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465 Empfehlungen überfordern offensichtlich die Bundesländer

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(nmz-red/leipzig) - War es nun eine gehörigen Portion Ignoranz oder gar Opposition, dass zur heutigen Bundestagsdebatte zum Thema „Kultur in Deutschland“ der Deutsche Bundesrat durch lediglich zwei Mitarbeiter im Referenten-Rang vertreten war?

Jedenfalls demonstrierte der Bundesrat seine Haltung zum Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Handlungsempfehlungen vom Bund in einer –ihrer Ansicht nach– länderhoheitlichen Angelegenheit entgegenzunehmen, scheint dem Bundesrat nun doch zu weit zu gehen. Offenbar haben die Damen und Herren noch nicht begriffen, dass gesetzlich festgeklopfte Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das „Staatsziel Kultur“, eine Grundvoraussetzung für Kulturarbeit in den Ländern ist. Zumindest hätte durch regere Teilnahme die immense Arbeitsleistung der Kommission anerkannt werden können. Stimmte doch die Meinung der Mitglieder aller Fraktionen beim Thema Kultur überein.

Hätten die Bundesratsmitglieder an der Plenarsitzung teilgenommen, wäre Ihnen zumindest erspart geblieben, sich mit dem Inhalt des über 500 Seiten langen Berichtes zu beschäftigen. Denn in der Debatte, die eigentlich keine Debatte war, wurden die Inhalte des Schlussberichtes durch 13 Mitglieder der Enquete-Kommission gewohnt fraktions-orientiert vorgestellt. Platzierten die Redner der FDP den Wirtschaftfaktor Kultur und das Bürgerschaftliche Engagement in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen, so sehen Grüne und Die Linke dringenden Handlungsbedarf in der Veränderung der sozialen Lage der Künstler oder in der Beförderung der multikulturellen Gesellschaft als Bereicherung der kulturellen Landschaft. Die SPD hingegen, ganz der kühle Rechner, konzentriert sich auf die angemessene Ausstattung der Kulturetats. Siegmund Ehrmann (SPD) will die Musikförderung weg von der Klassik mehr in Richtung Popmusik sehen. Und Lydia Westrich, Finanzpolitikerin der SPD, bekam gar einen Kulturschock beim Antritt ihres Amtes in der Enquete-Kommission. Spaß hat ihr die Arbeit aber trotzdem gemacht. Nocheinmal auf die soziale Lage der Künstler und die Situation der KSK aufmerksam zu machen, war ihr spürbar eine Herzensangelegenheit.

Für die Kommissionsmitglieder der Fraktion CDU/CSU hat die kulturelle Bildung Priorität. Wolfgang Börnsen lobt die Laienkultur und will die Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ bundesweit installiert sehen. Und Dorothee Bär (CSU) kann es sich nicht verkneifen, dem Vorsitzenden ihres Blasmusik-Vereins zu danken.

Den Vogel der heutigen Debatte im Bundestag hat allerdings Roland Claus (Die Linke), DDR-Nostalgiker und einziges Nicht-Mitglied der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland", abgeschossen. Glaubt er doch tatsächlich, dass Künstler die DDR scharenweise verlassen haben, weil die Ostdeutschen „den Sozialismus vergeigt“ hätten. Ein Gespräch mit Wolf Biermann könnte da Aufklärung bringen.

Barbara Lieberwirth