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Abwegiger Vorschlag? Peymann zur Kulturfinanzierung in Berlin

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"Bezahlen Sie ihre Freikarten" - BE-Intendant Claus Peymann warnt vor Kulturschaden in Berlin und macht einen Sparvorschlag.

Berlin (ddp-bln). Mit einem ungewöhnlichen Sparvorschlag hat sich Claus Peymann in der leidigen Debatte um die Kulturfinanzierung in Berlin zu Wort gemeldet. "Bezahlen Sie doch ihre Freikarten künftig", riet der Intendant des Berliner Ensembles (BE) am Donnerstag Journalisten, denen er die Pläne des Theaters bis zum Ende der Spielzeit präsentierte. Wenn Politiker und die Presse künftig zahlten, so rechnete Peymann vor, könnten allein am BE etwa 154 000 Euro jährlich eingespart werden. Auf alle Berliner Bühnen hochgerechnet, müsste die Summe ausreichen, um das "Haushaltsloch auf einen Schlag zu stopfen", meinte Peymann.

Man solle bedenken, dass allein für einen Theaterbesuch des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) fünf teure Karten notwendig seien: "Der kommt mit Begleitung und drei Bodyguards." Auch die Journalisten forderte er auf: "Tragen Sie zur Verbesserung der Lage bei, bezahlen Sie."

Ernster Hintergrund für Peymanns provokante Anregung ist die Berliner Haushaltsklausur am Wochenende, bei der es auch um weitere Finanzkürzungen im Kulturbereich gehen wird. Bei seinem ersten Treffen mit dem Berliner Kultursenator zu Wochenbeginn habe er Thomas Flierl (PDS) als "Realisten" kennen gelernt. "Damit müssen wir jetzt rechnen", sagte Peymann.

Er hoffe, dass Kultur als bestimmender Faktor für die Attraktivität der Stadt erkannt werde. "Darin liegt eine riesengroße Chance", sagte Peymann. Kulturtourismus sei hier der "einzig funktionierende Industriezweig". Am BE werde bereits jede fünfte Karte von auswärtigen Besuchern gekauft. Dem stehe aber aufgrund der neuerlich entfachten Schließungsdebatte ein Klima der Angst und Planungsunsicherheit an den Häusern entgegen. Ende 2003 läuft der Subventionsvertrag für das BE aus. "Deshalb kann ich eigentlich eine dann geplante Inszenierung von Peter Zadek nicht unterschreiben", klagte Peymann.

Am BE, das steht für den Intendanten fest, ist bei Einsparungen "nichts mehr drin. Das absolute Ende ist erreicht". Durch effektive Koproduktionen - unter anderem mit Salzburg und Wien - sei viel erreicht worden, und das Theater betrachte seine Gastspiele als "gewinnorientierte Exporte". Peymann ist sich sicher, dass "weitere Angriffe" auf führende Hauptstadtbühnen auch vom Publikum nicht hingenommen werden. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein "Aushängeschild der Berliner Kultur wie das BE" angegriffen werde. Dies gelte auch für den "Hoffnungsträger Schaubühne" unter Thomas Ostermeier und Sasha Waltz.

Bis zum Ende der Spielzeit kündigte Peymann unter anderem Uraufführungen von George Taboris "Das Erdbeben-Concerto" in der Inszenierung des Autors und "Da Ponte in Santa Fé" von Peter Turrini (mit Jörg Gudzuhn und Heribert Sasse) an. Mit dieser Peymann-Inszenierung werden am 29. Juli auch die Salzburger Festspiele eröffnet. Edith Clever bringt Becketts "Glückliche Tage" mit Jutta Lampe heraus, Premiere ist am 7. April.

Die Nachwuchsregisseurin Cornelia Crombholz bereitet Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter" vor, Philip Tiedemann inszeniert eine Doppelaufführung von Ionescos "Die kahle Sängerin" und Peter Handkes "Quodlibet". Aus Bochum holt das BE "Warten auf Godot" mit Harald Schmidt an die Spree. Auch "Bernarda Albas Haus", eine Koproduktion Teheran/Mülheim an der Ruhr, und Gastspiele aus Basel und Lausanne (Brechts "Kaukasischer Kreidekreis" in der Inszenierung von Altmeister Benno Besson) werden am Schiffbauerdamm zu sehen sein.

Cornelia Krüger