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Direktor für Shakespeare Company gesucht

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Die Nachricht vom Rücktritt des Direktors der "Royal Shakespeare Company", Adrian Noble, traf die englische Theaterwelt in der vergangenen Woche wie ein Schock - und dennoch nicht unvorbereitet. Schon seit Monaten steckte die "Royal Shakespeare" in der Krise: Ensemble und Bühnenpersonal drohten mit Streik, hinter den Kulissen krachte es, der prominente Regisseur Edward Hall nahm mitten in einer Produktion den Hut, und Einwohner der Shakespeare-Stadt Stratford-upon-Avon demonstrierten gegen den geplantes Abriss des Theaters.

orf - Auslöser des Wirbels um die RSC, eine der tragenden Säulen der englischen Theaterlandschaft, waren Nobles umfassende Reformpläne für die 1961 von Peter Hall gegründete Gesellschaft: Noble wollte die Hauptspielstätte des Ensembles in Stratford-upon-Avon, ein Haus aus den 30er Jahren, zu Gunsten eines teuren, spektakulären Neubaus abreißen lassen. Außerdem gab er die Londoner Basis des Ensembles, das Barbican-Theater, auf und verkürzte die für englische Verhältnisse ungewöhnlich langen Schauspielerverträge, so dass künftig auch viel beschäftigte Filmstars in der Lage sein werden, zwischendurch für die "Royal Shakespeare Company" aufzutreten.

Für viele kam vor allem der Zeitpunkt von Nobles Abgang überraschend. Die Grundlage der von ihm geplanten Reformen ist, wie er in einer Presseerklärung schrieb, zwar gelegt - aber ihre Ausführung überlässt er nun seinem Nachfolger. Dabei ist der umstrittene Abriss des Theaters in Stratford-upon-Avon noch nicht endgültig beschlossen.

In einem Interview des "Independent" sagte Noble, der elf Jahre lang Direktor der Company war, die immer schärfer werdende Kritik habe ihn zum Rücktritt gezwungen. Die Angriffe hätten sich schließlich sogar gegen seine Frau, die Schauspielerin Joanne Pearce, gerichtet. Noble war es von der Presse unter anderem verübelt worden, dass er in der "schlimmsten Krisenzeit der \'Royal Shakespeare Company\'" eine dreimonatige Auszeit genommen hatte, um im West End das finanziell höchst einträgliche Musical "Chitty Chitty Bang Bang" zu inszenieren. Die Schauspielerin Judi Dench hatte sich "tief besorgt" über die Vorgänge geäußert. Selbst Prinz Charles mischte sich ein und kritisierte die Abrisspläne in Stratford.

Der "Guardian" kommentierte, der überaus integre und verdiente Noble sei an der politischen Naivität, Schlachten an zu vielen Fronten zugleich schlagen zu wollen, gescheitert. Wild spekuliert wird nun über die Nachfolge: Kenneth Branagh, der nach zehn Jahren Filmarbeit erst in diesem Jahr wieder ans Theater zurückkehrte, ist im Gespräch. Der Name des Oscar-Preisträger Sam Mendes wurde genannt. Aber Mendes, der schon die Übernahme des "National Theatre" ablehnte und den Direktionsposten des "Donmar Warhouse Theatre" aufgab, um Filmpläne zu verfolgen, erscheint als unwahrscheinlicher Kandidat.

Edward Hall, Sohn des Gründers der "Royal Shakespeare Company", ist im Rennen, obwohl er im März eine Produktion des Hauses im Streit verließ. Ebenfalls in der Diskussion sind die scheidenden Direktoren des "Almeida Theaters", Ian McDiarmid und Jonathan Kent, sowie die Regisseure Michael Boyd und Gregory Doran, die der "Royal Shakespeare Company" angehören, und Mark Rylance, künstlerischer Direktor des "Globe Theatre" in London.