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Ein Flügel als Damoklesschwert. Strauss' „Liebe der Danae“ an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Barbara Aumüller
Ein Flügel als Damoklesschwert. Strauss' „Liebe der Danae“ an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Barbara Aumüller
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Ein Goldregen aus Notenblättern: Kirsten Harms inszeniert Strauss’ „Die Liebe der Danae“ an der Deutschen Oper Berlin

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Kaum eine andere Oper von Richard Strauss verfügt über eine derartig schmale Rezeptionsgeschichte wie sein Spätwerk „Die Liebe der Danae“. Nach der öffentlichen Generalprobe bei den Salzburger Festspielen des Jahres 1944 gab es erst 1952, nach dem Tode des Komponisten, daselbst die Premiere, der weltweit nur fünfzehn weitere Inszenierungen folgten. Kirsten Harms, die diese Oper auch schon in Kiel inszeniert hat, wählte die „Heitere Mythologie in drei Akten op. 83“ als Abschiedsinszenierung in ihrer letzten Spielzeit als Intendantin der Deutschen Oper Berlin.

„Eine Wagner-Oper aus Garmisch“ hat Walter Keller diese Partitur genannt und in seiner Analyse Strauss’ ästhetische Manipulation nachgewiesen: der Komponist übernahm die von Alfred Lorenz für Wagners „Ring“ aufgezeigten Formschemata und ließ sich diese von seinem Librettisten Joseph Gregor mit neuen Versen füllen, in exakter Länge und auch mit den entsprechenden Hebungen und Senkungen der Wagnerschen Vorlage. (Walter Keller: Parsifal-Variationen. Tutzing 1979, S. 152 ff.) Auch jenseits der musikalisch konstruktivistischen Ebene bietet die auf einem Entwurf Hugo von Hofmannsthals fußende dreiaktige Oper allerlei Wagner-Parallelen: Göttervater Jupiter stellt mithilfe seiner Doppelgänger-Figur, dem zum reichen Manne gewandelten Eselstreiber Midas, der extrem goldverliebten Danae nach. Am Hofe des bankrotten Königs von Eos trifft Jupiter seine verflossenen Geliebten Leda, Alkmene, Europa und Semele. Er kann nicht verhindern, dass Danae sich (wie vordem Sophie in Octavian) in seinen menschlichen Boten verliebt, den er dafür mit einem Fluch belegt: Alles, was Midas berührt, wird zu Gold. Aber Danae steht zu ihrem menschlichen Geliebten und zieht schließlich sogar das arme Leben in der Eseltreiberhütte dem Leben in Prunk und Reichtum vor.

Nicht nur an Hofmannsthals Dichtungen gemessen, erweist sich Joseph Gregors Libretto als äußerst medioker. Musikalisch grüßen dazu Wotan und seine Walküren, das Rheingold und der Zauber der Naturgewalten aus Wagners „Ring des Nibelungen“. In ihrer musikalischen Diktion ist Strauss’ Partitur stärker rückwärts gewandt als das Umfeld seines Schaffens und bietet deutlich weniger Reibungen als beispielsweise die „Daphne“. Die „Heitere Mythologie in drei Akten“ orientiert sich in ihrer Komik deutlich an der Dramaturgie von Reinhard Schünzels „Amphitryon“-Film aus dem Jahre 1935 und erscheint ebenso als Versuch einer Erfolgsproduktion für das Massenpublikum der späten NS-Zeit, mit allzu deutlich aufscheinender Durchhalte-Parole und einem problematischen Frauenbild.

Das überaus Wagner-erfahrene Orchester der Deutschen Oper Berlin lässt unter der musikalischen Leitung von Andrew Litton Strauss’ Spätwerk, das neben Wagnerismen auch Klänge eigener Erfolgswerke, insbesondere des „Rosenkavalier“, erneut aufgreift, im klirrenden Goldglanz erstrahlen. Aber Litton scheut sich auch nicht vor der Enthüllung von Grobschlächtigem, wie den Sequenzen im Vorspiel zum dritten Akt. Im schwelgerischen Wohlklang des Orchesters werden die Solisten und der intensiv gestaltende Chor der Deutschen Oper Berlin (einstudiert von William Spaulding) dabei niemals übertönt.

Gleichwohl artikulieren die Sänger häufig textunverständlich, so dass die deutsche Übertitelung für den Opernbesucher eine echte Hilfe darstellt, aber zugleich auch besonders deutlich macht, wo die Inszenierung den Text bewusst negiert. Das Spiel beginnt sinnfällig mit der Plünderung der Kunstschätze des bankrotten Königs Pollux (in Mime-Manier der Tenor Burkhard Ulrich). Nur der zentrale Konzertflügel wird nicht weggeschafft, sondern an den Füßen nach oben gezogen, wo er den ganzen Abend wie ein schwarzes Damoklesschwert baumelt.

Der erste von Jupiter zur Verführung eingesetzte Goldregen besteht aus herabgleitenden Notenblättern, die von Danae aufgesammelt und dem Göttervater am Ende (statt ihrer Goldspange) wieder mitgegeben werden. Einheitsspielort für die fünf Bilder der ersten beiden Akte – mit nur geringfügigen Veränderungen – ist der Thronsaal, der in eingestürzter Form dann auch für die drei Bilder des Schlussaktes zum Einheitsspielort wird (Bühnenbild: Bernd Damovsky). Die dabei entstehende Felsenlandschaft, mit steilen Schrägen auf beiden Seiten, schafft eine Raumlösung, die stark an den dritten Akt der „Frau ohne Schatten“ gemahnt und gleichzeitig den musikdramaturgischen Bezug zum Walkürenfelsen betont.
Der unerreichbar darüber schwebende Flügel, das will das Bild wohl ausdrücken, ist die Utopie der verlorenen Musik einer verlorenen Zeit.

Die besten Momente bietet Kirsten Harms’ Inszenierung, wenn sie sich auf die Absicht der Autoren, eine „Mythologische Operette“ zu verfassen, besinnt. So etwa, wenn Jupiters vier verlassene Geliebte Semele (Hila Fahima), Europa (Martina Weischenbach), Alkmene (Julia Benzinger) und Leda (Katarina Bradic) im Schlafgemach eine Kissenschlacht vollführen, oder wenn der spilastisch an Wagners Loge orientierte Merkur (Thomas Blondelle) sie mit Sahnetorte bedient und die immer noch auf den alternden Göttervater fixierten Gespielinnen Jupiter damit füttern.

Die Verwandlungen ins Gold verlaufen dagegen eher ungeschickt: so dreht sich Midas mit dem Rücken zum Publikum, um die rote Rose in sein Jackett zu stecken und statt deren eine goldene Rose hervorzuziehen. Stimmlich aber macht der im lyrischen Fach gereifte Tenor Mattias Klink als Midas seine Sache sehr gut und zeigt nur in exponierter Lage im dritten Akt, dass es für ihn bis zum Heldentenor doch noch ein weiter Weg ist. Abgesehen von mangelnder Textverständlichkeit und Vokalverfärbungen bewältigt Manuela Uhl die Titelpartie erstaunlich. Die Tatsache, dass der amerikanische Bariton Mark Delavan auch ein gefragter Wotan ist, erweist sich für seine Gestaltung der Partie des Jupiter als Danaergeschenk, denn Delavans Spiel, obendrein mit Umhang und Hut im Habitus des Wanderers (Kostüme: Dorothea Katzer), lässt die Brechung vermissen; auch stimmlich vermag er an Franz Grundhebers Leistung bei den Salzburger Festspielen des Jahres 2002 nicht heranzureichen.

In Berlin hatte im Jahre 1952 im Theater des Westens die Deutsche Erstaufführung dieser Oper und damit zugleich die erste „Danae“-Inszenierung nach der Uraufführung stattgefunden. An der Deutschen Oper Berlin feierte das Straussbegeisterte Publikum die Premiere ohne jeglichen Widerspruch und mit geradezu claqueurartigen Bravorufen.

Weitere Aufführungen:
23., 27. Januar, 5., 13. Februar, 19. März, 9. April 2011

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