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Berlin: Angela Merkel begrüßt die Entscheidung der UNESCO +++ Cottbus: Welterbe-Expertin fordert Brückenrückbau +++ Dresden: Stadt befürchtet nach UNESCO-Beschluss «Hängepartie für ein Jahr» +++ Berlin: Tiefensee wirft Sachsen schwere Versäumnisse vor
Berlin: Angela Merkel begrüßt die Entscheidung der UNESCO
Berlin (ddp). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt die Entscheidung der UNESCO, Dresden eine Frist von einem Jahr zum Erhalt des Welterbetitels für das Elbtal einzuräumen. «Damit ist Zeit gewonnen», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin vor dem Hintergrund des Streits über den geplanten Bau der Waldschlößchenbrücke.
Nun könne man ein Jahr lang noch einmal sehr intensiv die unterschiedlichen Belange prüfen. Es handele sich nicht um eine Denkpause, sondern um eine «Pause zum Denken». Wenn gewünscht werde sich die Bundesregierung einer Lösung bei der Konsenssuche nicht verweigern, betonte Steg.
Angesichts der Waldschlößchenbrücke steht das Dresdner Elbtal bei der UNESCO auf der Roten Liste gefährdeter Kulturlandschaften. Das Elbtal gehört seit 2004 zur Welterbeliste.
Auch das Auswärtige Amt begrüßte den Aufschub. Dies sei Ausdruck der großen Wertschätzung, die das Welterbekomitee der Zusammenarbeit beimessen, sagte Außenamtsstaatssekretär Günter Gloser. Das Ministerium stehe weiter bereit, Dresden bei der Suche nach einem Konsens zu unterstützen.
Cottbus: Welterbe-Expertin fordert Brückenrückbau
Cottbus (ddp-lsc). Dresden muss nach dem Beschluss des UNESCO-Welterbekomitees aus Sicht der Welterbe-Expertin Marie-Theres Albert die Arbeiten an der Waldschlößchenbrücke unverzüglich einstellen und die Pläne für eine Tunnelquerung der Elbe prüfen. Dass das Elbtal ein weiteres Jahr auf der Roten Liste bleibe, nannte die Inhaberin der Professur World Heritage Studies an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus eine «Gnadenfrist» und eine «sehr großzügige Geste der UNESCO im Umgang mit einem echten Problem». Sie hoffe nun, «dass die Dresdner jetzt endlich lernfähig werden» und auch der Freistaat die Weitsicht des Komitees zu würdigen wisse, sagte Albert der Nachrichtenagentur ddp am Freitag in Cottbus. Der Titel bedeute eine internationale Verpflichtung, die eingehalten werden müsse: «Es geht nicht nur um den Welterbestatus. Es geht um die Reputation des gesamtes Landes in der Völkergemeinschaft», sagte Albert. Ihrer Ansicht nach mache die UNESCO-Entscheidung den Weg für zukünftige deutsche Anträge wieder frei. «Vorher hatte ich gesagt, wenn Dresden von der Liste fliegt, ist erst mal Schluss für die nächsten Jahre». Das Welterbekomitee will in Quebec unter anderem über die Zuerkennung des dritten Welterbetitels für Berlin befinden. Die Bundeshauptstadt bewirbt sich mit mehreren Siedlungen des soziales Wohnungsbaus der Klassischen Moderne der 20er Jahre um den Status.
Dresden: Stadt befürchtet nach UNESCO-Beschluss «Hängepartie für ein Jahr»
Dresden/Quebec (ddp-lsc). Nach der Entscheidung der UNESCO zur Waldschlößchenbrücke sieht der amtierende Dresdner Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) kaum Chancen für einen Erhalt des Welterbetitels für das Elbtal. Zwar respektiere er die Entscheidung der UNESCO, doch müsse diese sich "auch die Frage gefallen lassen, warum sie keinen realistischen Weg für Dresden aufgezeigt hat», sagte Vogel am Freitag in Dresden. Es sei der Stadt «nicht gelungen, die schwierige rechtliche und politische Situation in Dresden darzustellen und dadurch die UNESCO zu einem besseren Kompromiss zu bewegen». Was bleibe, sei eine «weitere Hängepartie für ein Jahr».
Das Welterbe-Komitee der UNESCO hatte in der Nacht zu Freitag (MESZ) entschieden, das Dresdner Elbtal vorerst auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten zu belassen. Damit ist allerdings die Forderung verbunden, den Brückenbau zu stoppen und eine Tunnellösung zu prüfen. Mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke war nach jahrelangem Rechtsstreit im November 2007 begonnen worden. Das Elbtal steht seit Juli 2006 auf der Roten Liste der UNESCO.
Für einen Baustopp bedarf es Vogel zufolge neben einem entsprechenden Stadtratsbeschluss auch einer Zustimmung des Freistaats, der andernfalls Widerspruch dagegen einlegen würde. Diese Situation sei bereits in den beiden Vorjahren bis zum Bundesverfassungsgericht «ausgefochten worden - immer mit dem gleichen Ergebnis: Die Brücke muss gebaut werden».
Sachsens ADAC-Chef Nikolaus Köhler-Totzki sprach sich unterdessen für eine freiwillige Rückgabe des Titels aus. Dem Sender MDR Info sagte er, die Forderungen des UNESCO-Welterbekomitees seien «nicht erfüllbar». Das Komitee habe sich nicht mit dem auseinandergesetzt, «was wir in Deutschland zu beachten haben». Die höchsten Gerichte hätten ganz eindeutig entschieden. Das Welterbe habe zurückzustehen, der Bürgerentscheid vom Februar 2005 für einen Brückenbau sei zu vollziehen.
Berlin: Tiefensee wirft Sachsen schwere Versäumnisse vor
Berlin (ddp-lsc). Im Zusammenhang mit der Entscheidung des UNESCO-Welterbekomitees zum Bau der Waldschlößchenbrücke durch das Dresdner Elbtal wirft Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) der sächsischen Landesregierung «schwere Versäumnisse» vor. Dass das Elbtal auf der Liste der gefährdeten Denkmäler stehe, «ist peinlich genug», sagte er am Freitag in Berlin auf ddp-Anfrage. Dresden stehe «jetzt vor einem Scherbenhaufen, der sehr schwer zu kitten sein wird und besonders intensive Anstrengungen erfordert».
Tiefensee wies darauf hin, dass es keine Entwarnung bedeute, dass die UNESCO das Elbtal auf der Roten Liste belasse. Zugleich erinnerte der für den Aufbau Ost zuständige Minister daran, das Potsdam und Köln gezeigt hätten, «dass im konstruktiven Dialog mit der UNESCO Lösungen möglich sind.»