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„CISAC Case“: Brief des DKV an die Bundeskanzlerin

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Mit einem Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am 13. Juli der Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, Jörg Ewers, auch im Namen von Frank Dostal (Deutscher Textdichterverband) und John Groves (Composers Club) für die Belange der Musik-Urheber auf europäischer Ebene eingesetzt. Es geht darum, „Entscheidungen in Brüssel zu verhindern, die die Existenzgrundlage der Musikautoren und damit die kulturelle Vielfalt in Europa vehement gefährden würden.“

Der Wortlaut des Briefes an die Bundeskanzlerin:

„CISAC Case“,
Untersagungsverfahren bei der Europäischen Kommission gegen die Urheberrechts-Verwertungsgesellschaften in der EG

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Dr. Merkel,


namens und im Auftrage der deutschen Musikautorenverbände

• Deutscher Komponistenverband e.V.
• Composers Club e.V.
• Deutscher Textdichterverband e.V.

wende ich mich an Sie mit der dringenden Bitte, Ihren maßgeblichen Einfluss geltend zu machen, um verhängnisvolle Entscheidungen in Brüssel zu verhindern, die die Existenzgrundlage der Musikautoren und damit die kulturelle Vielfalt in Europa vehement gefährden würden.

Wie Sie wissen, beabsichtigt die Europäische Kommission, das bewährte Netz der Gegenseitigkeitsverträge zwischen den europäischen Verwertungsgesellschaften wegen angeblichen Verstoßes gegen Europäisches Kartellrecht zu verbieten. Dies soll zunächst für die Bereiche Online, Satellitensendung und Kabelweiterleitung gelten.
Am 16.Juli 2008 muss - nach allen bisherigen Informationen - mit einer solchen negativen Verbotsverfügung gerechnet werden, so dass nur noch wenig Zeit verbleibt, das Schlimmste zu verhindern.

Die territorialen Beschränkungen in den Gegenseitigkeitsverträgen sollen nun fallen, mit der Folge, dass der dann eröffnete ungehinderte Wettbewerb zwischen den einzelnen Verwertungsgesellschaften um die jeweiligen Nutzer zur ungehemmten Unterbietung hinsichtlich der Tarife führen würde, zum Schaden der Urheber.

Um in diesem daraus resultierenden Umfeld überhaupt konkurrenzfähig bleiben zu können, würden zwangsläufig zu allererst die Mittel, die die Verwertungsgesellschaften für staatsentlastende Maßnahmen in kulturellen und sozialen Bereichen bisher zur Verfügung gestellt haben, gekappt werden müssen, was mit Sicherheit zu einer dramatischen kulturellen und sozialen Verarmung der kreativen Landschaft Europas führen würde.

Die Wahrnehmung von spezifischen europäischen (Sprach-)Minderheiten- und Nischenrepertoires würde durch den wettbewerbsbedingten Mittelabzug besonders bei den diese repräsentierenden kleineren Verwertungsgesellschaften Europas nicht mehr ausreichend zu gewährleisten sein und so zu einem empfindlichen Aderlass und zu einer Verödung der Musikkultur Europas führen.
Nutznießer würden indes gerade die nicht-europäischen, großen US-amerikanischen Rechteinhaber sein, die ihr attraktives, kommerzielles Hit-Repertoire – wie bereits teilweise geschehen – zunehmend aus dem Netz der europäischen Verwertungsgesellschaften abziehen werden, um für dieses Repertoire individuell die höchsten Tarife durchzusetzen; abseits des Solidargedankens, der seit über 100 Jahren die Verwertungsgesellschaften, besonders die GEMA, trägt. Um die übrig bleibenden Reste müssten sich dann die europäischen Verwertungsgesellschaften bis zur Selbst-Kannibalisierung balgen.

Die Erfahrung zeigt zweifelsfrei, dass nach der zu befürchtenden Verbotsverfügung mit dem geplanten völligem Wegfall der territorialen Hoheit und Exklusivität, ein vornehmlich am kommerziellen Warencharakter der Musik orientierter, ungezügelter Verdrängungs-wettbewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften in der EG ausbrechen würde.
Die von der diesbezüglichen UNESCO-Konvention geforderten Schutz-Aspekte der kulturellen Vielfalt, der Authentizität und besonders der identitätsstiftenden Kraft des „Kulturgutes Musik“ wären die unvermeidbaren Opfergaben an das Goldene Kalb „Markt“. Jedes Mittel wäre opportun, nur um „im Markt zu bleiben“.
So würden z.B. ausländische Verwertungsgesellschaften - die selbst über kein attraktives eigenes Repertoire verfügen – dazu verleitet, im rücksichtslosen Existenzkampf um jeden erdenklichen Mitnahmeeffekt das erfolgreiche Repertoire der GEMA-Mitglieder sogar auch in deren eigener Heimat, Deutschland, an Großnutzer zu „verschleudern“, ohne dass die GEMA-Mitglieder dies verhindern könnten.

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte sprechen Sie jetzt in Brüssel ein Machtwort !

Nachdem die von uns überaus begrüßten diesbezüglichen Appelle der deutschen Justizministerin, des deutschen Kulturstaatsministers und des Deutschen Bundestages bei der offensichtlich auf einen starren Wettbewerbsgedanken fixierten EU-Kommission anscheinend leider eher auf taube Ohren gestoßen sind, bitten wir Sie dringend – im Interesse der deutschen Musikautoren – die drohende Zerschlagung der wichtigsten wirtschaftlichen Grundlagen unserer Musikkultur beherzt zu verhindern !

Mit vielem herzlichen Dank für Ihren geschätzten Einsatz
verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Jörg Evers
Präsident
Deutscher Komponistenverband e.V.