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Vorbereitungen zum Tauchgang. Foto: Regine Heiland
Vorbereitungen zum Tauchgang. Foto: Regine Heiland
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Ruhig atmen! „Unter Wasser – Ein Freiheitsentzug“ im Münchner Dantebad

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Viele kennen das vielleicht noch vom letzten Weihnachtseinkauf. Wenn sich wieder mal die Frage stellt: Was schenke ich jemandem, der schon alles hat? Und im Grunde genommen geht es da den Komponisten und Theatermacher unserer Tage ziemlich ähnlich. Was nämlich soll man noch auf der Bühne zeigen, was bislang noch nicht versucht wurde? Klaus Schedl, Philipp Kolb und Cornel Franz haben dieses Problem auf ihre ganz eigene Art gelöst. „Unter Wasser – Ein Freiheitsentzug“ lautet der Titel ihrer gemeinsamen Arbeit, die nun im Münchner Dantebad ihre Uraufführung erlebte.

„Im Schwimmbad“ ist dabei wörtlich zu nehmen, denn bei diesem neuen Stück Musiktheater ist der Name Programm. Und neben den Damen und Herren des Ensembles piano possibile darf sich dabei auch das Publikum in die Fluten stürzen. Zuvor gilt es dort aber erst noch schnell den ärztlichen Check sowie einen gut 20-minütigen Crashkurs im Tauchen zu absolvieren, bei dem bald alle Hemmungen über Bord gehen. Die anfangs eher förmlichen Unterhaltungen weichen spätestens beim Anlegen der kleidsamen Neoprenanzüge schnell einem freundschaftlichen Du. Man hilft bis dato völlig Fremden mit Tauchermasken und Reißverschlüssen, zurrt ihnen Bleigürtel um die Hüften und spricht sich vor dem Abtauchen gegenseitig Mut zu. Den großen Moment, in dem sich die Plattform mit den Zuschauern dann tatsächlich langsam auf den Grund des Beckens senkt, überstehen die meisten so dank einem zuversichtlichen Nicken des Tauchpartners und einem letzten prüfenden Blick auf die bereit stehenden Rettungskräfte noch ganz gut.

Wenn aber mit einem Schlag das Licht verlischt und man eine gefühlte Ewigkeit vollkommen orientierungslos im pechschwarzen Wasser schwebt, rutscht das Herz doch kurz eine Etage tiefer. Vor allem der noch ungeübte Tauch-Neuling, der gerade mal eine knappe Stunde zuvor seinen ersten näheren Kontakt mit Pressluftflasche und Mundstück hatte, ist da zunächst noch voll und ganz mit seinen eigenen Problemen beschäftigt: Gleichmäßig und ruhig atmen und versuchen sich in der Schwerelosigkeit auf seinem Platz zu halten um nicht einfach so davon zu treiben.

Der Konzentration auf das Bühnengeschehen und die mit deutlich besserer Atemkontrolle agierenden Darsteller ist das natürlich nicht immer ganz zuträglich. Besonders, da man sich neben dem erhöhten Adrenalinspiegel ebenfalls mit der veränderten Wahrnehmung unter Wasser arrangieren muss. Die Richtungen aus denen die Töne ans Ohr dringen sind da ähnlich schwer zu bestimmen, wie die Entfernung zur Spielebene oder zu Wasseroberfläche.

Und so rauschen die an den Beckenrand projizierten bunten Bilder ebenso schnell vorbei wie die amüsante Klangcollage. Die changiert abwechslungsreich zwischen Cha-Cha-Cha, U-Boot und Walgesängen, geht aber oft (und durchaus beabsichtigt) in den geräuschvoll aufsteigenden Luftblasen unter, die die einzelnen Fragmente noch weiter zerteilen und verfremden. Doch letzten Endes geht es hier auch gar nicht so sehr um den großen, intellektuellen Musikgenuss. Der nimmt bei der gut dreistündigen Veranstaltung eh nur etwa eine halbe Stunde in Anspruch. Vielmehr ist es ist das gemeinschaftliche Erlebnis und der Humor, den dieser straff organisierte Event trotz seiner eigentlich ernsten Gefängnis-Thematik ausstrahlt. Ob das alles nun wirklich den enormen Aufwand rechtfertigt, der hier betrieben wird, sei dahin gestellt. Sicher ist aber, dass die Macher - trotz erster verregneter Open Airs - mit ihrer Kreation derzeit nicht nur den nassesten sondern wohl auch den ungewöhnlichsten Theaterabend Münchens im Angebot haben.

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