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Christine Schäfer (Theodora), Bernarda Fink (Irene) in Händels Theodora. Foto: Salzburger Festspiele, Monika Rittershaus
Christine Schäfer (Theodora), Bernarda Fink (Irene) in Händels Theodora. Foto: Salzburger Festspiele, Monika Rittershaus
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Salzburger Festspiele eröffnet – Kehlmann kritisiert Regietheater

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Salzburg - Mit einer umjubelten Aufführung des Händel-Oratoriums «Theodora» hat am Samstagabend das künstlerische Programm der Salzburger Festspiele 2009 begonnen. Festspielintendant Jürgen Flimm hatte zum 250. Todesjahr von Georg Friedrich Händel statt einer großen Oper das wenig bekannte Oratorium des englischen Barockkomponisten in einer szenischen Fassung auf den Spielplan gesetzt.

Das Premierenpublikum honorierte das Experiment im Großen Festspielhaus mit anhaltenden Bravorufen und rhythmischem Beifall. Star des Abends war der US-Countertenor Bejun Metha in der Rolle des Didymus. Mit viel Applaus gefeiert wurden auch die Sopranistin Christine Schäfer in der Titelrolle der Theodora, der Bariton Johannes Martin Kränzle als Valens sowie das Freiburger Barockorchester und der Salzburger Bachchor unter Leitung des englischen Dirigenten und Barock-Spezialisten Ivor Bolton.

Auch die subtile Regie von Christof Loy traf offensichtlich den Geschmack des Publikums. Loy hatte darauf verzichtet, den konkreten Handlungsverlauf des Oratoriums über zwei frühchristliche Märtyrer nachzuerzählen. Stattdessen bediente er sich nur der Mittel der Personenführung und Lichtregie, um die Beziehungen der Protagonisten untereinander zu verdeutlichen. Das von Annette Kurz gestaltete Bühnenbild zeigte einen riesigen barocken Orgelprospekt, der fast die gesamte Breite der Festspielhausbühne einnahm.

«Theodora» zählt zu den späten Werken Händels und ist, ungeachtet seiner hohen Qualität, beim breiten Publikum wenig bekannt. Im Gegensatz zum jubelnden Gestus des «Messias» ist die 1750 uraufgeführte Komposition von Molltonarten geprägt und fiel beim damaligen Londoner Publikum durch, weil sie nicht dessen Unterhaltungserwartungen entsprach.

Zur Eröffnung der Salzburger Festspiele kritisierte der Schriftsteller Daniel Kehlmann am Samstag in seiner Rede das deutsche Regietheater scharf und nahm gleichzeitig die Verfechter traditioneller Inszenierungen in Schutz. Manche «grandiosen Stücke lebender Dramatiker» seien heute nur noch im Ausland zu sehen, weil ihre Autoren keine verfremdeten Inszenierungen zuließen,. Für Kehlmann ist die Frage, ob man Schiller in historischen Kostümen oder mit «den schon altbewährten Zutaten der sogenannten Aktualisierung» aufführen sollte, zur «am stärksten mit Ideologie befrachteten Frage überhaupt geworden». Die «historisch akkurate» Inszenierung eines Theaterstücks nannte der Schriftsteller, Sohn des Theater- und Fernsehregisseurs Michael Kehlmann, eine «ästhetische Entscheidung». Sie sei «nicht besser und nicht schlechter als die Verfremdung, auf keinen Fall aber ein von vornherein reaktionäres Unterfangen».

An den teilweise in die Jahre gekommenen Protagonisten der Theater-Avantgarde ließ der 34-jährige Kehlmann kein gutes Haar. In Zeiten, in denen niemand mehr Karl Marx lese und kontroverse Diskussionen sich eigentlich nur noch um Sport drehten, sei Regietheater «zur letzten verbliebenen Schrumpfform linker Ideologien degeneriert». Manch «hoch subventionierte Absurdität» sei das Ergebnis der «folgenreichsten Allianz der vergangenen Jahrzehnte: dem Bündnis von Kitsch und Avantgarde».

Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, der die Festspiele offiziell eröffnete, hob die Bedeutung der Kunst für die europäische Einigung hervor. Er sagte, schon Festspielgründer Hugo von Hofmannsthal habe gewusst, dass «der Glaube an Europa durch künstlerisches Schaffen gestärkt werden kann». Die Festspiele seien dieser Vision im Verlauf ihrer Geschichte immer treu geblieben und hätten der Europaidee stets neue Impulse gegeben.

Am Sonntag steht der Berliner Schauspieler Ben Becker zum ersten Mal als «Tod» in Hofmannsthals «Jedermann» auf der Freilichtbühne des Domplatzes. Die Festspiele dauern bis 30. August und bieten rund 200 Veranstaltungen aus den Bereichen Konzert, Oper, Schauspiel und Lesung.

Für viele Termine sind auch zum Festspielbeginn noch Karten im Angebot. «Wir sind nicht so überbucht wie in anderen Jahren«, sagte der kaufmännische Direktor Gerbert Schwaighofer im ddp-Gespräch. Der Kartenverkauf liege derzeit etwas hinter den Erwartungen zurück. Schwaighofer führte die »kleine Delle» auf die Wirtschaftskrise zurück. Bislang liege man um fünf Prozent unter dem Sollwert in Höhe von 23 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr hatten die Festspiele Tickets für 25 Millionen Euro verkauft. Bestes Jahr in der Geschichte der Festspiele war das Mozartjahr 2006 mit verkauften Karten im Wert von 29 Millionen Euro.


 

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