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(v.li.) Dietrich Henschel, Jean Broekhuizen, Norman Reinhardt, Morgan Smith, Soula Parassidis. Foto: Andreas Birkigt
(v.li.) Dietrich Henschel, Jean Broekhuizen, Norman Reinhardt, Morgan Smith, Soula Parassidis. Foto: Andreas Birkigt
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Ein Puppenheim – Peter Konwitschny inszeniert Mozarts „Così fan tutte“ an der Oper Leipzig

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Wer wen, das ist hier die Frage. Ein Warum scheint es gar nicht zu geben. Vom Wie ganz zu schweigen. Die Oper Leipzig bringt Mozarts „Così fan tutte“ heraus und akklamiert das Lustspiel mit dem Versprechen „Und plötzlich ist alles ganz anders“. Dessen Einlösung liegt auf der Hand, schließlich inszeniert Chefregisseur Peter Konwitschny.

Von dem sind ja einige durchaus geniale Regiearbeiten in bester Erinnerung – und jede war „ganz anders“ als die brav biederen Umsetzungen so mancher Routiniers. Nun also „Così“ in der Handschrift des Haus-Meisters von Leipzig.

Ein Lustspiel also. Leider kein Lust-Spiel. Denn die Geschichte beginnt mit zwei Offizieren, da vergeht bekanntlich alle Lust. Und wie das bei Militärs nun mal so ist, kommen sie entweder auf keine oder auf dumme Gedanken. Manchmal müssen sie selbst darauf erst noch gebracht werden. So tranig stimmt die Uniform. Ferrando und Guglielmo sind sich, wie alle trüben Soldaten, ihrer Sache sehr sicher. Das Leben könnte so weitergehen bis zum letzten Schuss. Sie sind, was sie sind, und sie sind sogar schon verlobt. Was müssen das nur für Frauen sein, die sich auf derartige Uniformständer einlassen?!

Treue Frauen, da sind sich die beiden Haudegen sicher. Mag Don Alfonso noch so sehr sticheln, von wegen Frauen und Treue. Das schließt sich doch aus! Die beiden glauben ihm nicht, lassen sich aber aufs Experiment ein und prüfen in einer Verwechslungskomödie die Sittsamkeit ihrer Verlobten Fiordiligi und Dorabella. Ein hübscher Plot, den sich im Jahre 1789 Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte da ausgeheckt haben. Das kann frivol inszeniert werden, anspielungsreich witzig, mit mancherlei Seitenhieb auf die Moral und ihre Untiefen.

Das kann aber auch schon in der Ouvertüre krachend gegen die Musik gebürstet sein, wenn Texttafeln mit dem inhaltlichen Tiefgang mancher Fernsehformate auf die Bühne knallen und die Mühen des prägnant aufspielenden Gewandhausorchesters konterkarieren. Das kann dann in einem Henri Rousseau nachempfundenen Gartenstück fortgesetzt werden, durch das die schönen Schwestern auf Knien krabbeln, um – nach der Verkleidung ihrer Verlobten – in einem wolkigen Kuckucksheim auf zwei schwänzelnde Manns-Attrappen in Tiger- und Leopardenfellimitaten zu treffen. Das kann dann rasch höchst prickelnd erotisch werden, wenn die beiden Herren Militärs ihre Verführungskünste als ein Manöver in Unterwäsche abfackeln. Wer würde da nicht gleich hinschmelzen?! Noch frecher wird es, wenn ein paar Damenkleider zum Feinripp aus dem Söldnerspind übergestülpt werden. Igitt!

Doch Eros schaut bekanntlich nicht nur auf Äußerlichkeiten, sondern lässt sich gern von anspielungsreich feiner Gestik stimulieren. Die gelingt hier weitgehend anspielungsrein. Statt sattem Gebalze wird über den Boden gerobbt und auch mal mit bunten Tüchern gebolzt. Wohl noch nie musste beim pikanten Duett „Und was pocht denn da?“ so dröge gegen die Lust angespielt werden.

Immerhin durfte Don Alfonso einen Meister Diabolus geben, der die Fäden, wenn sie denn schon längst nicht mehr verheißungsvoll waren, in der Hand zu halten versuchte. Wo er Schwierigkeiten damit bekam, engagierte er Hausmädchen Despina, das auch mal als Arzt und Notar herhalten musste, den Ausgang der Tragikomödie aber auch nicht verstand. Die Story, sie ist natürlich bekannt. Doch wurde sie je schon einmal so durch den Fasching gezogen?

Wer es vergessen hat (und das konnte beim Besuch dieser einst an der Komischen Oper Berlin herausgebrachten Inszenierung, die nun in Leipzig Premiere hatte, durchaus geschehen), sei daran erinnert, das Peter Konwitschny Regie führte. Ein Meister der psychologischen Ausdeutung, einer, der Charaktere und Persönlichkeiten auf der Bühne zu formen vermag. Hier sind ihm Schablonen gelungen, eingebettet in bonbonfarbene Kostüme von Michaela Mayer-Michnay und in ein Bühnenbild von Jörg Kossdorff, das je nach Bedarf von Versatzstücken aus Fotomontage und Puppenstubenheim lebt.

In diesem Ambiente brillierten Soula Parassidis und Jean Broekhuizen als Schwesternpaar Fiordiligi und Dorabella mit ungemein schönen Stimmen, die sauber akzentuiert wurden und eine vokale Dramatik erzielten, die inszenatorisch leider vollends auf der Strecke blieb. Young Hee Kim als schrille Despina fiel dagegen deutlich ab und bekam in der Premiere schon lange vorm Finale den Unmut des Publikums zu spüren. Respekt gebührt ihr für die Fortsetzung des Abends mit den immergleichen Mitteln. Dietrich Henschel, der schon in Berlin ein herausragender Don Alfonso gewesen sein soll, agiert auch hier spielerisch gewandt und sängerisch mit bezwingendem Timbre, wenn auch mitunter in recht eigenwilligem Tempo. Auch Morgan Smith und Norman Reinhardt als Guglielmo und Ferrando blieb gar nichts anderes übrig, als strahlend stark zu singen, während sie dümmlich kostümiert so überaus dumpfbackig kasernenklug zu agieren hatten. Der Chor der Oper Leipzig, einstudiert von Stefan Bilz, sang seine kurzen Auftritte gewohnt klangschön, ohne sich als Ensemble für den finalen Klamauk schonen zu dürfen.

Denn plötzlich ist alles wie immer. Grelles Saallicht – Achtung: Das geht uns alle an! – platte Textbausteine und Parolen – damit es auch wirklich alle kapieren! – und in den verschobenen Maßstäben zuletzt noch eine harsche Unterbrechung – Hamburgs „Meistersinger“ lassen grüßen, dort stand die zwergenhafte Festwiese inmitten von Dürers riesigem „Rasenstück“ still. Der Strippenzieher Alfonso ruft „Aus!“, der Spielmeister hat den Faden verloren …

Nach knapp vier Stunden dieser fast ungekürzten „Così“ in deutscher Sprache (Textfassung: Bettina Barz und Werner Hinze) dürfte er da nicht der einzige gewesen sein. Immerhin hat Gastdirigent Andreas Stoehr bei seinem Leipzig-Debüt die Übersicht behalten, um Ensemble und Gewandhausorchester ausgewogen und zumeist fein differenziert durch den Abend zu leiten. Das Opern-Mausoleum am Leipziger Augustusplatz hat wahrlich schon bessere Zeiten gesehen.

www.oper-leipzig.de

Aufführungen: 10. März, 7. April, 14., 25. Mai, 29. Juni 2011
 

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