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Metzmacher als "Buchmacher"

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«Keine Angst vor neuen Tönen» - Der Hamburger Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher hat ein Buch geschrieben und schwärmt für zeitgenössische Komponisten.

Berlin (ddp). Der Dirigent Ingo Metzmacher ist einer der interessantesten Gestalter von Konzertprogrammen hierzulande. Mit dem Philharmonischen Orchester Hamburg zum Beispiel musiziert und moderiert der 47-Jährige Silvesterkonzerte unter dem Titel «Wer hat Angst vor der Musik des 20. Jahrhunderts?» Und das Publikum folgt ihm in Scharen. An der Hamburgischen Staatsoper, wo er Generalmusikdirektor ist, punktete er in den vergangenen Jahren mit Werken von Arnold Schönberg und Hans Werner Henze. Über seine Liebe zur neuen Musik hat er jetzt ein Buch geschrieben, in dem er sich unter dem Titel «Keine Angst vor neuen Tönen» der Rezeption von zeitgenössischer und moderner Musik zuwendet.

«Große Komponisten sprechen alle an», sagt Metzmacher. Ihre Musik sei jedem zugänglich, der sich ihr öffne, es lohne sich, auf sie zu hören, so lautet sein Credo. Metzmacher erzählt die Geschichte der klassischen Musik als Geschichte ihrer Befreiung, als Suche nach neuen Klangerlebnissen, «die uns nicht einlullen, sondern uns öffnen für die Wunder, aber auch die Spannungen und Brüche in unserer Welt».

Wie kommt das nie Gehörte in die Welt, wie also entsteht Musik? Ist die Musik absolut frei oder muss sie bestimmten Regeln gehorchen? Welche Bedeutung hat die Stille für die Musik? Kann uns Musik etwas über die Welt erzählen, in der wir leben? Und warum sollten wir uns mit klassischer Musik beschäftigen? Metzmacher beantwortet diese Fragen nicht abstrakt, sondern mit zahlreichen Beispielen aus der Musikgeschichte, ausgewählten Komponistenporträts und vor allem seinen persönlichen Erlebnissen: dem Vorbild des Vaters, der Zusammenarbeit mit Musikern und Opernregisseuren, den Gesprächen mit Komponisten und Begegnungen mit ihrer Musik.

Ein eigenes Kapitel ist seinem Vater gewidmet, der ihn offenbar entscheidend prägte. Ein Mann, der gerne lachte und auch mal Unsinn trieb. «Mehrfach hat er in Bayreuth gespielt, unter Arturo Toscanini und Hans Knappertsbusch. Dort wurde er bekannt dafür, dass er gern auf dem Treppengeländer im Orchestergraben herunterrutschte», erzählt Metzmacher. Und er habe auch rückwärts auf dem Lenker sitzend Fahrrad fahren können. Im Garten hatte er ein Drahtseil gespannt, auf dem er mit einem Schirmchen balancierte. «Aber sein Instrument, das Cello, hat er sehr ernst genommen.»

Für sein musikalisches Leben wurde die Begegnung mit der Musik von Arnold Schönberg (1874-1951) zu einem Wendepunkt, bekennt Metzmacher. Er sei es leid gewesen, immer dieselben Stücke auf dem Klavier zu üben und sei so auf Schönberg gekommen. «Im Verhältnis zu dem, was mich damals umgab, war er geradezu radikal modern», sagt er. Schluss mit jeder Sentimentalität, Schluss mit Dur und Moll, Schluss mit der heilen Welt. «Das war genau, wonach ich suchte.» Tollkühnheit und Wagnis habe er gefunden in der Musik Schönbergs, Ausbruch aus den gewohnten Bahnen und Sprengung der Fesseln. «Und wer daran glaubt, dass es hinter der Fassade des täglichen Lebens eine tiefere, wildere und größere Wahrheit gibt, der liegt richtig bei der in diesem Buch beschriebenen Musik», sagt der Maestro.

Eine Bilanz seiner Hamburger Jahre zieht Metzmacher, der die Hansestadt im Sommer in Richtung Amsterdam verlässt, nicht. «Das wollte ich auf keinen Fall, und das war ja auch nicht der Auftrag.»

Angelika Rausch

(Ingo Metzmacher: «Keine Angst vor neuen Tönen. Eine Reise in die
Welt der Musik», Rowohlt Verlag, ISBN 3-87134-478-8, 16,90 Euro)