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Das Maskottchen der Bayreuther Kinderoper 2012
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Innovation durch die Jüngsten: „Die Meistersinger von Nürnberg“ als Oper für Kinder bei den Bayreuther Festspielen

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Als vierte Produktion der ausschließlich durch Sponsoren finanzierten Reihe „Wagner für Kinder“ stehen auf Probebühne 4 des Festspielhauses in diesem Jahr erstmals „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf dem Programm.

Mit Bezug auf Katharina Wagners „Meistersinger“-Inszenierung, in der bildende Kunst mit Meistergesang gleichgesetzt wird, lässt Regisseurin Eva Maria Weiss Nürnberg auf allerlei grünen Tafeln entstehen. Die Ouvertüre wird geboren aus dem Unisono-Singsang der Kinder, die zum Meistersinger-Thema die Stadt Nürnberg in ihren Facetten als naive Malerei entstehen lassen, so wie später die Blumen der Festwiese.

Sogar die Sicht der Wagner-Urenkelin auf Beckmessers mögliche musikalische Avantgarde-Funktion wird tangiert durch einen Satz Pogners, der in Hartmut Keils verknappenden Dialogtexten anmerkt: „Herr Beckmesser hatte keine Chance – mit seiner außergewöhnlichen Version“, worauf ihm Lachen der Lehrbuben-Kinder antwortet, die zu Stolzings Preislied geschunkelt hatten.

Dirigent Marko Zdralek hat Wagners Partitur selbst sehr geschickt reduziert, horizontal und vertikal. Das Finale des ersten Aufzugs gleitet unmerklich in Sachs’ Flieder-Monolog, andere Übergänge lassen Wagner harmonisch kühner erscheinen, als er es in den „Meistersingern von Nürnberg“ ist. In Zdraleks Einrichtung der Partitur für zweifaches Holz und Blech, bei nur einer Flöte und einer Trompete, Harfe (inklusive Beckmesser-Harfe) und Schlagzeug, sowie einer Streicherbesetzung von 4-3-3-3-2, kommt das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt mit nur 29 Instrumentalisten aus, die gleichwohl für einen vollen und darüber hinaus stets durchsichtigen und reinen Wagner-Sound sorgen.

Gesungen wird auf sehr hohen Niveau, insbesondere Jukka Raislainen ist ein ausgezeichneter Hans Sachs. Ralf Lukas sorgt als Beckmesser auch mit Mitteln stimmlicher Gestaltung für Komik, und Martin Snell leiht dem sonst mehr seriösen Pogner, der hier auch die finale Strophe des Nachtwächters mit übernimmt, ebenfalls echte Komik. Stefan Heibach als David gestaltet die ausgewählten Weisen lyrisch und kraftvoll, und die bereits im „Ring“ für Kinder positiv aufgefallene Christiane Kohl bewährt sich als Eva. Auch Heiko Börner als Walther von Stolzing meistert die verkürzte Partie, wenn auch mit stimmlichen Ermüdungserscheinungen.

Der eigentliche Gewinn dieses Sommers in musikalischer Hinsicht sind die jüngsten Mitwirkenden: der Kinderchor der Phromsschule aus Frankfurt, 16 sehr junge Mädchen, welche die Lehrbuben spielen und singen, von nur zwei älteren weiblichen Lehrbuben unterstützt, auch trefflich in den Ensembles, beim Wach auf-Chor und in den Finales. 

Die Form der Spieloper mit gesprochenen Dialogen hatte Wagner nach Abschluss seiner Komposition der Komischen Oper „Männerlist größer als Frauenlist“ überwunden, – bei „Wagner für Kinder“ feiert die alte Form fröhliche Urständ, auch in der neuen Bearbeitung der „Meistersinger“ für Kinder lösen sich gesprochene und gesungene Szenen ab.

Diesmal waren es Schüler aus Frankfurter Schulen, die in einem Mal-Wettbewerb ihre Ideen für eine szenische Realisierung der „Meistersinger“ entwickelt hatten. Deren Entwürfe stehen nun Pate für das Design der großenteils originell bemalten Kostüme. Ungewöhnlich sind die Frisuren der handelnden Personen: so ist die Perücke des Kupferschmieds Hans Foltz (Christian Tschelbiew) aus Kupferteilen gefertigt, Kürschner Kunz Vogelgesang (Maximilian Argmann) sitzt ein Pelztier auf der Schädeldecke, und in den Kopf von Würzkrämer Ulrich Eisslinger (Willem van der Heyden) scheint eine Schale mit Schnittlauch eingewachsen. Eva, die einen geteilten Apfel als Kopfputz auf ihren Dreadlocks trägt, füttert auch den Drahtesel, mit dem Walther nach Nürnberg kommt, mit einem Apfel.

Das gestrichene „Euch leih’n die Meister ein willig Ohr“ wird optisch aufgegriffen überhöht, denn die Meister lauschen durch ein großes Ohr am Stethoskop. Da er im zweiten Aufzug gerade eine neue Schuh-Kollektion entwirft, klopft Sachs seine Zeichen bei Beckmessers Ständchen lautstark mit Kreide. Auch die Stichworte von Walthers Preislied schreibt er (mit links) per Kreide auf eine große Tafel.
Und das unsichtbare Horn des Nachtwächters wird als Schnäuzen gedeutet.

Auf diese Weise wird die Handlung im besten Sinne plakativ und stringent erzählt, ohne Quintett und ohne Zunftchöre, aber doch mit (reduziertem) Wahn-Monolog und Schlussansprache, ohne die „nationale Verdüsterung“ (Alfred Lorenz). Die erotische Beziehung von David und Magdalene fällt dabei – außer einem Hinweis per Kreidezeichnung – unter den Tisch, und damit auch der für Kinder fragwürdige, hier sehr deutliche Altersunterschied zwischen Evas Amme (Simone Schröder) und David.

Die innovative, rundum gelungene Kurzfassung von nur 70 Minuten erntet berechtigt heftigen Publikums-Jubel, sowohl bei den erwachsenen Wagner-Kennern, wie bei den kindlichen Neulingen.

Weitere Aufführungen: 27., 28., 30., 31. Juli, 2., 3. 4. August 2012.

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