Hauptbild
Zarah Leander in „Damals“ von 1943
Zarah Leander in „Damals“ von 1943
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Konträr zu Hollywood: ein Würzburger Symposium zur Mu­sik im Un­ter­hal­tungs­ki­no des Drit­ten Reichs

Autor
Publikationsdatum
Body

Im Dritten Reich produzierte Filme gelten als propagandistisch, doch so einfach ist das nicht. Natürlich war das Unterhaltungskino für die Nazis ein wirkungsvolles Propagandainstrument. Der Anteil echter Propagandafilme an den knapp 1.100 zwischen 1933 und 1945 entstandenen Spielfilmen betrug jedoch nur 14 Prozent. Wobei auch in den Komödien und Melodramen ideologische Werte vermittelt wurden. Die Filmmusik hatte daran einen erklecklichen Anteil.

Um 1930 war die Filmindustrie so weit, Tonfilme zu produzieren. 1931 wurden die letzten beiden Stummfilme hergestellt. Bis ins Jahr 1933 hinein zeigten die Kinos allerdings immer noch Filme ohne Ton, so Professor Dr. Michael Wedel von der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen bei einer Tagung an der Würzburger Musikhochschule: Es dauerte, bis sie mit Lichttonanlagen ausgestattet waren. Mit der neuen Lichttontechnik kamen verschiedene Genres von Musikfilmen auf: Opern- und Operettenfilme, der Sängerfilm, der visuell aufgeladene Revuefilm (der sich der Nazi-Ideologie am meisten darbot) sowie die musikalische Komödie. Musikfilme im weitesten Sinn machten 25 Prozent der Spielfilmproduktion im Dritten Reich aus.

In den Filmen der 1930er Jahren stehen die Dialoge alleridings noch meist nackt da, Begleitmusik galt in den ersten Jahren der deutschen Tonfilmära offenbar als relativ unnötig. Professor Dr. Christoph Henzel von der Würzburger Musikhochschule, der die Forschungen zur Filmmusik in der frühen Tonfilmzeit vorantreiben will, konstatiert: „Der Film ruhte noch auf den Stars und dem Regisseur.“. Dadurch unterschied sich die deutsche Tonfilmsymphonik von derjenigen Hollywoods. Grenzten sich Deutschlands Filmkünstler bewusst vom Hollywoodstil ab? Oder wie sonst lässt sich diese spezifische Entwicklung erklären?

Die Frage, welcher Stellenwert und welche Funktionen Filmmusik im Dritten Reich hatte, wurde von der Film- und Musikwissenschaft bislang kaum behandelt. Wie haben Komponisten in den 1930er und 1940er Jahren gearbeitet? Wie kamen sie an Aufträge? Was verdienten sie? Wie verlief die Kooperation mit den Regisseuren? Antworten sind schwer zu finden, gibt es doch kaum Nachlässe von Filmkomponisten, die im Dritten Reich tätig waren. Zu den wenigen erhalten Zeugnissen zählen die Tagebücher von Ralf Benatzky. Aus ihnen geht etwa hervor, dass der Musiker traumhafte fünf Monate Zeit hatte, um die Musik zum Film „Zu neuen Ufern“ zu komponieren.

Falsch liegt, wer behauptet, Filmmusik im Dritten Reich habe die Wirkung der Bilder lediglich verdoppelt und verstärkt. Der 1940 uraufgeführte Schiller-Film „Triumph eines Genies“ mit Horst Caspar und Heinrich George beweist laut Henzel, dass Musik durchaus eine eigene Bedeutung entfaltete. Als sich der Offizier, der Schiller passieren lässt, zur „Räuber“-Lektüre niedersetzt, setzt das achttaktige Streicherthema von Herbert Windt ein. Die Kamera wechselt zu Schiller, der in der Kutsche sitzt. Die Musik, die sich allmählich zur Schlussapotheose steigert, drückt den Triumph nicht des Individuums Schillers, sondern den der mit Schiller verbundenen Idee aus.

Erst in den späten 1930er Jahren setzte eine üppigere Untermalung von Affekten wie Zorn oder Freude mittels nichtdiegetischer, also nicht in die Handlung eingebetteter Musik ein. Ein typisches Beispiel hierfür ist der 1943 uraufgeführte Film „Damals“ mit Zarah Leander. Durch die von Lothar Brühne und Ralph Benatzky komponierte Musik wird sudamerikanisches Lokalkolorit erzeugt, in den Rückblenden schlägt die Musik Brücken über Zeitsprünge hinweg, durch Underscoring werden Emotionen modelliert. Interessant jene Szene, wenn Veras Eheglück zerbricht. Die erregten Dialoge zwischen den Ehegatten sind mit leichter, Distanz bewirkender Trauermusik unterlegt.

Gerade an der Ufa-Produktion „Damals“ wird ersichtlich, dass Film und Filmmusik im Dritten Reich durchaus einander widersprechende ideologische Werte transportieren konnten, so Dr. Matthias Hurst vom European College of Liberal Arts in Berlin. Zu Beginn des Films singt Zarah Leander das sehnsuchtsvolle Lied „Bitte an die Nacht“, womit sie vermittelt, wie eine Frau, die ihre Karriere als Ärztin geopfert hat, im Familienglück aufgeht. Nach etwa einer Filmstunde, das Familienidyll ist zerbrochen, wartet sie als Varietésängerin mit dem der Nazi-Ideologie widersprechenden, anzüglichen Lied „Jede Nacht ein neues Glück“ auf.

Die Botschaft dieser unpathetischen Filmsequenz - eine von ihrem Liebhaber verschmähte Frau entschiedet sich für ihre Unabhängigkeit - wird am Ende des Films wieder aufgehoben. Veras Mann, der den aufgebauschten Streit und die anschließende Trennung mittlerweile bereut hat, rettet seine Gattin, die in einen Kriminalfall verwickelt ist, aus dem Gefängnis. Als Vera aus dem Gefängnis tritt und ihrem Mann entgegenläuft, erklingt eine nichtdiegetische, also nicht in die Handlung eingebettete, sinfonische Variante des von ihr anfangs am Klavier interpretierten Liedes „Bitte an die Nacht“. Der Status quo ist wiederhergestellt.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!