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15.5.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur (2)

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Zadek kritisiert Auswahl der Stücke beim Berliner Theatertreffen +++ Nietzsche-Bibliografie fertig gestellt +++ Tabori-Uraufführung am Berliner Ensemble +++ Schlingensief: Aktiv zur Bundestagswahl


Zadek kritisiert Auswahl der Stücke beim Berliner Theatertreffen
Hamburg/Berlin (ddp-bln). Die Kritik von prominenten Theater-Altmeistern am diesjährigen Theatertreffen in Berlin (4. bis 19. Mai) reißt nicht ab. Nach dem Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, geht nun auch der ebenfalls nicht eingeladene Peter Zadek hart mit der Auswahl der Jury ins Gericht. Ihm sei es zwar "egal", dass er in diesem Jahr mit keiner seiner Inszenierungen zum wichtigsten deutschsprachigen Bühnenfestival eingeladen worden sei, sagte Zadek dem Hamburger Magazin "Stern" in einem am Mittwoch vorab verbreiteten Beitrag. Es sei jedoch "albern und opportunistisch", dass die Auswahl der Inszenierungen "nur in eine bestimmte Richtung geht, diesmal in die so genannte junge".
Wenn das Theatertreffen "zum Sprachrohr einer Richtung" werde, verliere es seinen Sinn, betonte Zadek. Peymann hatte von Zensur gesprochen und ein "Gegentreffen" an seinem Hause initiiert.
Zadek hätte sich dem Bericht zufolge gewünscht, dass in Berlin - ob im Rahmen des Theatertreffens oder nicht - seine Inszenierung des "Juden von Malta" von Christopher Marlowe zu sehen gewesen wäre. Sie hatte im vergangenen Dezember am Wiener Burgtheater Premiere.
Der 75-jährige Regisseur, der die Nachkriegsgeschichte des deutschen Theaters wesentlich mitgeprägt hat, ist sich bewusst, dass sich die Zusammenarbeit der Schauspielhäuser mit ihm schwierig gestalte. "Meine Penetranz und auch Vitalität halten nur wenige aus", räumte er ein. Er sieht sich aber immer noch als Erfolgsgarant. "Ich gebe den Intendanten die Sicherheit, dass sie meine Inszenierungen 50 bis 60 Mal vor ausverkauftem Haus spielen können. Nur deswegen darf ich meine komische Experimentierarbeit überhaupt weitermachen", fügte er hinzu.
Demnächst wird Zadek das Stück "Peer Gynt" von Henrik Ibsen am Berliner Ensemble inszenieren. Seine Beziehung zur deutschen Hauptstadt ist jedoch eher von Abneigung geprägt: "Mir geht Berlin auf die Nerven, weil ich Krach nicht mag." Die Stadt erinnere ihn "irgendwie an Castrop-Rauxel vor 50 Jahren, genauso düster und öde".


Nietzsche-Bibliografie fertig gestellt
Weimar (ddp). Die Stiftung Weimarer Klassik hat die bisher umfangreichste Nietzsche-Bibliografie erstellt. Die letzten beiden der auf fünf Bände angelegten Publikation seien derzeit in der Druckerei, sagte der Leiter der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar, Michael Knoche, am Mittwoch der Nachrichtenagentur ddp. "Wenn alles gut geht, können wir die Titel den Teilnehmern des Internationalen Kolloquiums zur Nietzsche-Rezeption in Weimar vorlegen." Zu der Tagung vom 23. bis 25. Mai werden bis zu 100 Experten, Philosophen, Übersetzer und Autoren aus Europa und Übersee erwartet. Sie wollen über die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Werk Nietzsches (1844-1900) debattieren.
Mit der Weimarer Bibliografie liege den Experten erstmals ein umfassendes und systematisches Material vor, das sämtliche Werke von und über Nietzsche erfasse, betonte Knoche. Mehr als sechs Jahre haben die Weimarer daran gearbeitet und dabei mehr als 20 000 Dokumente aus den Jahren 1867 bis 1998 erfasst. Finanziell gefördert wurde die Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Nach dem Abschluss dieses Projektes soll die Sicherung der privaten Bibliothek Nietzsches ein nächste wichtiges Vorhaben sein. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar verwahrt 775 Titel aus dem Nachlass Nietzsches. "Der Zustand der Bücher macht uns große Sorgen", sagte der Bibliotheks-Chef. Sie müssten dringend konservatorisch behandelt werden. In der Vergangenheit sei der Bestand verfilmt worden, um Wissenschaftlern die Arbeit mit der Nietzsche-Bibliothek weiterhin zu ermöglichen. Ziel sei es jedoch, auch die Originale für die Arbeit zu erhalten. Dafür sei gemeinsam mit den Konservatoren der Universitätsbibliothek in Jena ein Konzept erarbeitet worden.
Parallel ist die Stiftung Weimarer Klassik damit beschäftigt, rund 30 000 Briefe aus dem Nietzsche-Archiv wissenschaftlich aufzuarbeiten. Das Archiv war nach dem Tode des Philosophen von seiner Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, in der "Villa Silberblick" in Weimar, dem letzten Zuhause Nietzsches, eingerichtet worden. Der Bestand wird heute vom Goethe-Schiller-Archiv der Klassikstiftung verwaltet. Diese Archivarbeit wird von der Volkswagen-Stiftung mit rund 280 000 Euro unterstützt.
(www.weimar.klassik.de)

Tabori-Uraufführung am Berliner Ensemble
Am Mittwoch bringt er am Berliner Ensemble (BE) sein neues Stück "Das Erdbeben-Concerto" zur Uraufführung. An seinem 88. Geburtstag am 24. Mai gibt das BE eine Festvorstellung. Und dennoch wird der nach Berlin übersiedelte George Tabori wehmütig, wenn er zu Wien befragt wird: "Ich möchte jeden Tag in Wien sein", sagt der Theatermacher im Gespräch mit der APA.
Den Plan, ganz in die Donaustadt zurückzukehren, hat er zwar fallen gelassen, doch hat Tabori bereits eine konkrete Inszenierungsidee für das Burgtheater: Gert Voss soll in seiner Regie den Faust spielen - nicht jenen von Goethe, aber den von Christopher Marlowe.
Marlowes "Faust" habe er vor Jahrzehnten in der Regie von Orson Welles in Paris gesehen, das Stück habe ihn immer sehr interessiert, erzählt Tabori. Das könnte durchaus seine nächste Arbeit mit Gert Voss am Burgtheater werden.
Im Herbst soll die Idee konkrete Formen annehmen: "Da fahre ich vielleicht nach Wien, und Voss wird herkommen", will sich Tabori bewusst nicht auf Termine festlegen. Ob er gerne generell nach Wien zurückkehren möchte? "Vor einem Jahr sagte ich mir, dass ich, bis ich 89 Jahre alt bin, alle Städte besuche, wo ich in meinem Leben war. Jedes Mal für etwa zwei Wochen, um zu sehen, wie sie sich geändert haben. Diesen Plan habe ich gelassen. Ich bleibe hier."
Dennoch gibt der 87-Jährige zu, dass er an der Spree nicht recht glücklich wird. "Wien hat mir viel besser gefallen als Berlin. Ich sage das naiv, weil ich ein naiver Mensch bin."
Das mag auch an der geringer gewordenen Bedeutung des Theaterdirektors Claus Peymann liegen, dem George Tabori vom Burgtheater in die deutsche Hauptstadt nachgefolgt ist: "Denn der Peymann hatte in Wien fünf Bühnen. Es war dort viel einfacher für ihn und für mich."
In Wien habe er sich zuerst mit Peymann wegen eines Stücks zusammengesetzt, dann hätten die Proben begonnen, zur Premiere sei Peymann wieder erschienen, erzählt Tabori.
"Man war freier und hatte die besten Schauspieler in Wien. Jetzt ist es gespalten. Teilweise sind sie hier, teilweise sind sie in Wien." Und er zählt eine Reihe von Namen auf, darunter Ignaz Kirchner und Kirsten Dene: "Sie sind geblieben. Ich weiß nicht warum, aber sie sind dort geblieben."

Schlingensief: Aktiv zur Bundestagswahl
Der Aktionskünstler und Theatermacher Christoph Schlingensief will sich auch in diesem Jahr wieder in den Bundestagswahlkampf einmischen. Allerdings werde er diesmal keine Partei gründen, sagte der 41-Jährige am Montagabend in einem dpa-Gespräch in Frankfurt. Dafür habe er keine Sponsoren gefunden. Dennoch wolle er etwas an der "Schnittstelle zwischen Theater und Gesellschaft" tun. Genaueres wollte Schlingensief nicht verraten.
Die politische Situation nach dem 11. September 2001 fordere zum Handeln auf, sagte Schlingensief. "Wir sind doch verraten und verkauft mit unseren Politikern - egal, ob Schily, Stoiber oder Schill." Die FDP etwa sei für ihn nur noch eine Spaßpartei. "Und mir hat man das 1998 vorgeworfen, dabei hatten wir damals ein richtiges Anliegen." Zur Bundestagswahl 1998 hatte Schlingensief die Partei "Chance 2000" gegründet, die sich als Plattform für Minderheiten verstand und großes Medienecho fand. Sie erhielt 28.566 Zweitstimmen.
Er glaube nicht mehr an die Wirkungsmacht des Theaters und freue sich, wieder mehr außerhalb des Theaters tun zu können. Im vergangenen halben Jahr sei er fast nur an der Berliner Volksbühne aktiv gewesen. "Das hat mich fast fertig gemacht", sagte Schlingensief.
Bis Ende Mai ist der Theatermacher noch in Frankfurt in Aktion. Am Wochenende 17./18. Mai ist er mit seiner "Wer wird Millionär?"- Parodie "Quiz 3000: Du bist die Katastrophe!" im Frankfurter Schauspiel zu Gast. Am 29. Mai liest er zudem im TAT-Theater aus dem im Suhrkamp-Verlag erschienenen Buch "Nazis rein/Nazis raus" über seine Zürcher "Hamlet"-Inszenierung.