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Dresden: Staatsschauspiel gibt «Dresdner Weber» ohne Originaltext +++ Leipzig: Buchmesse mit mehr Angeboten für junge Leser
Dresden: Staatsschauspiel gibt «Dresdner Weber» ohne Originaltext
Dresden (ddp). «Die Dresdner Weber» des Staatsschauspiels treffen scharf und berühren tief. Nach dem gerichtlichen Verbot der Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Werks «Die Weber» von Regisseur Volker Lösch hat sich das Dresdner Theater des Stoffes neu angenommen. Statt der Hauptmann-Texte strotzt die Collage nun vor Einfällen, die das Anliegen der Lösch-Interpretation - den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit, den «Hartz IV»-Regelungen und der Radikalisierung der Gesellschaft aufzuzeigen - mit einer ungeheuren Dringlichkeit auf die Bühne bringen. Im Mittelpunkt der «Dresdner Weber» steht das Gefühl von Wert- und Hilflosigkeit durch den Verlust des Arbeitsplatzes und die daraus resultierende Ent-Vergesellschaftung. Der Chor der Arbeitslosen aus der verbotenen Inszenierung von Gerhart Hauptmanns "Die Weber" ist am Montagabend als Bestandteil der Textcollage "Die Dresdner Weber" mit viel Applaus bedacht worden.
In der ersten Szene versucht der «Chor der Arbeitslosen», gespielt von 33 Dresdner Bürgern, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Ganz gleich ob Freundlichkeit, Kompetenz, Anbiederung, Fordern oder völlige
Selbstaufgabe - Erfolg haben die Suchenden nicht. Dort, wo in der Original-Inszenierung der Hauptmann-Text beginnt, erscheint nach kaum zwei Sätzen eine blonde Dame im kurzen, weißen Kleid, nervös mit der Brille spielend in der Loge und erinnert an das Verbot der Aufführung durch den lizenzhabenden Verlag. Die Ähnlichkeit mit einer bekannten TV-Moderatorin ist nicht von der Hand zu weisen. Komödiantisch überspitzt wird der Konflikt mit dem Verlag durch die Aussagen der Prokuristin und der Enkelin des Autors wiedergegeben. Letztere klebt den «Webern» die Münder schließlich mit schwarzen Klebestreifen zu.
Ihrer Stimme beraubt, murmeln die «Weber» nun den Text. Was zunächst eine gewisse Komik besitzt, wird zunehmend unheimlich und mündet in einem gewaltigen Gefühlsausbruch. Die Laiendarsteller spielen mit einer fast greifbaren Leidenschaft und Wut.
Der bei Hauptmann «Dreißiger» genannte Fabrikant wird wieder zum historischen «Zwanziger». Doch statt dessen Ansprache an die «Weber» zitiert der Schauspieler die Antrittsrede von Bundespräsident Horst Köhler. Durch die Konfrontation mit dem Heer der Hilfslosen wirken die Worte von oben herab, fast höhnisch und weit entfernt von der Realität der Menschen.
«Die Dresdner Weber» gehen weiter als die «Original»-Inszenierung. Die Talk-Masterin sitzt auf einem goldenen Wagen und plaudert mit dem «Superminister für Wirtschaft und Arbeit», dem «zukünftigen Superminister für Wirtschaft und Arbeit», einem Oppositionsführer und einem Arbeitgebervertreter aus dem Osten. Einer der Talk-Gäste konstatiert der Gastgeberin, dass ihre Sendung wichtiger sei als der Bundestag. Was wie eine Persiflage auf das TV-Format wirkt, sind echte Zitate aus der Sendung «Sabine Christiansen» vom August vergangenen Jahres.
Die Wut der «Dresdner Weber» entlädt sich schließlich in einem barbarischen Akt. Am Ende: zahlreiche Visionen, Illusionen, «Revoluzzer-Ideen», wirr und ziellos dahingefaselt. Was bleibt: die Ausweglosigkeit der Lage.
Mit großem Beifall und stehenden Ovationen quittieren die knapp 800 Zuschauer im voll besetzten Theater das Stück. Viele verdeutlichen im nachfolgenden Publikumsgespräch mit dem Regisseur und dem Intendanten: «Die Dresdner Weber» wühlen auf und sprechen den Menschen aus der Seele.
Weitere Aufführungen der Inszenierung »Die Dresdner Weber« sind für den 26. und 27. Februar sowie den 3., 14. und 19. März geplant.
Jule Scherer
Info: Premiere feierte die umstrittene Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Stücks «Die Weber» von Regisseur Volker Lösch am 30. Oktober. Zunächst ging TV-Moderatorin Sabine Christiansen mit einer Unterlassungsklage gegen das Stück vor. Sie beantragte, den Satz «Wen ich sehr schnell erschießen würde, das wäre Sabine Christiansen» aus dem Stück zu streichen. Das Dresdner Landgericht wies ihren Antrag am 9. Dezember mit Verweis auf die Kunstfreiheit zurück.
Am 23. November hatte das Berliner Landgericht bereits eine einstweilige Verfügung erlassen, die dem Staatsschauspiel eine weitere Aufführung der Inszenierung bis auf Weiteres untersagte. Mit dem Einfügen von Passagen eines «Chors der Arbeitslosen» in das Stück verstoße die Bühne gegen das Urheberrechtsgesetz. Das Gericht war auf Antrag des lizenzhabenden Bühnenverlags Felix Bloch Erben und der Enkelin des Autors, Anja Hauptmann, aktiv geworden. Im Januar bestätigte das Gericht die einstweilige Verfügung. Das Staatsschauspiel hat Berufung gegen die Entscheidung eingelegt, eine Entscheidung steht noch aus.
Unabhängig von Verfahren wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und des Urheberrechts ermittelte die Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.
http://www.staatsschauspiel-dresden.de
Leipzig: Buchmesse mit mehr Angeboten für junge Leser
Dresden (ddp). Ein Viertel der Ausstellungsfläche widmet die Leipziger Buchmesse in diesem Jahr jungen Lesern. Auf mehr als 10 000 Quadratmetern stellten internationale Autoren vom 17. bis zum 20. März ihre Bücher dem jungen Publikum vor, sagte der Direktor der Messe, Oliver Zille, am Dienstag in Leipzig. Er erwarte mehr als 30 000 Kinder und Jugendliche.
60 Jahre nach Ende des Krieges beschäftigen sich Jugendbuchautoren mit dem Thema Nationalsozialismus. Der Norweger Jostein Gaarder («Sofies Welt») liest aus seinem neuen Buch «Maya oder das Wunder des Lebens». Wie Jugendliche besser miteinander umgehen können, erzählt Alexander Freiherr Knigge.
Comicfans kommen auf der Buchmesse voll auf ihre Kosten. Mehr als 300 Veranstaltungen bringen Stars der internationalen Szene nach Leipzig.
Am letzten Ausstellungstag stehen nicht die «Macher», sondern die Besucher im Rampenlicht. Unter dem Titel «Leipzig liest vor» findet die längste Lesung der Messe statt. Von 11.00 bis 17.00 Uhr dürfen Bücherfreunde je 15 Minuten vorlesen.
Im vergangenen Jahr waren insgesamt 102 000 Literaturfreunde zur Leipziger Buchmesse gekommen.
http://www.leipziger-buchmesse.de