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Außenübertragung der musikalischen Botschaft aus Europa in Taiwans Hauptstadt Taipeh . Foto: Michael Ernst
Außenübertragung der musikalischen Botschaft aus Europa in Taiwans Hauptstadt Taipeh . Foto: Michael Ernst
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Musikalische Flitterwochen in Asien: die Sächsische Staatskapelle mit Christian Thielemann in Japan, Taiwan und China

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Die Verlobungszeit hat lang genug gewährt. Seit Beginn dieser Spielzeit sind die Sächsische Staatskapelle und ihr neuer Chefdirigent Christian Thielemann endlich auch offiziell ein Paar. Sozusagen mit sächsisch-freistaatlichem Segen. Keiner von beiden war zuvor allerdings wirklich auf Freiersfüßen unterwegs. Man habe sich gefunden und damit gut, hieß es immer wieder auffällig übereinstimmend von beiden Seiten. Die Brautnacht, wenn man so will, wurde mit Bruckners Achter gefeiert. Erst in Dresden, dann auch in Wien und in der Schweiz, inzwischen liegt Zeugnis davon als eine beispielhafte Einspielung auf SACD (Edition Günter Hänssler PH10031) vor.

Eine Antrittstournee führte das auf eine höfische Gründung von 1548 zurückgehende Orchester und den 1959 in Berlin geborenen Dirigenten im September bereits durch einige deutsche Konzertsäle sowie ins österreichische Grafenegg. Nun haben sie auf einer Asien-Reise quasi ihre Flitterwochen zelebriert. Die ausgedehnteste Tour dieser Spielzeit. In drei Ländern vor insgesamt an die 30.000 Menschen. Man kannte dort in Japan, Taiwan und China die Staatskapelle aus Dresden und man kannte den Berliner Dirigenten. Beide zusammen waren bisher allerdings noch nie in Fernost zu erleben. Entsprechend hoch waren die Erwartungen bei Publikum und Presse. Und sowieso der Kartenvorverkauf für die insgesamt zehn Konzerte in den drei Ländern.

Die erste Station dieser gut 20.000 Flugkilometer umfassenden Asien-Reise war Tokio. Von dort ging es – nach einer kleinen Kammermusik der Blechbläser auf dem Herbert-von-Karajan-Platz direkt vor der legendären Suntory Hall – zu Konzerten nach Kyoto, Nagoya und Yokohama. Wo in Deutschland wären Distanzen von bis zu 500 Kilometer pro Strecke zwischen Hotel und Spielstätte so bequem zu überbrücken wie in Japan mit dem Shinkansen-Express? Derzeit wohl nirgendwo. Dort aber, im Land der aufgehenden Sonne, war das überhaupt kein Problem. Am frisch beschneiten Fudjijama vorbei ging es in die alte Kaiserstadt Kyoto, um dort vor offenbar hochkonzentriertem Publikum zwei Brahms-Sinfonien und (als Zugabe) einen Wagner zu spielen.

Mit Nr. 1 c-Moll op. 68 und Nr. 3 F-Dur op. 90 wurden die asiatischen Liebhaber von Johannes Brahms mehrfach beglückt, Richard Wagners „Rienzi“-Ouvertüre war oft Zugabe und mal Bestandteil von Konzertprogrammen, zu denen sich die „Tannhäuser“-Ouvertüre sowie Vorspiel und „Isoldes Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“ gesellte, als Zugabe gab es dann das „Lohengrin“-Vorspiel zum 3. Akt. Frei von jeglichen Draufgaben blieb es nur, wenn Anton Bruckners Siebte Sinfonie ausgepackt wurde, etwa in der Suntory Hall Tokio sowie im Grand Theatre Shanghai und im National Centre for the Performing Arts Peking (NCPA).

Der mit Thielemann begonnene Brahms-Zyklus, der kommendes Frühjahr abgeschlossen sein soll, stand in einem gewissen Mittelpunkt dieser Tour und erfuhr dank Unitel und dem japanischen Fernsehen in der Tokioter NHK Hall eine besondere Wertschätzung in Form von Aufnahmen für TV und DVD. An fast jeder Spielstätte fanden die Musikerinnen und Musiker herausragende Bedingungen vor, was die Akustik betrifft. Das war stets sowohl Chance zur prachtvollen Entfaltung des eigenen Klangmaterials als auch Risiko des Bloßstellens kleinerer Aufgeregtheiten. Und immer auch der wehmutsvolle Gedanke an die Heimstätte Dresden, wo es nach wie vor kein ebenbürtiges Konzerthaus gibt. Bei Thielemann fiel auf, dass er ganz auf den Moment setzte und auch mal spontanen Eingebungen folgte – was eine permanent hohe Konzentration aller Orchestermitglieder bewirkte. Kein Konzert glich dem anderen. Und noch eine Besonderheit: Am ersten Pult der Violinen saßen gleich zwei Erste Konzertmeister. Neben Matthias Wollong die eben erst nach Dresden verpflichtete Deutsch-Japanerin Yuki Manuela Janke, die sich gewiss kein besseres Kennenlernen mit Chefdirigent und Kollegen hat wünschen können. Insbesondere in Japan sind ihr die Herzen des Publikums gleichsam zugeflogen.

Mit südländischem Temperament – bei Temperaturen von um 30 Grad plus Ende Oktober – wurde die Kapelle in Taiwans Hauptstadt Taipeh bewillkommnet. Stürmischer Zuspruch eines auffallend jugendlichen Publikums schon im Saal des Chiang Kai-Shek Kulturzentrums, geradezu frenetischer Jubel auf dem Platz davor, wo das Konzert von Tausenden per Public Viewing mitverfolgt werden konnte. Ein Novum auf dieser Tournee, dem kurze Ansprachen von Dirigent und Musikern folgte, die dann natürlich wie Popstars gefeiert worden sind.

Ähnliche Erfahrungen auch in Shanghai, wo eins von zwei Konzerten ebenfalls open air übertragen worden ist und zum dortigen Herbstfestival gar von einem eigens geladenen Jugendorchester die Brücke zum Nachwuchs schlug. Die letzten beiden Konzerte gab es in Chinas Hauptstadt Peking, die schon ziemlich vom da noch bevorstehenden Parteikongress gezeichnet war. Was aber das Publikum nicht davon abhielt, den Gästen aus Deutschland derart begeistert zu applaudieren, dass selbst die erfolgsverwöhnten Kapellmusiker gerührt waren.

Zehn Konzerte an sieben Stationen, was hat das gebracht? Da war kein turtelndes Paar auf Hochzeitsreise unterwegs, sondern gründlich arbeitende Partner, die sich von Ort zu Ort besser kennengelernt, ihre Botschaft von der europäischen Kultur verbreitet und ganz gewiss eine Menge Interessenten gewonnen haben.
Frisch unterzeichnet und vorgestellt wurde eine Kooperation zwischen Salzburger Osterfestspielen und Beijing Music Festival (BMF), das Wagners „Parsifal“ von der Salzach noch im Herbst 2013 als chinesische Erstaufführung übernehmen will. Überschattet war diese Tournee allerdings auch: Bei der Ankunft in Taipeh mussten die sächsischen Gäste erfahren, dass ihr diesjähriger Capell-Compositeur Hans Werner Henze just in Dresden verstorben ist. Er hatte sie ganz zuletzt noch in der Semperoper gehört, wo Thielemann und die Staatskapelle sein Orchesterstück „Sebastian im Traum“ zusammen mit den beiden für die Tour präparierten Brahms-Sinfonien ausgeführt hatte.

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