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Dominik Susteck
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Luftschwirrende Klänge: „Himmel und Erde“ – ein Konzert in der Kunst-Station St. Peter Köln

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Kurze, fast kreischende helle spaltartige Klänge, abgehackt, plötzlich wieder kehrend, sich wiederholend, minimal erweitert, durch punktartige dunklere Cluster ergänzt, vor einem schwirrenden Orgel-Luft-Bass im Dunkel das Helle kontrastierend, dichtere Toncluster bilden harte Gegensätze, graben sich eindrucksvoll ins Ohr. Christina C. Messners Stück „erdwärts – himmelan. Vom Schweben und Sinken“ für Orgel wurde von Dominik Susteck eindrucksvoll uraufgeführt.

Fast ließen die „erdwärts“ gedachten Tontrauben bedrohliche Szenarien assoziieren, sie lösten sich auf in vermeintliche tonale ausklingende Phasen, die aber, kaum dass sie gehört wurden, wieder durch Töne in bedrängender hoher Tonhöhe zerstört wurden. Eine Beruhigung fand nur im Augenblick statt, das Schweben der „himmelan“ führenden Töne war kurz, punktuell. Susteck nutzte das Klangspektrum der Orgel-Komposition phantasiereich aus, keinen Augenblick ließ die Spannung nach.

Das Stück „Himmelsspalt“ für Orgel von Charlotte Seither, bereits vor etwa zehn Jahren entstanden, spiegelte in seiner bedrängenden Gegensätzlichkeit und der Vielfalt der Tonschattierungen durch die Registrierung eine dynamisch bedrängende Welt, die keine dauerhafte Beruhigung kennt. Über die luftschwirrenden Klänge der tiefen Orgelregister begegnen sich unterschiedliche Bewegungen, mal rhythmisch wie eine Schlagzeugbatterie, jazzig mitunter, die Pianophase wird plötzlich unterbrochen, Erschrecken, Verstörung, kein Innehalten, jeder Versuch des stillen Nachdenklichen wird durch die unvermittelten Clusterstörungen ad absurdum geführt. Auch hier gelang Dominik Susteck eine intensive klangvariable Interpretation.

In diesem Konzert der Reihe „Schlüsselwerke Neuer Musik“ des ON-Neue Musik Netzwerkes Köln erklangen in der Kunst-Station St. Peter Köln zwei Werke der frühen musikalischen Experimente, „Sequenza III“ für Frauenstimme von Luciano Berio und „La fabricca illuminata“ von Luigi Nono. Berio veränderte in seiner Komposition die Vorstellungen von dem, was die Stimme an Klängen produzieren kann. Nicht mehr „nur“ tonschön gesungene Töne sind Teil des Ausdrucksspektrums, sondern Artikulationsstufen von Sprachklängen, Wiederholungen von gelachten Klängen, Summen, Schnalzen, Flüstern und doch nochmal zwischendrin einzelne schwebende gesangsklänge.

Berio dekomponiert die Sprache, das Gedicht Markus Kutters, das selbst schon Gedanken chiffriert. Irene Kurka, Sopran gestaltete das Stück souverän, kostet die Möglichkeiten der Klangerzeugung durch die Sprachwerkzeuge aus, tonschön und spannend, auch da wie die Klänge die Geräuschhaftigkeit erreichen. Luigi Nonos „la fabricca illuminata“ für Sopran und Tonband ist ein musikalischer Protest gegen die unmenschlichen Bedingungen der Arbeit in einer Autofabrik. In seinem Werk, das ein „Schlüsselwerk“ der Neuen Musik auch in der Kombination der Stimme mit der Elektronik ist, kontrastiert der elektronische Stimmchor, der sich über Sprache artikuliert, im Gegensatz der Frauen- und Männerstimmen, immer aber im Protest, der gestalteten Wut, mit der einzelnen reflektierenden Stimme des Soprans. Irene Kurka sang dies Stück engagiert, die Klangregie Luis Antunes Pena sorgte für ein ausgewogenes Verhältnis der Solostimme zu den Tonbandklängen. Zuletzt bleibt die Stimme allein übrig, verklingt leise. Hat der Protest genutzt? Im Verklingen liegt Resignation.

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