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„Salome“ in Münster. Foto: Jochen Quast
„Salome“ in Münster. Foto: Jochen Quast
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Kein richtiges Leben für Salome: Georg Köhls Strauss-Inszenierung in Münster

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Sie geht nun bald zu Ende, die erste Spielzeit des Theaters Münster mit seinem neuen Intendanten Dr. Ulrich Peters an der Spitze. Vor ihm lag eine nicht ganz einfache Aufgabe, schließlich galt es, einen bleiernen Mantel stückweise zu heben. Einen Mantel, der sich, was die künstlerische Kraft und Ausstrahlung des Theaters in Stadt und Region angeht, in der Amtszeit von Peters’ Vorgänger Wolfgang Quetes über das Haus ausgebreitet hatte. Auch den stickigen Muff, der dort zuletzt vorherrschte, konnte Peters, vom Münchner Gärtnerplatztheater kommend, in der Westfalenmetropole anfangs erst einmal kaum lüften.

Ralph Benatzkys „Im weißen Rössl“ hatte Ulrich Peters sich als Einstand auserkoren. Aber diese Geschichte mit durchaus kritischem Potenzial entpuppte sich entgegen aller Erwartungen nicht als ein großer Knaller, sondern als die Fortsetzung dessen, was das Gros des münsterschen Publikums schon zuvor acht Jahre lang nicht hatte sehen wollen: Operette zum Schenkelklopfen. Dennoch fällt jetzt, nach fast einer Spielzeit, die erste Bilanz für Ulrich Peters doch sehr ordentlich aus, das Theater Münster ist auf einem guten Weg. Das Schauspiel findet große Beachtung. Und das Tanztheater wird begeistert angenommen, auch wenn zu Beginn der Saison viele dem vor die Tür gesetzten Compagniechef Daniel Goldin nachgetrauert haben.

Nun ist über die jüngste Musiktheater-Premiere zu berichten: ein Erfolg, wie Münster ihn seit langem nicht mehr erleben durfte. Regisseur Georg Köhl hat das Drama auf die Bühne gebracht, Dreh- und Angelpunkt seiner Inszenierung ist Salomes Schleiertanz – ein Moment höchster Konzentration, in dem Salome nicht nur den Wunsch ihres Stiefvaters Herodes erfüllt.

Georg Köhl geht weiter und thematisiert die Psyche des gesamten Personals und seine Beziehungen untereinander. Eine psychologisch absolut schlüssige Szene, die Hans Henning Paar, Münsters neuer Ballettchef, genial choreografiert. Ein Tanz ist da zu erleben, der nicht perfekter zu Richard Strauss’ Musik hätte ersonnen werden können. Sowohl Jochanaan als auch Herodes werden von Tänzern gedoubelt – und damit stehen sich die beiden Männer-Extreme in Salomes Gedankenwelt direkt gegenüber. Herodias schaut dabei genüsslich von ihrem Rollstuhl aus zu, den eifernden Juden kommen erotische Fantasien. Keine Frage, diese Gesellschaft ist verkommen und dekadent – aber es ist Salomes reale Lebenswelt, aus der sie vergebens auszubrechen versucht. Ihr Bild von Jochanaan als rettender Heiliger: ein Trug!

Annette Seiltgen spürt dieser Salome mit allen Fasern ihres Körpers und allen Klängen ihrer Stimme nach – ein geradezu rauschhaftes Rollenporträt gelingt ihr da, angelegt zwischen tiefster Zerbrechlichkeit und unerbittlich gebieterischer Geste. Suzanne McLeod als Herodias im Liz-Taylor-Outfit ist eine hämische Mutter mit grandioser Bühnenpräsenz (Stimme eingeschlossen), Adrian Xhema ein kultivierter, stellenweise aber nicht genügend kraftvoller Herodes. Würdevoll und ungebrochen selbstbewusst gestaltet Gregor Dalal den Jochanaan, der hier als urwüchsiger Typ mit Rastalocken daherkommt. Das Ganze spielt sich ab in einer eher nüchternen Atmosphäre mit Wänden aus geometrischen Formen. Das unterstützt noch einmal den psychologischen Charakter dieser Inszenierung. Ausstatter Peter Werner konnte die Premiere nicht mehr erleben: er starb im April 2013.

Bestens in Form: das Sinfonieorchester Münster unter Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura. Welch eine klangliche Sogkraft er da aufbaute, war schlichtweg enorm. Aber auch die zarten Töne, die intimen Farben der Partitur bekamen den notwendigen Raum, nicht nur das Wuchtige. Riesenjubel im Theater Münster – soviel Applaus und Standing Ovations hat es lange nicht mehr gegeben.

Die nächsten Termine: 24. Mai, 1. Juni, 13. Juni, 23. Juni

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