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Foto: Falk von Traubenstein
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Man töte dieses Bild! Reinhard Febels Operntriptychon „Morde in Bildern“ in Würzburg

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Manche Zeitgenossen meinen ja schon lange, die Oper sei eine überlebte Kunstform und gehöre dringend ins Museum. Das Würzburger Mainfrankentheater nimmt solche Gedanken offenbar sehr ernst und verlegt Reinhard Febels hübsch grotesken Kammeroperndreier „Morde in Bildern“ stracks in den Kulturspeicher am Alten Hafen. Dort werden seit exakt zehn Jahren Würzburger Kleinmeister aber auch Szene-Stars wie Stephan Balkenhol gezeigt. Und jetzt spielt man auch noch Oper, wobei nicht alle Gemälde den Abend überleben. Dazu später mehr.

Erstmal begeben wir uns in den zweiten Stock des kunstsinnigen Speichers, nehmen Platz und betrachten einen seltsamen, surrealen Tatort. Da schmiegt und wiegt sich eine Polizistin in einem blutigen Bett, Vögel liegen am Boden, der plötzlich herein schneiende Polizistenkollege hat einen grimmigen Mann im Gepäck bzw. in Handschellen. Im Hintergrund erkennen wir Frida Kahlos Gemälde „Unos cuantos piquetitos“, eben jene Titel gebenden „kleinen Dolchstiche“ haben sich offenbar in die Wirklichkeit übertragen. Dann erscheint die Kahlo höchst selbst und singt sonor von einem üblen Alpdruck. Und was ist hier nun geschehen?

Aufklärung Fehlanzeige! Wir werden stattdessen in einen zweiten Raum geleitet und treffen dort auf Edward Hoppers Gemälde „Haunted House“. Düster wirkt es, mit eigenwilligen Farbmischungen. Hier macht es uns Reinhard Febel – Dichter, Komponist und Regisseur in Personalunion – eher leicht. Ein Paar aus alten Zeiten taucht auf, er hat sie ermordet und nun sind beide verflucht. Ins Gruselhaus verirrt sich ein junges Paar, der Bursche trägt keckerweise ein Ghostbusters T-Shirt. Nach zwanzig gespenstischen Minuten leben fortan vier Leute unter einem Geisterdach…

Wir aber gehen zurück in Raum eins und begegnen einem verwirrten Künstler, der Diego Velázquez’ „Venus vor dem Spiegel“ abmalen will. Die Venus erwacht zum Leben und macht ihrem Kopisten die Sache äußerst schwer. Sein zunehmend exaltierter werdendes Zeter-und-Mordio-Geschrei führt zu mehreren Ermahnungen einer Museumsaufpasserin, doch statt Ruhe im Karton oder auf der Leinwand kommt eine Attentäterin hinzu und – ritsch, ratsch – fällt das üppige Weib des spanischen Wundermalers (fast) aus dem Rahmen. Tatsächlich gab es in London Anno 1914 solch einen Anschlag.

Febels gelungener Kunstgriff vor allem beim ersten und letzten Stück ist das Spiel mit der Realität, mit Vorlagen und Tatsachen, aber auch mit möglichen und unmöglichen Verwicklungen. Eher überflüssig ist dabei die Vermittlung der Geschichten durch eine sehr ausführlich schwadronierende Museumspädagogin.
Auch Febels Musik wirkt zeitweise etwas zu pädagogisch, zu illustrativ und einhämmernd. Bei Hoppers Gespensterhaus knistert und kratzt es arg, brillant klingt allerdings der unregelmäßige Fünfvierteltakt-Walzer, den das alte Paar vermutlich schon seit langem regelmäßig zu tanzen pflegt. Während das rund zwölfköpfige Orchester vorwiegend Klangwellen und zittrige Mini-Eruptionen spielen darf, legt Febel den Sängern sehr schöne, durchaus komplexe Bögen in die Kehlen. Anke Endres und Markus Francke überzeugten da vollauf. Im dritten Bild wird auch Febels Orchesterpart stimmiger, griffiger und spannender. Kastagnetten tauchen auf und sind ausnahmsweise mal nicht reiner Exotismus sondern integratives Element. An den besten Momenten herrscht in Febels Partitur eine hohe Binnenspannung durch die Verknüpfung von kleinen Parzellen mit übergreifenden Formideen.

Dirigent Alexis Agrafiotis behielt am Pult den Überblick, Maria Vogt, Dominik Meder und Cornelia Boese schauspielerten gut, Gaby Segert agierte wirkungsvoll als Velázquez-Musen-Mörderin. Das Publikum reagierte mit erheblichem Applaus.

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