstäbe gesetzt. Für ihr eigenes Schaffen, die Rezeptionsgeschichte des Werkes und für die Etablierung eines ambitionierten Musiktheaters schlechthin. Nun ist es natürlich jedem Regisseur unbenommen, unter freiem Himmel oder in Opern- oder Festspielhäusern die sprichwörtlichen Elefanten aufmarschieren zu lassen, irgendeine andere Art von Bombast zu zelebrieren oder (wie jüngst bei den Salzburger Festspielen) so zu tun, als müsse man diese Gespenster allen Ernstes noch vertreiben. An letzterem versuchen sich die mitteleuropäischen Bühnen seit Jahrzehnten mit mehr, meistens aber mit weniger Erfolg. 

Auf der Bühne braucht man neben den Verditrompeten und einem gut trainierten Chor vor allem einen Schmettertenor für den ägyptischen Feldherrn Radamès, der die feindlichen Äthiopier besiegt, aber zugleich eine Äthiopierin liebt. Wie sich herausstellt ist diese Aida, die er für eine Sklavin hält, die Tochter des Äthiopierkönigs Amonasro. Einmal verplappert sich die an ihrem Inkognito Leidende fast. Für Aida braucht man eine 1A-Sopranistin mit leuchtender Höhe und lyrischer Finesse. Ihre Rivalin, die ehrgeizige Pharaonentochter Amneris ist in der Kehle einer Mezzosopranistin am besten aufgehoben, die mit auftrumpfender Vehemenz (als Rivalin von Aida) ihre Ansprüche auf Radames geltend machen kann. Dazu dann noch einen kraftvoll donnernden Äthiopierkönig, der seiner Tochter im Exil die Leviten liest und es obendrein einzurichten weiß, dass er mithört, wenn Radamès seiner Geliebten bei einem Stelldichein die Aufmarschwege seiner Truppen verrät, so zum Hochverräter wird, um deshalb verurteilt und lebendig begraben zu werden.

Jeder, der ein Aida-Ticket erwirbt, weiß, dass Radamès am Ende zusammen mit Aida stirbt, weil sie sich heimlich in das Grab geschlichen hat. Ein Happyend bis die Luft knapp wird. Oper eben. 

Die Magdeburger Intendantin Karen Stone nutzt ihre internationale Vernetzung, besonders im englischsprachigen Europa, öfter mal als Joker für überraschende Besetzungen. Bei den Sängern und den Regieteams. Diesmal wirft sich der amerikanische Tenor Marc Heller als Radamès Rada mit Wucht und ohne Wanken in die Heldenbrust. 

Happyend bis die Luft knapp wird

Die gebürtige Kroatin Kristina Kolar ist eine leuchtende Aida, die gegen Ende hin ihre schwindelfreien Höhenausflüge mit einer so festen Sicherung versieht, die gar nicht nötig wäre. Die beigemischte leichte Schärfe beeinträchtigt aber nicht ihren überzeugenden Gesamteindruck.

Lucia Cervoni ist eine leidenschaftlich eloquente Amneris und der Rumäne Lucian Petrojan ein fulminant auftrumpfender Amonasro. Diese exzellenten Protagonisten der Hauptpartien singen freilich allesamt ein wenig so, als müssten sie sich noch für die Partien bewerben. Und zwar so, als sollte es auch für die Arena in Verona (oder den Domplatz) noch reichen. Und mit Svetoslav Borisov am Pult gilt das auch für die Magdeburgische Philharmonie im Graben. Wenigstens bleiben Johannes Stegmann als Ramfis, der wie ein Sarastro vor allem würdig den eigentlichen Machthaber verkörpert und Paul Skretris als kränkelnder König auf Ensemblespiel geschaltet. 

Diese neue Magdeburger „Aida“ ist also eine laute Angelegenheit – immerhin vokal und musikalisch imponierend.

Was man von der Inszenierung freilich nicht sagen kann. Da ist Karen Stone eher ein Schwarzer Peter ins Spiel geraten. Vielleicht ist diese Art von Inszenierung ja bei der koproduzierenden Northern Ireland Opera besser aufgehoben. Doch hierzulande reiht sie sich bei den misslungenen Exemplaren ihrer Art ein. Wirklich gelungene Aida-Produktionen muss man eh mit der Lupe suchen. Peter Konwitschny ist einer der wenigen, der nicht schon am Triumphmarsch scheiterte. Der kam bei ihm gar nicht vor, sondern war „übersetzt“ in einen grotesken Rausch der Mächtigen. Aber es ist nicht nur dieses Bild, das sich festgesetzt hat, auch der geniale Schluss, in dem sich für Aida und Radamès tatsächliche eine andere Welt öffnet, ist schwer zu erreichen oder gar zu überbieten. Am Ende muss es Regisseur Oliver Mears wohl auch zu wenig gewesen sein, beiden im Dunkeln sozusagen die Luft abzudrehen. Doch Amneris in dieser imaginären Grabkammer ein Streichholz anzünden zu lassen, das noch viele andere Tote für einen sichtbar macht, ist auch etwas läppisch. 

Ärgerlich ist an dieser Inszenierung zu der Simon Lima Holdsworth die Bühne und Kostüme und Lucy Burge eine an Klischees kaum zu überbietende Choreografie beisteuern, jenes halbherzige, oft an Schmierentheater grenzende Vermischen von allem, was totalitäre Regime zur Demonstration ihrer Macht auffahren. Das entschlossene Soldatenkonterfei gleich zu Beginn im Hintergrund macht klar, dass das anvisierte Bühnen-Ägypten in die Nähe des italienischen und deutschen Faschismus gerückt werden soll. So werden dann die Fahnenträger, die Soldaten, das junge Volk, die werdenden Soldatenmütter und der mutterkreuzlerische Kult um den Nachwuchs, die Kindersoldaten mit den Panzerfäusten über der Schulter oder die Wissenschaftler mit einer ganz großen Bombe in der Siegesparade weniger zu allgemeinen Symptomen jeder totalitären Macht, als zu leicht abgefälschten Zeichen ihrer braunen Originale. 

Daran ändert auch nichts, wenn der alte, immer von einer Krankenschwester begleitete König auf der Tribüne wie weiland die Sowjetgreise auf dem Lenin-Mausoleum steht. Wenn dann der siegreiche Radamès auftaucht, ist der rausgeputzt und fuchtelt mit seinem Marschallstab (den er schon aus dem Feld mitbringt) herum wie weiland Hermann Göring. Die Gefangenen Äthiopier sind hier (mit einer gewissen Konsequenz) ein Trupp von Partisanen oder kaukasische Krieger.

Verwässert

Ein Problem dieser „Aida“ ist ihre Unentschiedenheit zwischen abstrakter Landschaftsgeometrie und politischer Anspielung. Das Politische aber auf einen Mix von präfaschistischer Ästhetik, die alle Zitate in einer Lightversion verrührt, zu reduzieren, verwässert einen solchen Zugang mindestens fahrlässig.

Die private Ebene des Stoffs unterliegt einer Personenregie, die, wenn sie erkennbar wird, in die unfreiwillige Parodie abkippt. 

Geradezu peinlich ist die Szene, in der eine (Gefängnis-)Aufseherin über die Fertigstellung ihres Brautkleides wacht und sich Amneris einen auf Prügelstrafenopfer geschminkten, aber dennoch die Hüften schwingenden jungen Sklaven rausfischt und ihn anzumachen versucht. Wenn auch nur, um die Pharaonentochter und Rivalin Aida zu verhöhnen und damit auch nicht ein gutes Haar an ihr zu lassen. 

War der (nur szenische) Salzburger Aida-Flopp schon ärgerlich, so erinnert jetzt Magdeburg zur Saisoneröffnung mit Nachdruck daran, wie schwer es ist, mit diesem Erbstück Verdis souverän umzugehen. Ein Buhrufer erinnerte im Schlussjubel daran. Der Rezensent muss sich dem an dieser Stelle leider anschließen. 

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