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Kunsthistoriker erwartet Zunahme von Forderungen jüdischer Erben

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Berlin (ddp). Im Streit um die Rückgabe von NS-Raubkunst rechnet der Kunsthistoriker Uwe Hartmann mit einer Zunahme der Forderungen jüdischer Erben. Zehn Jahre nach Verabschiedung der Washingtoner Erklärung sei zu erwarten, dass sich künftig mehr Nachfahren jüdischer Kunstbesitzer mit Ansprüchen meldeten, sagte der Leiter der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche am Institut für Museumsforschung in Berlin, Uwe Hartmann, am Montag der Nachrichtenagentur ddp.

Mit der Washingtoner Erklärung hatten sich die Unterzeichnerländer 1998 verpflichtet, während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmte Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine gerechte und faire Lösung zu finden.

Hartmann sagte, viele Nachfahren hätten seitdem private Historiker und Anwälte beauftragt, nach ihrem möglichen Eigentum zu forschen. Die Resultate könnten jetzt nach und nach öffentlich bekannt werden. Dem Experten zufolge sind in den vergangenen zehn Jahren bereits rund 60 Restitutionen mit insgesamt etwa 1500 Objekten aus deutschen Sammlungen erfolgt. «Mindestens diese Größenordnung wird in den kommenden zehn Jahren nochmal erwartet», sagte er.

In Deutschland war das Thema NS-Raubkunst 2006 mit der umstrittenen Rückgabe des Bildes «Berliner Straßenszene» von Ernst Ludwig Kirchner hochgekocht. Das Bild wurde nach der Restitution von der Erbin umgehend für fast 30 Millionen Euro versteigert.

Derzeit sorgen die Erben des Berliner Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy für Schlagzeilen: Laut «Spiegel» haben sie das Museum of Modern Art (MoMA) zur Herausgabe des Bildes «Junge mit Pferd» und das Guggenheim-Museum in New York zur Herausgabe des Ölbildes «Die Mühle von La Galette» aufgefordert. Der Wert der Bilder wird auf je 200 Millionen US-Dollar geschätzt. Die Museen lehnen die Forderungen ab.

Hartmann wollte diesen Streit, über den im Herbst vor Gericht in New York entschieden werden soll, nicht kommentieren. Das Urteil habe zudem seiner Meinung nach keinen direkten Einfluss auf die künftige Restitutionspraxis in Deutschland, da die Rechtslage in den USA und der Bundesrepublik unterschiedlich sei.