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Saxophonist RobZi Taylor beim Saint Lucia Jazz Festival. Foto: Saint Lucia Jazz
Saxophonist RobZi Taylor beim Saint Lucia Jazz Festival. Foto: Saint Lucia Jazz
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Swing, Soul und Funk unterm Mangobaum: Seit 20 Jahren hat die Karibikinsel Saint Lucia ein eigenes Jazzfestival

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Party unter freiem Himmel; im Hintergrund rauscht das warme Meer. Das Jazzfestival der Karibikinsel Saint Lucia kann mit einer einzigartigen Kulisse aufwarten: Die Hauptbühne befindet sich auf der gerade mal 18 Hektar kleinen Halbinsel Pigeon Island, die von zwei winzigen Stränden gesäumt wird. Der Anstieg zu einem Vulkankegel bildet ein natürliches Amphitheater. Palmen und Mangobäume wachsen hier. Wenn es regnet, tänzeln die Besucher in Flipflops durch den Matsch.

1992 entstanden, gehört „Saint Lucia Jazz“ neben dem seit 1978 veranstalteten Festival in Havanna zu den ältesten Jazzfestivals der Karibik. Ursprünglich wurde Saint Lucia Jazz vom Tourismusministerium und Hoteliers der Insel ins Leben gerufen, um den Fremdenverkehr in der Nebensaison anzukurbeln. „Auslöser war das Angebot von American Airlines, einen Direktflug einzurichten, wenn ein Festival im Mai für zusätzliche Nachfrage sorgen würde“, erzählt Tracey Warner Arnold, stellvertretende Geschäftsführerin von Saint Lucia Jazz. „Beim ersten Durchgang saßen etwa fünfzig Leute vor der Bühne“, erinnert sie sich. „Über die Jahre hinweg wuchs das Festival langsam, aber beständig.“ Ende der Neunziger sorgte die Unterstützung durch den US-Kabelsender BET Jazz für einen Push.

Inzwischen versetzt das zehntägige Festival ganz Saint Lucia in Aufregung, erstreckt es sich doch mit seinen unterschiedlichen Veranstaltungsreihen fast über die gesamte Insel. Man hört Jazz am Hafen und am Strand, in Clubs oder in Parks. Etliche Konzerte sind gratis. Wer trotzdem nicht dabei sein kann, verfolgt zumindest die Übertragungen im Radio. Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, als dass der Jazz lange Zeit einen Bogen um Saint Lucia machte – das erste öffentliche Jazzkonzert fand 1977 statt.

Saint Lucia Jazz bietet eine Mischung aus internationalen und karibischen Musikern. „Wir haben den Begriff Jazz sehr weit gefasst und spielen auch Reggae und Soul, Funk, Calypso oder R&B“, erklärt Tracey Warner Arnold. „Das machen viele Festivals so, denn die populären Acts bringen das Geld.“ 2012 sorgten die Soul-Diven Diana Ross und Toni Braxton ebenso für ausgelassene Partys wie die Reggae-Grooves von Ziggy Marley. Angeheizt wurde die Stimmung aber auch durch das papageienbunt gekleidete Moderatorenpaar, das mit geradezu hysterischem Enthusiasmus die Konzerte ankündigte.

Auch einheimische Musiker treten regelmäßig bei Saint Lucia Jazz auf. Zum Beispiel der Gitarrist Ronald „Boo“ Hinkson, der Jazz und karibische Musik verschmilzt; oder der leidenschaftlich ungestüme Saxophonist Luther Francois. Gern gesehen ist auch die Gruppe Derek Yard Project, die den schweißtreibenden lokalen Calypso mit Jazzklängen fusioniert.

Dank Saint Lucia Jazz gehört inzwischen auch der Mai zur touristischen Hochsaison auf der Insel. Wer da bemängelt, dass das Festival so offensichtlich als Instrument der Wirtschaftsförderung eingesetzt wird, sollte dessen Einfluss auf die einheimische Musikszene nicht unterschätzen.

„Das Festival sorgt für Auftrittsmöglichkeiten und verhilft hiesigen Musikern zu internationaler Bekanntheit“, erzählt der Gitarrist „Boo“ Hinkson. „Es gibt zudem mehr Jazzbands als früher, da die Musiker bei Saint Lucia Jazz auftreten wollen.“ Außerdem profitiert der Nachwuchs von den Workshops des Festivals; so gab es in diesem Jahr eine Meisterklasse mit dem Saxophonisten Joshua Redman. Bei den Veranstaltungen trifft man inzwischen vorwiegend ein karibisches Publikum, wenige Ausländer, und gar keine Reisegruppen. Die Einheimischen machen Saint Lucia Jazz zu einem großen Fest – nicht zuletzt durch ihre feierlich-bunte Kleidung; hier fällt man auch im Pailletten-Abendkleid oder im knallweißen Anzug nicht weiter auf. Die Saint Lucianer haben sich das Festival angeeignet und nicht einer touristischen Parallelwelt überlassen.

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