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James Allen Smith im Leipziger „Ring für Kinder“. Foto: Tom Schulze
James Allen Smith im Leipziger „Ring für Kinder“. Foto: Tom Schulze
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Märchenhaft und anspruchsvoll: „Der Ring für Kinder“ in Leipzigs Musikalischer Komödie

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Vielleicht ist das eine Art ausgleichender Gerechtigkeit: Die Mailänder Scala startet ihre Saison mit Wagners „Lohengrin“, Leipzig hat das Wagner-Jahr 2013 mit Verdis „Nabucco“ begonnen (siehe nmz Online vom 7.1.2013). Am vergangenen Wochenende aber nahm auch die Geburtsstadt des Dichter-Komponisten den Reigen ihrer Wagner-Ehrungen auf – mit einem „Ring für Kinder“.

Den „Ring des Nibelungen“ gab es in Richard Wagners Geburtsstadt, wo 1878 der erste komplette „Ring“ außerhalb Bayreuths aufgeführt worden ist, inszeniert von Operndirektor Angelo Neumann, schon lange nicht mehr. Zuletzt hatte Regisseur Joachim Herz als Neumanns später Amtsnachfolger in den Jahren 1973 bis 1976 die Tetralogie dort geschmiedet. Unmittelbar darauf folgte Patrice Chéreaus sogenannter „Jahrhundert-Ring“ in Bayreuth – die immer weniger werdenden Zeitgenossen, die beide Arbeiten miteinander zu vergleichen vermögen, sehen nach wie vor die Herz-Fassung als interpretatorisches Vorbild.

Zum Wagner-Jahr 2013 wollte die in jüngster Vergangenheit mehrfach neu zusammengewürfelte Opernleitung in Leipzig dezidiert keinen „Ring“ formen. Ob dies nun aus Arroganz oder aus Furcht resultierte, sei dahingestellt – begründet wurde es meist mit dem vagen Hinweis, wenn das „alle anderen“ tun, müsse Leipzig nicht nachziehen. Als dramaturgischer Kontrapunkt sollte ein Gluck-Ring dastehen.

Nachdem zwischenzeitlich einige Würfel gefallen und Personalien neu besetzt worden sind, zieht die Oper Leipzig nun doch mit einer ganz eigenen Wagner-Ehrung noch nach. Das Frühwerk des Meisters soll in Koproduktion mit den Bayreuther Festspielen herauskommen, „Die Feen“ haben am 16. Februar ihre Premiere in Leipzig. Diese Inszenierung des französischen Schauspielers, Tänzers, Choreografen und Regisseurs Renaud Daudet wird Hausherr Ulf Schirmer musikalisch leiten; als Wiederaufnahmen folgen „Rienzi“ und „Die Meistersinger von Nürnberg“, den „Fliegenden Holländer“ wird es konzertant geben, „Parsifal“ steht im Spielplan und neben einem „Ring ohne Worte“, der im Mai während der Richard-Wagner-Festtage der Stadt herauskommen soll, wird in der Tat eine szenische Version dieses Opus magnum angegangen, zumindest „Das Rheingold“ und „Walküre“ sind für 2013 vorgesehen. Im nun doch umfangreich angewachsenen Wagner-Programm der Stadt finden sich „Das Liebesverbot“ konzertant, „Ein Liebestraum“ als Ballett, „Wagner in Jazz“ und „Wagner im Film“; es soll Operntranskriptionen für Orgel, das Opernfragment „Die Hochzeit“ und sogar eine szenische „Götterdämmerung“ der Universität zum Geburtstag geben.

„Der Ring für Kinder“ läutete jetzt an der zur Oper Leipzig gehörenden Musikalischen Komödie dieses Wagnerianischen Festreigen ein. Die Zwei-Stunden-Fassung der Tetralogie entstand als Auftakt zu den diesjährigen Koproduktionen zwischen Bayreuth und Leipzig. In Franken war diese von Hartmut Keil und Maximilian von Mayenburg gefertigte Version bereits mit großem Erfolg zu sehen (siehe nmz Online vom 26.7.2011). Die ersten beiden (von insgesamt sieben) Aufführungen im sogenannten Haus Dreilinden vermochten das durchaus zu bezeugen. Das überraschend exzellent aufspielende Orchester des Operetten- und Musicaltheaters faszinierte durchweg mit feinsinniger und ausgewogener Klangstärke, überzeugte mit Gruppen- und Sololeistungen, muss von Stefan Diederich am Pult also ganz bravourös auf diese Produktion eingestimmt worden sein.

Ein „Ring“ für Wagnerianer und solche, die es werden wollen

Die Regie von Jasmin Solfaghari, der gemeinsam mit Frank Schmutzler auch das Bühnenbild oblag, ist nicht als kindgerecht in anbiederndem Sinne zu bezeichnen, sondern bestach das mehrere Generationen umfassende Publikum mit eindringlicher Spannung. So fasziniert man Wagnerianer und solche, die es werden wollen! Bühne und Orchestergraben sind klein in diesem Haus, aber ausreichend für klangliche und optische Opulenz, wenngleich hier und da technische Tricks vonnöten waren. Unaufdringlich wurden stellenweise Mikrofonierungen eingesetzt, anderswo gab es gelungene Spielereien mit Nebel, Feuer und Wasser. Im „Rheingold“ wogten die Stoffbahnen so echt, dass sie für offene Münder sorgten, bei Brünnhildes Feuerring waberten die Flammen so täuschend, dass die echte Fackel von Wotans Tochter, als sie das Wolkenkuckucks- oder eben Nibelheim schlussendlich in Brand setzen wollte, schon gar nicht mehr auffiel.

Je nach Alter und Erfahrung waren die jungen Zuschauer von den Instrumenten, den Stimme, oder eben den fabelhaften Details auf der Bühne fasziniert. Von Wotans Augenklappe natürlich, von Mimes Schmiedewerkstatt, wo es erst Siegfried gelingt, Schwert Nothung erneut fest zu schmieden; fasziniert aber auch vom Lindwurm, dem Drachen, von den Verwandlungen Alberichs, der als Kröte ausgetrickst und gefangengenommen wird, von den Projektionen, die für Wald auf Erden und Schloss im Himmel stehen sollten. Das ist Theater pur, kein billiges Kindertheater, sondern märchenhaft und anspruchsvoll. Chapeau!

Natürlich mussten zahllose Szenen gestrichen werden, um auf die zweistündige Spieldauer zu kommen. Doch erstens hätte ein Mehr für die Jüngsten im Saal rasch ein Zuviel bedeutet und zweitens – dies wohl die eigentliche Überraschung – hat auch den Älteren und vermutlich Wagner-Affinen am Ende kaum was gefehlt. Schlüssig wurde erzählt, was mit dem Raub des Rheingoldes ausgelöst worden ist. Aufregend ist die Jagd nach dem Ring in Szene gesetzt worden. Spannend wurden die kleinen und größeren Kämpfe ausgetragen. Witzig und auch mal ans Gemüt gehend sind die emotionalen Seiten hervorgekehrt worden.

Offen bleibt so mancher Bezug, die familiären Verquickungen etwa zwischen Sieglinde und Siegmund, die spezielle Rolle des Drachenbluts für Held Siegfried und sowieso das ganze Gebarme um Walhalla mit dem schlussendlichen Weltenbrand. Der fällt hier ins Wasser, Brünnhilde läuft zwar mal mit erwähnter Fackel im Kreis rum, knipst deren Feuer dann einfach aus und der „Ring für Kinder“ hat ein glückliches Ende. Das Gleichgewicht der Welt ist wiederhergestellt.

Loge als munterer Spielmeister

Jede Wucht von Philosophie hätte aber wahrscheinlich das eigentliche Zielpublikum vor unlösbare Fragen gestellt. Viel erfreulicher war doch, dass sie mit hoher Aufmerksamkeit aushielten auch nach der Pause zwischen „Walküre“ und „Siegfried“. Dass jeder einzelne Teil abendfüllend ist, darf den Kindern noch eine Weile aufgespart bleiben. Hier haben sie aber ein Gespür dafür bekommen, wie faszinierend Musiktheater sein kann. Erklärende Monologe zwischen dem Gesang halfen, den verkürzten Fluss der Geschichte am Laufen zu halten, insbesondere Feuergott Loge hat dafür den munteren Spielmeister gegeben. Andreas Rainer gelang da ein sympathischer Brückenschlag zwischen Bühne und Parkett. Gesanglich hat er als Loge und Mime tenorale Größe bewiesen, übertroffen allenfalls nur noch von James Allen Smith als Siegmund und Siegfried, der zwar nicht immer textverständlich blieb, sich aber heldenhaft strahlend nicht nur in die Herzen von Sieglinde (Ruth Ingeborg Ohlmann) und Brünnhilde (Josefine Weber) sang. Beide Damen überzeugten mit Spiellaune und Stimme, auch alle weiteren Partien („Der Ring für Kinder“ kommt mit nur einem Dutzend an Sängerdarstellern aus!) verbanden Ensemble- und Gastbesetzung mit erstaunlicher Harmonie. Der Wotan von Milko Milev zum Beispiel ist einer, der im „echten“ Nibelungen-Reigen nichts zu suchen hätte – zu operettig ist der Göttervater angelegt. Für diese Produktion aber genau recht – und mit enormem Ausdrucksvermögen im stimmschönen Bariton vorgetragen.

Dass die farbenfrohen Kostüme für diese Kinderwelt wie geschaffen waren, liegt daran, dass sie von Berliner Schülerinnen und Schülern tatsächlich dafür geschaffen worden sind.

Termine: 2. und 3.2., 13.3., 21.5.2013

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