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Holger Falk und Laura Tatulescu in Miroslav Srnkas Oper „Make No Noise“. Foto: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl
Holger Falk und Laura Tatulescu in Miroslav Srnkas Oper „Make No Noise“. Foto: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl
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Singen gegen das Trauma: Miroslav Srnkas „Make No Noise“ im Münchner Pavillon 21 uraufgeführt

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Dass sich die Übersetzung von Filmen in Musiktheaterwerke nicht zu einem ähnlichen Phänomen entwickelt hat wie die Literaturoper, hat seine guten Gründe, etwa in der Verschiedenheit der ästhetischen Voraussetzungen und der Publikumswirkung. Miroslav Srnka und sein Librettist Tom Holloway taten also gut daran, mit Isabel Coixets Film „The secret life of words“ von 2005 als Vorlage sehr frei und im Sinne einer kammerspielartigen Reduzierung umzugehen.

Im Mittelpunkt des Films und der Oper „Make No Noise“, mit der im Pavillon 21 die Münchner Opernfestspiele eröffnet wurden, steht die Annäherung zweier traumatisierter Menschen: Hanna trägt die äußeren und inneren Narben einer Kriegsvergewaltigung, Joseph, den sie als Krankenschwester auf einer Bohrinsel pflegt, hat bei einem Unfall seinen Freund und vorübergehend sein Augenlicht verloren. Bei Hanna äußert sich das Trauma in zwei Handicaps, deren musikalische Umsetzung sich geradezu aufdrängt: sie ist schwerhörig und stottert. Um sich von der Außenwelt und dem Zwang, mit ihr kommunizieren zu müssen, abzuschotten, schaltet sie immer wieder ihr Hörgerät ab. Die elektronischen Klangwirren des Beginns entpuppen sich somit nicht als die naheliegenden Maschinengeräusche der Fabrik, aus der Hanna im ersten Teil entlassen wird, sondern als deren inneres Hörgefängnis, das sich im weiteren Verlauf immer wieder zu ganzen Tinnitus-Landschaften auswächst.

In ihrer, mit der Begegnung mit Joseph allmählich verschwindenden Sprachhemmung bricht sie von den anfänglichen Wort- und Satzbruchstücken nach und nach in freiere Kantilenen aus. All das hat Srnka sinnfällig und unter äußerst vielgestaltiger Einbeziehung des 13-köpfigen Kammerensembles (prächtig das Ensemble Modern unter Christopher Ward) musikalisch geformt. Die abgerissenen, gepressten Blechfanfarenreste aus der Fabrik machen in der zentralen Szene auf der Bohrinsel Platz für feine Mischungen mit der links gegenüber postierten Akkordeon-, Harfen-, Klavier- und Schlagzeuggruppe, bis sich schließlich die drei Streicher in eine zerbrechliche, uneigentliche Tonalität zurückziehen.

Nicht verhindern kann Srnka freilich, dass der zurückgenommene, viele kommunikative Leerstellen zurücklassende Text durch den Gesang eine etwas vordergründige Emphase entwickelt, die quer steht zur Fragilität der aufkeimenden Liebesbeziehung. Für deren Entwicklung bleibt überdies zu wenig Zeit. So schnell wie eine Wunde Josephs durch Hannas Reinigung heilend verschwindet, so schnell nähern sich Pflegerin und Patient in flüchtigen Berührungen und Dialogfragmenten einander an. Ein Verzicht auf das eine oder andere narrative Element (etwa die dritte Szene im Rehabilitationszentrum, wo Joseph nach seiner Genesung Hanna wieder aufsucht) hätte hier Raum geben können für eine musikalische wie szenische Verdichtung und Differenzierung.

Letztere vermisste man auch in der vor allem im ersten Abschnitt holzschnittartigen Inszenierung Matthew Luttons. Die durch das Libretto vorgegebenen, im Verlauf zunehmend zertrümmerten Stühle vermochten als zentrales Bühnenbildelement den ganzen Abend optisch nicht zu tragen. Auch darstellerisch wirkte manches, der sängerischen Präsenz der fabelhaften Protagonisten Laura Tatulescu und Holger Falk zum Trotz, noch zu wenig profiliert, um dem – letztlich doch immer wieder sich aufdrängenden – Vergleich mit der Intensität filmischer Dialogszenen standhalten zu können.

Zwei Stühle bleiben am Ende übrig, und zwei Menschen, bereit einen gemeinsamen Neubeginn zu wagen. Und Miroslav Srnka wagt es, diesen Epilog als das Ausschwingen zweier unbegleiteter Gesangslinien zu gestalten. Singen als kommunikative Utopie.

Weitere Termine:
Mi 29.06.2011, 20 Uhr
Fr 01.07.2011, 20 Uhr
Sa 02.07.2011, 18 Uhr

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