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Neu geführter Nachtflug: Luigi Dallapiccolas „Volo di notte“ an der Bayerischen Theaterakademie

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Flieger als risikofreudige Pioniere des Fortschritts und die poetische Verklärung durch Antoine de Saint-Exupéry – das hat Luigi Dallapiccola 1940 in der dem Faschismus nahen Endphase des italienischen Futurismus in seinem Operneinakter „Volo di notte“ („Nachtflug“ thematisiert. An die zwischen Realismus und Reflexion, von Blues-Melancholie zu Sprechgesang, Zwölfton-Reibungen und harmonischen Ariosi wechselnde Repertoire-Rarität wagten sich nun Dozenten und Absolventen der Bayerischen Theaterakademie.

Die Mutprobe gelang, weil das Produktionsteam sich beschränkte: für den kleinen Raum des Akademietheaters reduzierte Dozent und Dirigent Tobias Peschanel Dallapiccolas Orchester auf zwei Klaviere und Harmonium als „Basis“, ordnete dem autoritär auf lebensgefährliche Nachtflüge fixierten Fluglininen-Chef Rivière die Trompete, den Piloten Sopran- und Tenor-Saxophon, der Fliegerfrau, die zur Witwe wird, eine Viola zu. Zwei Chor-Passagen, die wie die Stimmen der Vernunft hereinklingen, mussten gestrichen werden.

Zusammen mit  Radio-, Funk- und Motoren-Zuspielungen ergab all das dennoch eine werkgerechte „Kammer-Fassung“. Den hohen Tenorpart eines Fliegers übernahm Sopran Dafni Georgali und gestaltete fast überexpressiv eine Flugpionierin wie Katherine Strinson oder Maryse Bastie. Die gefügigen Angestellten verkörperten Iris Kunz und Florian Drexel. Dem Rivière von Dozent Peter Neff fehlte ein wenig die baritonal düstere Faszination eines auf den Heroismus von „starken Leben“ setzenden Früh-Faschisten. So beeindruckte Flieger-Witwe Kathrin Filip mit ihren, dem italienischen Opern-Verismo nahen Sorgen und Todesklagen vokal am stärksten.

Regisseur Igor Pison zeigte parallel zur musikalischen Fassung zusätzliche Handlungselemente. Der stumme Abschied des im Orkan abstürzenden Piloten Fabien (Philipp Lind) wurde gezeigt. Zwischen den sechs Szenen sprach er aus dem Hintergrund Textstellen aus Saint-Exupérys Roman „Nachtflug“. Diese beschworen im schwarzen Raum des Akademietheaters zwar einen Hauch von Flieger-Romantik, wechselten aber dramaturgisch befremdlich zwischen „ich“ und „er“.

Pisons Personenführung schien noch durch „Premierensteife“ etwas gemindert. Wenn er Rivière als „Übersprungshandlungen“ zur Befreiung von allem Druck, schließlich aller „Schuld“ dauernd Händewaschen und frische Hemden anziehen lässt, um ihn am Ende im schwarzen Mantel als Faschisten zu brandmarken, dann müssen auch die Stiefel glänzen.

So ist die „Bestnote“ an Ausstattungsstudentin Evelin Arweck zu vergeben. Sie zauberte in den leeren Raum eine an Frei-Otto-Behnischs Münchner Olympia-Dach erinnernde, flügelartig geschwungene Seil-Landschaft, die „Abheben“, „Fliegen“ und „Verstrickung“ versinnbildlichte und von Pisons Regie auch so genutzt wurde. Das Schlussbild mit den Leichen aller Untergebenen in den Seilen wirkte zwar überzogen, doch alles davor verdiente den einhelligen Beifall für ein mutiges, gelungenes Theaterabenteuer.

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