Body
Frankfurt/Main (ddp). Das Unwort das Jahres 2007 lautet «Herdprämie». Der Ausdruck diffamiere Eltern, vor allem Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen statt einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen, begründete die Jury um den Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser am Dienstag ihre Entscheidung. Auf Platz zwei ihrer «Unwort»-Liste setzte die Jury «klimaneutral». Der Begriff verschleiere den Versuch, den CO2-Ausstoß zu steigern, sagte Schlosser.
Kritik äußerte er daran, dass durch die NS-Zeit belastete Wörter zunehmend wieder «normal» gebraucht würden. Dies gelte etwa für «Endlösung» oder «Sonderbehandlung» - Ausdrücke, die inzwischen «für alles Mögliche» verwendet würden. Einen aus der NS-Zeit belasteten Begriff setzte die sechsköpfige Jury auch auf ihre Unwort-Liste: «entartet» belegt Platz drei. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hatte davon gesprochen, wo die Kultur von der Gottesverehrung abgekoppelt werde, erstarre der Kultus im Ritualismus «und die Kultur entartet.»«Entartete Kunst» war ein NS-Schlüsselbegriff, mit dem missliebige Künstler und ihre Werke diffamiert wurden. «Ein so hoher Repräsentant der Katholischen Kirche sollte seine Worte schon besser wählen», meinte Schlosser mit Blick auf den Kardinal. Auch denen, die von «Herdprämie» sprechen, riet er, die Benutzung des Wortes zu überdenken. Man wolle aber niemandem etwas verbieten oder zensieren, betonte Schlosser.
Ihre Wahl traf die Jury aus gut 1000 verschiedenen Vorschlägen. Zu den am häufigsten genannten Begriffen zählten neben der «Herdprämie» auch «Bundestrojaner», «Killerspiele» und das «Nachtflugverbot mit ´geplanten Ausnahmen´«. Die Häufigkeit der Nennungen sei aber nicht wichtig für die Wahl des Unworts, erläuterte Schlosser. Entscheidend sei vielmehr, welcher Ausdruck im zurückliegenden Jahr besonders negativ auffiel.
«Herdprämie» war bereits im Dezember von der Gesellschaft für deutsche Sprache auf Platz zwei der Liste der «Wörter des Jahres 2007» gewählt worden. Wer der Urheber des Wortes ist, lässt sich laut Schlosser nicht mehr nachvollziehen. Dem Frankfurter Sprachexperten zufolge gibt es inzwischen ein ganzes Wortfeld, das die Diffamierungsabsicht ebenfalls deutlich werden lasse. Hierzu gehörten die Varianten «Aufzuchtprämie», «Gluckengehalt» und «Schnapsgeld».
Das Unwort des Jahres wurde zum 17. Mal bestimmt. Im vergangenen Jahr hatte «freiwillige Ausreise» das Rennen gemacht. Neben einer immer häufiger werdenden Verwendung von NS-Ausdrücken sieht Schlosser eine Tendenz, dass Begriffe benutzt werden, die sich »selbst auflösen«. Hierzu zählten etwa »freiwillige Wehrpflicht« oder »geplanter Amoklauf«. Vom Wahlkampfjahr 2008 verspricht sich Schlosser eine ganze Reihe »sehr schöner" Kandidaten für das nächste Unwort des Jahres.