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Sebastian Schwerk, Nadine Maria Schmidt, Sängerin der Band Nylonsaiten & und Saitenstrümpfe, Jürgen Kasek, Torsten Wiegel und Karl-Heinz Gerstenberg (v.l.) Foto: Riesner
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Rock mit Hartz IV - In Sachsen soll Musikszene besser gefördert werden

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Die Band Silbermond hat es geschafft. Sie ist bekannt, tourt durch Deutschland und kann mit ihren Platten Geld verdienen. Silbermond leben und arbeiten heute zwar in Berlin. Angefangen haben sie aber in Bautzen – ganz im Osten Sachsens. Und da sieht es nicht so gut aus für Bands, die mit ihrer Musik Geld verdienen wollen. Berühmte Rock- und Popbands Made in Sachsen sind selten.

Die Realität vieler Musiker sieht ganz anders aus als bei Silbermond. Im Freistaat spielen etwa 5.000 bis 6.000 Musikerinnen und Musiker in einer Band. Doch nur 50 sind in der Umsatzsteuerstatistik vermerkt. Das heißt, sie verdienen mehr als 17.500 Euro pro Jahr. Die übrigen hangeln sich entweder von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob oder bekommen Hartz IV. Wie Markus, alias MR und Gitarrist der Band Unloved: „Ich bezahlen mit meinem Lebensstandard dafür, dass ich kreativ bin“, sagt er und ist damit nicht allein. In Sachsen gibt es zwar viele engagierte Musiker. Aber es mangelt an einer Förderung der kreativen Musikszene. Die zu verbessern war Thema bei „Turn it up!“ in Leipzig. Karl-Heinz Gerstenberg, kulturpolitischer Sprecher der sächsischen Grünen, hatte dazu eingeladen.

Grundproblem der freien Musikszene ist: Sie tritt nicht homogen auf und kann deshalb nicht klar ihre Ziele formulieren. Musiker vertreten andere Interessen als Club-Betreiber. Labels werden von Musikern nicht gerade geliebt, weil sie die Vermarktung nicht immer im Sinne der Musiker betreiben. Aber Labels werden von Musikern gebraucht.

Vielen Musikern fehlt heute immer auch noch der Blick über das Musikmachen hinaus. Corporate Identity, eine professionelle Homepage, gute Pressemitteilungen schreiben und Auftritte buchen sind genau so wichtig wie Singen und das Spielen eines Instruments. „Nur wenige wissen, was ist mein Produkt und wie bringe ich es am besten auf den Markt“, sind die Erfahrungen von Katja Großer vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Dafür, sagt sie, müsse man eine kontinuierliche Begleitung den Musikern an die Hand geben. Und eine neue Personalstelle schaffen, die dafür sorgt, „bestehende Wirtschaftsförderinstrumente an die Künstler zu vermitteln.“

Die Probleme der Musiker sind ganz konkret. Igor Gryskyn, Pianist bei Oona, wünscht sich eine Unterstützung beim Transport des Equipments. Oona-Sängerin Jennifer Demmel wünscht sich eine Plattform, die Auftrittsmöglichkeiten bündelt. „Dass man nicht stundenlang im Internet surfen muss, um zu recherchieren, was man an Konzerten und Festivals mitnehmen kann“, sagt sie.

Sebastian Schwerk, Leiter der Scheune-Akademie Dresden, steht einer konkreten Förderung der Musiker eher skeptisch gegenüber. „Förderung von Musikern würde immer in Konflikt mit Bildender Kunst und anderen stehen“, sagt er. Deshalb wünscht er sich eine Unterstützung der Multiplikatoren wie Labels, Manager oder Clubs. Musikern gibt er mit auf den Weg, sich besser zu verkaufen. „Profilieren kann sich eine Band durch Originalität und Kreativität, wenn sie versteht, dass sie Kunst macht und nicht nur Musik als Kunst ansieht“, sagt Sebastian Schwerk. Bands müssen sich heute ganzheitlich vermarkten. Das Internet allein reicht da nicht. Das Problem: Tageszeitungen in Sachsen bieten zu wenig Fläche für die Vorstellung neuer Bands und Radiosender, die Newcomer spielen, gibt es nicht. Dabei ist klar, dass ein Titel - einmal im Radio gespielt - mehr Bekanntheit bringt als viele tausend Freunde auf der myspace-Seite.

Eine nachhaltige Förderung – beispielsweise in Einrichtungen – muss es weiter geben. „Das wird in den nächsten Jahren immer schwerer zu verteidigen sein“, befürchtet Torsten Wiegel, Geschäftsführer vom Steinhaus Bautzen. Eine Band aufzubauen dauert in der Regel mehrere Jahre. Wiegel will auch weiterhin vor allem dem Nachwuchs eine Bühne geben.

Damit die Szene aus ihrer Krise herausfindet, ist auch eine Vernetzung dringend notwendig. „Die Vernetzung müsste darauf hinauslaufen, dass es einen Verbund gibt in Sachsen, in dem Veranstalter Bands weiterempfehlen. Auch die Bandbasis muss enger zusammenarbeiten“, sagt Sören Gruner vom Bandbüro Chemnitz. Das Problem ist bisher: Wer einen guten Kontakt zu einem Veranstalter hat, gibt den nicht an andere Musiker weiter, um selbst das Privileg zu haben, diesen immer wieder buchen zu können.

Bands, die erfolgreich sein wollen, versuchen ihr Glück selten in Sachsen. Labels fehlen, die Selbstvermarktung ist schlecht und Fördermöglichkeiten nicht bekannt. Das soll sich ändern, damit eine Band, die so bekannt werden will wie Silbermond, nicht nach Berlin zieht, sondern in Sachsen bleibt.

 

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