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Leipzig: Schauspielhaus sucht abgelegte Kleider mit Geschichten +++ Bochum: Schauspielhaus bedankt sich mit Theaterfest für Hilfe nach Brand +++ Berlin: Aldous Huxleys Anti-Utopie-Klassiker nach 70 Jahren auf der Bühne +++ Bremen: Finanzamt öffnet sich für «kafkaeske Behördenkritik»
Leipzig: Schauspielhaus sucht abgelegte Kleider mit GeschichtenLeipzig (ddp). Das Schauspiel Leipzig sucht für sein «Wertlos»-Festival Anfang Februar Kleidungsstücke mit persönlichen Geschichten. Wer mit seinen Brautschuhen, einem alten Winterpullover oder seinem Sommerkleid eine ganz private Geschichte verbindet, könne diese samt Kleidungsstück einschicken, teilte das Schauspielhaus am Freitag in Leipzig mit. Die Stücke würden dann auf einer Modenschau vorgestellt, ein Schauspieler werde die Geschichte drum herum inszenieren. Auch eine anonyme Einsendung ist möglich.
Mit dem «Wertlos»-Festival vom 2. bis 4. Februar möchte das Schauspielhaus gemeinsam mit der freien Szene der Schaubühne Lindenfels die Frage nach dem Wert des Menschen aufwerfen.
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Bochum: Schauspielhaus bedankt sich mit Theaterfest für Hilfe nach Brand
Bochum (ddp-nrw). Das Schauspielhaus Bochum will sich am Sonntag mit einem großen Theaterfest für die Solidarität bedanken, die es nach dem Brand seines Requisitenlagers erfahren hat. Ab 11.00 Uhr gebe es im Schauspielhaus ein Bühnenprogramm und vor dem Gebäude einen kleinen Jahrmarkt, teilte eine Sprecherin am Freitag mit. Nach Angaben des Schauspielhauses waren nach dem Feuer vom 12. September sowohl Sach- als auch Geldspenden eingegangen. Zudem hätten zahlreiche Theater in ganz Deutschland dem Schauspielhaus geholfen.
Die Folgen des Brandes würden das Schauspielhaus noch «über viele Spielzeiten hinaus stark belasten», hieß es. Zwar sei das zerstörte Inventar versichert gewesen, die anfallenden Kosten aus Logistik und Personal müsse das Haus jedoch aus eigenen Mitteln aufbringen.
Die Brandursache ist nach Angaben einer Sprecherin des Theaters derzeit weiterhin unbekannt.
Berlin: Aldous Huxleys Anti-Utopie-Klassiker nach 70 Jahren auf der Bühne
Berlin (ddp-bln). Zum ersten Mal wird der über 70 Jahre alte Anti-Utopie-Klassiker «Schöne neue Welt» (Brave New World) von Aldous Huxley aus dem Jahr 1932 auf der Bühne zu erleben sein. Das private Berliner Grips-Theater plant eine Bühnenfassung des Klassikers als Musical, geschrieben von Achim Gieseler und Volker Ludwig. Dass das Stück erst jetzt auf die Bühne kommt, hat mit der Witwe Huxleys, der 96-jährigen Laura Huxley zu tun. «Es war bisher niemandem gelungen, die Rechte für eine Bühnenumsetzung zu bekommen», sagte Ludwig, der für Buch und Songtexte verantwortlich ist, der Nachrichtenagentur ddp in Berlin.
Der Musiker Achim Gieseler habe «mit ihr Kaffee getrunken, bis er die Erlaubnis hatte». Da Laura Huxley den Amerikanern die Umsetzung des Romans nicht zutraue, halte sie die Arbeit in Europa für besser aufgehoben und habe ihm deshalb die nicht-englischsprachigen Bühnenrechte übertragen. Musical-Premiere ist am 2. November.
Für die Umsetzung hätten Gieseler und er selbst «ziemliche Freiheiten», sagte Ludwig. Es gebe ja nicht nur den Roman von 1932, sondern auch das von ihm selbst entworfene «Musical Comedy» aus den 50er Jahren, die aber nie aufgeführt wurde. Dort sei das Ende des Helden anders als im Roman.
«Schöne neue Welt» gehört zu den großen schwarzen Utopien des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu George Orwells «1984» ist Huxleys Grundsituation zunächst nicht düster und diktatorisch, sondern sehr verlockend. «Es ist eine hedonistische Welt einer ewig jungen Konsumgesellschaft, in der materielles Elend, Gewalt, Krankheit und Alter ebenso abgeschafft sind wie Liebe, Religion und schöpferisches Denken», sagte Ludwig. Es sei ein satirischer Blick auf die
Gesellschaft von heute.
Huxley selber hatte beim Schreiben seines Romans gedacht, die von ihm entworfene Gesellschaft finde in etwa 600 Jahren statt. «Bei uns auf der Bühne wird die Utopie in etwa 100 Jahren angesiedelt sein», sagte Ludwig. Einige Themen der Originalvorlage würden dabei ausgespart, da sie von der Zeit überholt wurden. «Das Stück soll nachdenklich machen, aber es gibt nicht dauernd diese Verweise auf die heutige Zeit", sagte der Autor.
Das Grips-Theater plant eine Laufzeit von mindestens drei Jahren für das Stück. «Wenn es gut läuft, wird es mindestens 150Vorstellungen geben», sagte Ludwig. Das Interesse an dem Stück sei sehr groß. Drei Theater hätten sein Buch bereits für die Bühnenumsetzung gekauft.
Bremen: Finanzamt öffnet sich für «kafkaeske Behördenkritik»
Bremen (ddp-nrd). «Ladies and Gentlemen» hallt es dröhnend und lang gezogen durch das Gänge-Labyrinth des Bremer Finanzamtes. «Machen Sie einen Schritt in ein neues Leben», fordert ein Schauspieler seine imaginären Zuschauer auf. Skurril winden sich drei Körper über den Boden. Sie robben, hüpfen auf allen Vieren, kriechen und rollen einem unsichtbaren Ziel entgegen. Es sind die Proben für das neue Stück einer freie Künstlergruppe. Die Theater-Tanz-Produktion «Anlage K - Eine Nacht im Finanzamt» wird im Gebäude der Bremer Finanzverwaltung inszeniert, wo auch Senator Ulrich Nußbaum (parteilos) residiert. Premiere ist am 11. November.
Die Theatertruppe ohne Namen um Regisseurin Katrin Bretschneider sorgt schon während der Proben für viel Aufmerksamkeit bei den Mitarbeitern der Behörde. Während die Schauspieler proben, öffnet sich eine Bürotür. Ein Mann in Anzughose und Hemd richtet seine rosafarbene Krawatte. Die Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben als er die Schauspieler sieht. «Kafkaesk» wäre die Beschreibung, die wohl am besten auf diese Szenerie passt. Und das ist gewollt.
Denn thematisch beschäftigen sich die Performer und Tänzer mit der Beziehung zwischen Individuum und System, zwischen Macht und Ohnmacht. Eben so, wie es einst Franz Kafka in seinem Romanfragment «Das Schloss» getan hat, sagt Regisseurin Bretschneider, die die Idee zu dem Stück hatte. Finanzsenator Nußbaum unterstützt die Auseinandersetzung mit der «kafkaesken Behördenkritik» ausdrücklich. «Finanzpolitik ist auch immer Gesellschaftspolitik. Das schließt die Förderung anspruchsvoller kultureller Projekte mit ein», betont er.
Die Idee für das Stück kam Bretschneider vor rund drei Jahren. «Damals musste ich meine Steuererklärung in Zimmer 100 abgeben», sagt die Kultur- und Theaterwissenschaftlerin. «Weiter kommen ja die Wenigsten.» Sie war begeistert von dem Gebäude, dass sie sich gleich noch ein bisschen umschaute. Was sie zu sehen bekam im Inneren der Finanzbehörde, mit der viele Menschen Angst und Verunsicherung verbinden, imponierte ihr. Es gibt marmorvertäfelte Wände, Paternoster statt Aufzüge, Wendeltreppen mit Messingbeschlägen, rote Teppiche in der Bel Etage und ein Labyrinth aus Gängen.
«Ich habe mich gefühlt wie Kafkas Hauptdarsteller Herr K., der vergeblich in den Behörden des Schlosses nach einer Existenzberechtigung sucht und dabei stets auf Umwege gelenkt wird», erinnert sich Bretschneider. Gemeinsam mit den Schauspielern, den Tänzern und dem Choreografen Günther Grollitsch will die Regisseurin die Zuschauer mit auf eine Reise durch die Behörde nehmen. Für die Handlungen gebe die Architektur die Struktur, sagt Bretschneider.
Das Stück erzählt keine Geschichte und übernimmt keine Handlung aus der Romanvorlage, sondern soll Eindrücke vermitteln und zum Nachdenken anregen. «Unser Ziel ist es, jedem Einzelnen ganz persönliche Gedankenräume aufzumachen», sagt Bretschneider. «Wir wollen den realen Raum, der mit dem Begriff Behörde fest besetzt ist, für eine ganz andere Wahrnehmung öffnen.»
-- Premiere von «Anlage K - Eine Nacht im Finanzamt» ist am 11. November um 19.30 Uhr im «Haus des Reichs», Rudolf-Hilferding-Platz 1 (Hintereingang Auf dem Rövekamp)
-- Weitere Vorstellungen sind am 12., 18., 19. und 25. November jeweils um 19.30 Uhr, am 17. und 24. November um 20 Uhr sowie am 26. November um 17 und 20 Uhr