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Berliner Possen um Deutsches Theater

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Ost-West-Beziehungslosigkeit artet in Kulturkampf aus - Streit um Intendanz und Leitlinien für die Hochkultur

Berlin (ddp). Er hat eigentlich gar keine Chance, den Wirrwarr um die Berliner Intendantenkür zu entwirren, aber er mischt seit neuestem kräftig mit: Christoph Schlingensief, Aktionskünstler und Enfant terrible des Theaters, setzt der seit Monaten währenden Posse um die Berliner Kulturpolitik die Krone auf. Wer wird Intendant der wichtigen Opernstiftung, wer Chef des Deutschen Theaters, wer wird das Maxim Gorki Theater künftig leiten - diese Fragen beschäftigen die Stadt im Dauerstreit.

Nachdem die Personalie Opernstiftung nun gelöst ist und auch das Gorki Theater leitungstechnisch gesichert scheint, bringt sich Schlingensief für das Deutsche Theater selbst ins Spiel - oder Ingrid Steeger: «Die ist ein Herzchen, da kommen bestimmt viele alte Menschen ins Theater«, sagte er in einem Zeitungsinterview.

Schlingensief geht es wie vielen Kulturinteressierten auch über die Hauptstadt hinaus: Sie mögen den Dauer-Kulturkampf, der sich längst in Ost-West-Befindlichkeiten verfangen hat, kaum mehr ernst nehmen. Nicht die Kandidaten für wichtigen Posten halten Kritiker für anstößig, sondern die Art, wie sie durchgesetzt werden sollten. Weniger ihre Tauglichkeit für die Ämter, sondern eher ihre ostdeutsche Identität rückte die Kandidaten ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Dreh- und Angelpunkt ist der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS). Flierl wünsche sich eine Stärkung der Ost-Identität, schrieben die Zeitungen. Gegen viele Widerstände wollte er für den derzeit wichtigsten Posten in der Kultur, die Generalintendanz der Opernstiftung, den Stasi-belasteten Basler Intendanten Michael Schindhelm durchsetzen - und schaffte es nach langem Hin und Her auch. Aufgefallen war diese Stellenbesetzung durch eine Intrige, in die neben Flierl auch eine große Berliner Tageszeitung verstrickt war.

Neuer Chef am Deutschen Theater, der einstigen Vorzeigebühne Ost-Berlins, sollte Christoph Hein werden, und am Max Gorki Theater soll Armin Petras künftig das Sagen haben. Beide sind Männer mit Ost-Vergangenheit. 15 Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung scheint in der Theaterszene die Kluft zwischen Ost und West erneut aufgebrochen zu sein. Das veranlasste Hein, den sensiblen, scheuen Dramatiker, resigniert zum Rückzug. «Ich habe den großen Fehler gemacht, dass ich nicht auf mich gehört habe», sagte er traurig bei der Verkündung seines Verzichts.

Als «krasse Fehlentscheidung» hatten Kritiker das Vorhaben Flierls bezeichnet, Hein für die Nachfolge von Wilms am Deutschen Theater zu nominieren. Flierl betreibe «Ostalgie» am früheren Staatstheater der DDR, hieß es. Einige witterten in der Nominierung des Ostdeutschen Hein eine «nebulöse Ost-Identität». Im Sommer 2006 sollte der Schriftsteller die Bühne übernehmen. Ende Dezember gab der 60-Jährige entnervt auf und sprach von »massiven Vorverurteilungen« und einem »vergifteten feindseligen Klima«.

Nun soll eine Findungskommission, der unter anderem der Hamburger Thalia-Erfolgsintendant Ulrich Khuon angehört, einen geeigneten Kandidaten für die Berliner Vorzeigebühne finden. Der Schauspieler Christian Grashof, seit 1970 Mitglied des Ensembles, hat sich für diesen Posten beworben. «Als Deutscher habe ich die Kompetenz für Ost und West», sagte er. Allerdings, so schränkt er ein, müsse man gar nicht Deutscher sein, um das Deutsche Theater zu führen.

Der Deutsche Kulturrat warnte unterdessen vor negativen Folgen für die Kulturpolitik. «Solche Stellen sollten so geräuschlos wie irgend möglich besetzt werden», sagte Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Gerade jetzt, wo Kultur überall finanziell auf dem Prüfstand stehe, sei es wichtig, «nicht an den falschen Ecken Skandale zu produzieren». Nur durch Qualität könne man der Diskussion um die Notwendigkeit der Finanzierung der Hochkultur begegnen, betonte Zimmermann.

Kultursenator Flierl scheinen all diese Querelen nichts anhaben zu können. Flierls Abwahl zu betreiben, würde die Koalition aus SPD und PDS sprengen. Also wird der Kultursenator auch das letzte Wort haben bei der Besetzung der vakanten Stelle am Deutschen Theater. Und Schlingensief bekennt: »Ich bin ein großer Flierl-Fan, obwohl ich eigentlich gar nicht weiß, was er bisher so gemacht hat.»

Angelika Rausch