Body
Giordano kritisiert Walser wegen neuerlicher "Fehlthese" +++ Internationales Lesefest für Kinder in Saarbrücken +++ Fosses "Traum im Herbst" auf dem Berliner Theatertreffen +++ Umfassende Schönheitskur für Magdeburgs Puppentheater +++ Helge Schneider schreibt sein erster Theaterstück
Giordano kritisiert Walser wegen neuerlicher "Fehlthese"mdr - Der Kölner Schriftsteller Ralph Giordano hat die Debatte von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit dem Autor Martin Walser über die Rolle Deutschlands in Europa scharf kritisiert. Er schrieb in einem "Offenen Brief", Walser habe mit der These, der Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg sei eine der Hauptursachen für Hitlers Triumph, einen Fehler gemacht. Er suggeriere heutigen Generationen, dass Deutschland ein Opfer des Handelns auswärtiger Mächte sei. Damit habe Schröder ohne Widerspruch der "Auschwitz-Keule" nun auch noch eine "Versailles-Keule" folgen lassen, erklärte der Journalist und Dokumentarfilmer. Walser hatte 1998 in einer Rede gesagt, Auschwitz eigne sich nicht als "Moralkeule". Daraufhin wurde er vom Zentralrat der Juden heftig kritisiert. Seine jüngste These zum Versailler Vertrag bedachte der Präsident des Zentralrates der Juden, Spiegel, mit den Worten, dies seien "unsägliche Theorien".
Internationales Lesefest für Kinder in Saarbrücken
Saarbrücken (ddp-swe). In Saarbrücken beginnt am Montagabend das internationale Lesefest. Zum zweiten Mal lädt das Landesinstitut für Pädagogik und Medien zur viertägigen Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse ein. Unter dem Motto "Bücher bauen Brücken" präsentieren Verlage aus acht Ländern in einem großen Bücherzelt auf dem Tiblisser Platz vor dem Staatstheater Kinder- und Jugendliteratur. Dazu gibt es ein großes Programm von Lesungen, Symposien, Ausstellungen sowie Theater und Filme und ein "Leseschiff" auf der Saar.
Der saarländische Kultusminister Jürgen Schreier (CDU) sieht in der Messe einen Beitrag, Kinder an das Lesen heranzuführen. Nachdem die PISA-Studie den Nachholbedarf der deutschen Kinder gezeigt habe, sei dies um so wichtiger, schrieb der Minister im Messeprogramm.
(Internet: www.lpm.uni-sb.de/kijubum)
Fosses "Traum im Herbst" auf dem Berliner Theatertreffen
Berlin (ddp). Schlimm ist es, das Leben mit Verlegenheitsgeplapper herumzubringen. Eine Alternative aber gibt es nicht. Davon scheint jedenfalls der norwegische Autor Jon Fosse überzeugt zu sein. Fosses Stück "Traum im Herbst" zumindest ist eine einzige Floskel-Collage. Die Figuren, ein Mann und seine Freundin, dazu seine Ex-Frau und die Eltern, reden und reden, aber das Eigentliche sagen sie nicht, bevor sie sterben.
Luk Percevals Inszenierung an den Münchner Kammerspielen gastiert zurzeit im Rahmen des Theatertreffens in Berlin. Das Berliner Publikum, das zudem die Chance hat, die deutsche Erstaufführungsinszenierung des Stücks an der Schaubühne zum Vergleich heranzuziehen, reagierte mit großem Applaus auf den kurzen, aber sehr intensiven Abend.
Wenn sich Mann und Frau auf einem Friedhof über die Liebe und den Tod unterhalten, ist das naturgemäß stark klischeegefährdet. Perceval interessieren die melancholischen Plattitüden, die den Dialog durchziehen, weniger. Er zeigt stattdessen, wie man sich mit Worten winden kann, wie Worte zu Ersatzhandlungen werden, wie sie verletzen können, wie sie das Lebendige verbrauchen.
"So was kann man doch nicht sagen", meint der Mann, als die Frau ihm ihre Wünsche verrät. Später wird deutlich, womit dieses Sich-Abwenden vom Hier und Jetzt, diese Flucht ins Reich der Floskeln zu tun haben könnte. Mutter und Ex-Frau haben sich zu einer Allianz verbündet, berufen, das schlechte Gewissen des Mannes zu schüren. Wenn die Mutter vor der Neuen ihres Sohnes von dessen Ex-Frau schwärmt, sich der Vater resigniert an die Seite begibt und der Sohn unruhig hin- und herzurutschen beginnt, dann ist das Desaster perfekt.
Stephan Bissmeier ist als "Mann" die wandelnde Selbst-Verunsicherung. Ein verbaler Fluchtversuch ins Reich der sexuellen Phantasie, ein kurzes hilfloses Aufbegehren gegenüber Mama und Ex-Frau - dann stirbt er auch schon zwischen den an ihm zerrenden Frauen. Gundi Ellert macht die Mutter zu einem einzigen großen personifizierten Vorwurf.
Dagmar Manzel kann als (zweite) Frau immerhin eine gewisse Entwicklung darstellen. Sie wird von der liebesfähigen Freundin zur gestandenen Ehefrau, nach Fosse also von der Ahnung einer Möglichkeit des Ausbruchs aus den familiären Verkrustungen zum Symbol der
Unabwendbarkeit von Erstarrung.
Bühnenbildnerin Katrin Brack hat für dieses dunkle Familiendrama Kies zu einem Quadrat aufgeschüttet, aus dem eine riesige, hölzerne Säule schief in die Höhe ragt. In diesem symbolischen Raum ewigen Verharrens in Sinnlosigkeit sprechen die Schauspieler ihre Texte in Kopfmikrofone, so dass das Publikum akustisch ganz nah dran ist am jedem Verlegenheitsräuspern, am beiläufigen Gemurmel, am Vermeidungsgerede. Diese Entkopplung von Ton und Bühnengeschehen ist der Clou einer sehr präzisen Inszenierung, von der das Theatertreffen-Publikum sehr angetan war.
Jens Bienioschek
Umfassende Schönheitskur für Magdeburgs Puppentheater
Magdeburg (ddp-lsa). Das Magdeburger Puppentheater wird ab Montag umfassend saniert. Für 1,2 Millionen Euro bekommt das 1958 eröffnete Haus unter anderem einen neuen Zuschauersaal. Dort finden 154 Gäste einen Sitz- oder 396 einen Stehplatz. Der künftig zwölf Meter hohe Bühnenturm ermögliche zudem einen schnellen Kulissenwechsel und verbessere damit die technischen Möglichkeiten bei den Inszenierungen deutlich, sagte Intendant Michael Kempchen der Nachrichtenagentur ddp. Außerdem bringe der Umbau eine optimale Akustik mit sich. Zum Sanierungspaket gehören außerdem die Erneuerung von Heizungsanlage und Belüftung sowie der Einbau eines neuen Tonstudios.
Während der Bauarbeiten, die ein Jahr dauern sollen, läuft der Theaterbetrieb weiter, versicherte Kempchen. Vorstellungen des Ensembles finden beispielsweise auf der Probenbühne des eigenen Hauses statt. Weitere Spielstätten im gesamten Stadtgebiet sollen außerdem genutzt werden.
Bereits vor drei Jahren hatte das Puppentheater für rund 600 000 Euro eine Anbau mit Probebühne und Requisitenlager erhalten. Seit der Wende waren bereits mehr als eine Million Euro in die Sanierung der traditionsreichen Bühne geflossen. Seit seiner Gründung 1958 erlebte das Puppentheater rund 180 Inszenierungen, fast 2,5 Millionen Besucher wurden in den mehr als 40 Jahren gezählt.
(www.puppentheater-magdeburg.de)
Helge Schneider schreibt sein erster Theaterstück
Mülheim/Ruhr (ddp). Der Musiker und Entertainer Helge Schneider wird für die Mülheimer Theatertage NRW sein erstes Theaterstück schreiben. Die Uraufführung soll am 10. Mai kommenden Jahres stattfinden, teilte die Mülheimer Stadtverwaltung am Samstag mit. Die Inszenierung wird als Koproduktion der RuhrTriennale und der Mülheimer Theatertage mit dem Ensemble des Theater Oberhausen realisiert.
Eine fünfköpfige Jury hatte Schneider für das ab 2002 jährlich vergebene Auftragswerk der RuhrTriennale empfohlen. Die nach eigenen Angaben "singende Herrentorte" kam 1955 in Mülheim an der Ruhr zur Welt. Neben seinem musikalischen Schaffen hat Schneider mehrere Bücher veröffentlicht und in drei Filmen die Hauptrolle gespielt.