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Staatsoperette Dresden kämpft erneut um ein modernes Theaterhaus

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Firma Baywobau will Kraftwerk Mitte als neuen Standort für Staatsoperette Dresden entwickeln +++ Dresdens amtierender Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) will Ende März erneuten Standort-Vergleich für Musiktheater-Neubau vorstellen


Dresden (ddp-lsc). So stellt man sich gelungene Operettenabende vor: Es wird Johann Strauss\' «Die Fledermaus» gegeben, das Publikum kichert an delikaten Stellen und klatscht am Ende im Takt. Wenn Gefängniswärter Frosch dann noch tagesaktuelle Witze reißt, haut sich der Saal auf die Schenkel. Die Staatsoperette Dresden bietet dieses Spektakel. Sie ist nicht nur das einzige deutsche Haus mit eigenem Theater für Walzerseliges. Nur in Dresden heißt auch die Strauß-Fledermaus Hufeisennase und ist damit samt der Bühne selbst ein Politikum. Immerhin stehen zwei inzwischen bundesweit beachtete Themen im Rampenlicht: eine Fledermaus-Art, die den Welterbestatus der Kulturstadt erhalten soll, und ein umkämpftes Musiktheater.

Bereits seit mehr als zehn Jahren soll das Haus ein neues Domizil erhalten. Denn das Nachkriegsprovisorium im früheren «Konzert- und Balletablissement Gasthof zu Leuben» am Stadtrand ist marode, die Werkstätten dürfen nur mit Vorbehaltsgenehmigung des Gewerbeamtes betrieben werden. Ende März ist es mal wieder so weit: Ein Dresdner Stadtoberhaupt stellt Standortvergleiche vor. Doch statt Lehren aus vergangenen Jahren zu ziehen, als Investoren auf- und absprangen und operettenreife Finanzierungsmodelle kursierten, droht erneut Unbill.

So haben die Stadträte am 6. Dezember 30 Millionen Euro als Investitionsobergrenze für einen Neubau festgelegt. Wolfgang Schaller als Operetten-Intendant ist deshalb voller Unruhe. So lagen Sachverständigen zufolge die wahren Bau-Kosten schon 2006 bei 39 Millionen Euro, mit Teuerungsrate sind es aktuell 44 Millionen. Der als besonnen geltende Manager stellt nun «in Frage, ob mit diesem Beschluss etwas Vernünftiges entstehen kann». Schauspieler Tom Pauls als Frosch sagt dazu in der Dresdner «Fledermaus»-Inszenierung: «Wir brauchen kein Kabarett hier, die Politiker machen sich selbst lächerlich.»

Walter Kaplan ist da anderer Meinung. Der Architekt baute der Stadt unter anderem die Neue Messe und projektiert seit Jahren das alte Kraftwerk Mitte zur Operette um. Laut Kaplan ist die Grenze von 30 Millionen Euro zwar knapp, aber einzuhalten - mit der Firma Baywobau, die nach seinen Aussagen Investor wird. Kaplans neuer Entwurf sieht die Operetten-Hauptwerkstätten an einem externen Standort, der Hamburger Straße. Am Kraftwerk sollen nur kleinere Werkräume entstehen. Andererseits fehlten weder Probebühne noch Bühnenturm. «Das wird ein Vollfunktionshaus», sagt Kaplan.

Für Schaller liegt das Kraftwerk dagegen »nicht in unmittelbarer Lauflage des Tourismus«. Er präferiert den Zwinger-Nachbar Postplatz, weiß aber: »Das Heft des Handelns liegt bei der Stadt. Auch städtebaulich.« Auf keinen Fall dürfe die Stadtverwaltung das «Dresdner Alleinstellungsmerkmal Operette weiter verstecken«.

«Skeptisch» beim Thema Innenstadt ist Boris Michael Gruhl. Der europaweit tätige Musikkritiker kommt zwar beim Chefdirigenten der Operette, Ernst Theis, dem Ensemble und dem Orchester ins Schwärmen, fragt sich jedoch, woher Publikum für einen größeren Neubau kommen soll. Gruhl: »Da wächst nichts nach.« Schaller entkräftet: «Das sind Vermutungen. Unsere Zahlen, Erfahrungen und Prognosen sprechen eine andere Sprache.» Gruhl hingegen sieht auch inhaltlich Handlungsbedarf und fordert Regisseure mit frischem Blick auf das Genre. «Denn viele Operettenstoffe sind gar nicht so blöd, wie man denkt. Manchmal blitzt das in Leuben schon durch», räumt er ein.

Auch die Staatsoperette weiß um ihre Verantwortung. Ihr großer Ball am 7. März trägt das Motto »Weltkulturerbe Operette».