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Front gegen RTL

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Berlin (ddp). Die Kritiker der Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» machen Front gegen RTL: Der Deutsche Kulturrat sprach am Wochenende von «medialer Brutalität» und rief Politik und Verbände auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um der «Lust an Erniedrigung» und «grenzenlosem Voyeurismus» Einhalt zu gebieten. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg befand: «Rüpel sind schlechte Vorbilder für Schüler.»

Derweil erreichte die Sendung am Samstagabend erneut eine hohe Einschaltquote. Die vierte Ausgabe der mittlerweile fünften Staffel sahen 5,92 Millionen Zuschauer, der Marktanteil lag bei 19,4 Prozent. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen kam RTL auf eine neue Bestmarke von 35,1 Prozent Marktanteil bei 3,86 Millionen Zuschauern.

Juror Dieter Bohlen entschuldigte sich für den Zusammenbruch eines 17-Jährigen beim Casting. Das habe die Jury, zu der noch Anja Lukaseder und Andreas Läsker gehören, nicht gewollt. «Ich bin aber der Meinung, dass nicht die Sprüche schuld sind», sagte Bohlen mit Blick auf die anhaltende Kritik an seinem Bewertungsstil. Er glaube vielmehr, für den Jungen sei ein Traum zerplatzt, «diese Enttäuschung kann er jetzt wohl nicht verarbeiten».

RTL hatte den Vorfall in der ersten Sendung der neuen Staffel gezeigt und dabei Namen und Wohnort des 17-jährigen Raymond wie bei allen Kandidaten eingeblendet. Medien berichteten, Raymond werde seitdem massiv belästigt. Laut «Bild» war er am Mittwoch in eine Klinik eingeliefert worden.

RTL verteidigte die Praxis der Namensnennung: «Die Kandidaten strömen nicht zu Tausenden zu Sendungen wie ´DSDS´ und wollen ins Fernsehen, um am Ende unerkannt zu bleiben. Sie suchen die Öffentlichkeit», sagte RTL-Sprecher Christian Körner. RTL hatte Raymond nach eigenem Bekunden professionelle psychologische Hilfe angeboten. «Aber die wurde abgelehnt, da sich die Lage laut Aussage des Vaters beruhigt hat», sagte Sprecherin Anke Eickmeyer.

Bohlen sieht die Verantwortung bei den Eltern. «Ich frage mich, warum ihn der Vater zu ´DSDS´ geschickt hat? Jeder hat gemerkt, dass er nicht singen kann. Wieso hat ihm das niemand vorher gesagt?», fragte Bohlen und fügte hinzu: «Man schickt auch keinen Nichtschwimmer in den Atlantik.»
VBE-Landesverbandssprecher Michael Gomolzig konterte, die Jugendlichen träten zwar alle freiwillig bei der Sendung an, aber die «destruktive Botschaft», die bei den jungen Zuschauern ankomme, sei verheerend.

Kulturrats-Vize Christian Höppner, der auch im RTL-Programmbeirat sitzt, warf dem Sender vor: «Was hier an menschenverachtender Häme produziert wird, ist durch keinen Quotenzwang mehr zu rechtfertigen.» Er warf dem Sender «gezielte Erniedrigung» und gesellschaftspolitische Verantwortungslosigkeit vor. Das könne er als Mitglied des Programmbeirates nicht akzeptieren.

Höppner sieht eine «mediale Massenverrohung», die nicht ohne Folgen für die Gesellschaft bleibe. Politik und Verbände sollten ihren Einfluss geltend machen, um diese Entwicklung zu stoppen. An RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkord appellierte er, mit der Multiplikatorenrolle des Senders «verantwortungsvoller" umzugehen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten prüft derzeit, ob die Sendung junge Zuschauer in ihrem Verhalten beeinträchtigen kann.

s auch:
Kulturrat: RTL und Dieter Bohlen beuten junge Menschen aus